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Söldner, Schurken, Seepiraten

Von der Privatisierung der Sicherheit und dem Chaos der "neuen" Kriege

26. Internationale Sommerakademie
Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung, Burg Schlaining
Sonntag, 5. Juli – Freitag, 10. Juli 2009


Piraten, Warlords, Kindersoldaten, private Militärunternehmer und Söldner bestimmen in den letzten Jahren die öffentliche Debatte als „neue“ Akteure in gewaltsamen Konflikten und Kriegen. Hat sich mit diesen Kriegsparteien und der zunehmenden Privatisierung des Krieges auch der Krieg selbst verändert? Stehen wir vor oder sind wir mitten in so genannten „neuen Kriegen“ oder zeigen sich „alte“ Kriege im neuen Gewand?

Von Sanktionen und westlichen Militäreinsätzen beinahe unberührt, etabliert sich mancherorts eine eigene Bürgerkriegsökonomie, die durch Rohstoffplünderung, Schmuggel, Menschenhandel, Drogenanbau, Entführungen oder Waffenhandel Kriege finanziert und lange fortdauern lässt. Kriegsgewinne werden von Gewaltunternehmern privatisiert – Kriegsverluste gehen zu Lasten der Bevölkerung. Mary Kaldor beschreibt in ihrem Grundlagenwerk über neue und alte Kriege, dass die neuen Kriege im Gegensatz zu geopolitischen oder ideologischen Beweggründen früherer Konflikte heute eine Politik der Identität zum Ziel haben.

Die Unterscheidung zwischen „Krieg“, „bewaffnetem Konflikt“ und einer instabilen Lage, der sogar humanitäre Organisationen aus Sicherheitsgründen ihren Rücken kehren müssen, verliert zunehmend ihre Trennschärfe. Dies konnte und kann vielfach in Lateinamerika und im Nahen Osten beobachtet werden. Konflikte ohne einen staatlichen Akteur stellen die westlichen Militärmächte vor enorme Herausforderungen. Weder Piraten noch Kindersoldaten beachten das Völkerrecht. Die Instrumente europäischer oder US-amerikanischer Soldaten kratzen an der Oberfläche der Konflikte, während im Golf von Aden Schiffe gekapert werden, im Kongo oder im Tschad ein Bürgerkrieg gegen die Zivilbevölkerung tobt. Die Reaktion der EU auf die Piraten vor der Küste Somalias hat sich sehr rasch „versicherheitlicht“ und militarisiert. Eine ursachenorientierte Entwicklungszusammenarbeit bleibt bei gleichzeitig steigenden Budgets für Militärinterventionen unterdotiert bzw. wird angesichts der Finanzkrise sogar in Frage gestellt. Piraterie ist nicht per se Krieg – man kann ihn allerdings gegen die Piraten zu führen versuchen.

Robert Cooper – zentraler Vordenker der EU-Außen- und Sicherheitspolitik unter Javier Solana – greift auf die Politik der doppelten Standards zurück. „Wenn es um traditionellere Staaten außerhalb des postmodernen Kontinents Europa geht, müssen wir auf die raueren Methoden einer vergangenen Ära zurückgreifen – Gewalt, präventive Angriffe, Irreführung“. Die Verantwortung des Westens kommt in dieser Debatte erschreckend kurz und Kriegsursachenforschung bleibt ein Fremdwort: „Wenn wir im Dschungel operieren, müssen wir ebenfalls das Gesetz des Dschungels anwenden“, so Cooper. Wenn Kriege nach Mary Kaldor mit einer Fragmentierung und Dezentralisierung des Staates einhergehen, so stehen wir folglich scheinbar auch vor neuen Formen des westlichen Interventionismus.

Die Erfindung „neuer“ Kriege durch Teile der Wissenschaft, Politik und Militär scheint immer öfter dem Zweck der Weltordnungsvorstellungen westlicher Wirtschafts- und Militärmächte nachzukommen als den Bedürfnissen der Bevölkerung nach der ursprünglich rein zivil verstandenen „menschlichen Sicherheit“. Die Unmenschlichkeit des Krieges drückt sich auch dadurch aus, dass heute vier Fünftel der Toten Zivilbevölkerung statt Soldaten ausmacht. Die humanitäre Hilfe steckt dabei oftmals im Spannungsfeld zwischen Neutralität, Rückzug oder der höchst unbeliebten zivil-militärischen Zusammenarbeit fest.

Daher orten KritikerInnen in der Friedens- und Konfliktforschung einen „Modetrend“, dass seit Ende des Ost-West-Konfliktes komplexere Phänomene rasch das Attribut „neu“ angeheftet bekommen. Genügt die Differenzierung in „alte“ und „neue“ Kriege, um sie systematisch zu analysieren und zu bearbeiten? Barbarische Kriegsgewalt, die gegen Appelle oder Interventionsgeschrei der „zivilisierten Welt“ immun geworden ist, ruft ein Gefühl von diffuser Bedrohung auf den Plan, in dem bornierte „security first“-Konzepte eine Hochkonjunktur erleben.

Wenn wir heute einen Wandel im Krieg und seiner Austragung erkennen, so stehen sowohl die Anstrengungen der Anti-Kriegs-Bewegung zur Debatte als auch die Formen zur politischen Durchsetzung ziviler Krisenprävention und des zivilen Krisenmanagements.

