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"Gemeinsam können wir mehr erreichen"

Die weltweit 170 Friedensmuseen kooperieren immer enger. Internationale Konferenz in Barcelona. Ein Gespräch mit Ikuro Anzai

Ikuro Anzai leitet in der japanischen Stadt Kyoto das an die Ritsumeikan-Universität angegliederte »Museum für Weltfrieden«



Weltweit gibt es etwa 170 Friedensmuseen - ein Drittel davon allein in Japan. Warum sind es so viele in Ihrem Land?

Die aggressive Vergangenheit Japans hat sehr viele Wunden aufgerissen. Wir haben nicht nur Krieg geführt, sondern auch selber tragische Erfahrungen machen müssen - nicht zuletzt mit den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im Jahre 1945. All diese Erfahrungen haben bei uns das Bedürfnis geweckt, den Frieden zu fördern.

1978 haben Japaner z. B. 30 Millionen Unterschriften für die erste UN-Sondervollversammlung für Abrüstung zusammengebracht. Wir waren die Motoren einer Bewegung, die viele regionale Regierungen und Städte dazu ermunterte, sich zu atomwaffenfreien Zonen zu erklären und Friedensmu­seen einzurichten. Die Zivilgesellschaft hat somit ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, Frieden zu