Thomas Roithner

Themen u.a.:
  • Konflikte der Zukunft
  • Kriegsgeschehen unter den Vorzeichen der Globalisierung
  • Kontroverse über die ‚neuen' Kriege der Gegenwart
  • Piratenjagd am Horn von Afrika
  • Rolle von Kindern und Jugendlichen in bewaffneten Konflikten
  • Rolle privater Sicherheitsfirmen in Konflikten und Kriegen
  • Kriegsökonomie und Gewaltwandel in Lateinamerika
  • Was lehrt uns der Gaza-Krieg?
  • Gender - Macht - Konflikt in Israel und Palästina
  • Humanitäre Organisationen in Konfliktgebieten
  • Neue Herausforderungen für die UNO
  • Die Gewaltökonomie der ‚neuen' Kriege
  • Welche Diplomatie für welche Kriege?
  • Strategien und Antworten der Zivilgesellschaft für die Kriege von Morgen

Vortragende
  • Johannes M. Becker, Politikwissenschaftler und ehemaliger Offizier, Mitbegründer und Geschäftsführer des Zentrums für Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg
  • Thomas Bergmayr, Journalist, derStandard.at
  • Verena Dunst, Landesrätin, Burgenland
  • Walter Fikisz, Chefredakteur der Eisenstädter KirchenZeitung
  • Anna Geis, Politikwissenschafterin, Projektleiterin an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Lehrtätigkeit an der Universität Frankfurt
  • Andreas Hackl, Student der Kultur- und Sozialanthropologie und Politikwissenschaft, Universität Wien
  • Gerhard Haderer, Karikaturist aus Linz, zahlreiche Buchveröffentlichungen und regelmäßige Arbeiten u.a. für Profil, Titanic und Stern
  • Hans-Joachim Heintze, Institut für Friedenssicherungsrecht und Völkerrecht, Ruhr-Universität Bochum
  • Monika Heupel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin
  • Margret Johannsen, Senior Research Fellow am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
  • Gertrude Klaffenböck, Food First Informations- und Aktionsnetzwerk (FIAN), Menschenrechtsorganisation für das Recht sich zu ernähren
  • Karin Kneissl, Journalistin, Nahost- und Energieexpertin, Lehrbeauftragte an der Webster Universität und der St. Joseph Universität/Libanon
  • Cornelia Krebs, Redakteurin Journal Panorama, Ö1, ORF
  • Sabine Kurtenbach, Politikwissenschaftlerin, Institut für Lateinamerikastudien des German Institute for Global and Area Studies, Hamburg
  • Georg Leitner, Diplomand der Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien Peter Lock, Sozialwissenschafter, European Association for Research on Transformation (EART), Hamburg
  • Wolfgang Machreich, Journalist, Die Furche
  • Gerald Mader, Präsident des Friedenszentrums Burg Schlaining
  • Ueli Mäder, Professor für Soziologie an der Universität Basel, Leiter des Nachdiplomstudiengangs in Konfliktanalysen und Konfliktbewältigung
  • Birgit Mahnkopf, Professorin für Europäische Gesellschaftspolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von ATTAC Deutschland
  • Volker Matthies, Professor i.R. für Politikwissenschaft, Universität Hamburg, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung
  • J.J. Messner, Director of International Peace Operations Association (IPOA), Washington D.C., Editor-in-Chief of the Journal of International Peace Operations
  • Harald Müller, Geschäftsführendes Mitglied des Vorstands der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Frankfurt
  • Andreas Papp, Leiter der Abteilung „Operational Support“ bei Ärzte ohne Grenzen Michael Pittwald, Politikwissenschafter, Institut für praxisorientierte Sozialforschung, Osnabrück
  • Thomas Preindl, Referat für Katastrophenhilfe der Caritas Österreich
  • Alois Reisenbichler, ChristInnen für die Friedensbewegung
  • Thomas Roithner, Sozial- und Wirtschaftswissenschafter, Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung – Büro Wien, Koordinator der Sommerakademie
  • Elfriede Schachner, frühere AGEZ-Geschäftsführerin, im Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (vidc) zuständig für Entwicklungspolitik und Pressearbeit
  • Annette Scheiner, Journalistin, Moderatorin und Medientrainerin, vormals Moderatorin des „Weltjournal“ im ORF
  • Martina Schloffer, Abteilungsleiterin Internationales Katastrophenmanagement des Roten Kreuzes
  • Erwin Schmidl, Leiter der Abteilung Zeitgeschichte des Instituts für Strategie & Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie, aktiv im Dachverband PAN
  • Wolfgang Schreiber, Universität Hamburg, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF)
  • Magda Seewald, Politikwissenschafterin am Wiener Institut für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (vidc), Arbeitsschwerpunkte Gender und Konflikt, Israel-Palästina sowie Frauen und Islam
  • Hermann Serient, freischaffender Künstler, arbeitet und lebt im Burgenland und Wien
  • Franz Sieder, Betriebsseelsorger
  • Martin Staudinger, Reporter Außenpolitik, Profil
  • Peter Strutynski, Politikwissenschafter, Universität Kassel, Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag
  • Sophie Veßel, Food First Informations- und Aktionsnetzwerk (FIAN), Menschenrechtsorganisation für das Recht sich zu ernähren
  • Jürgen Wagner, Politikwissenschafter, geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle Militarisierung, Tübingen und Redaktionsmitglied von Wissenschaft und Frieden
  • Andreas Zumach, Journalist, UNO-Korrespondent für deutsche, schweizerische und österreichische Zeitungen, Rundfunk und Fernsehanstalten, Buchautor, Genf
Das ganze Programm kann hier heruntergeladen werden: www.aspr.ac.at (externer Link)


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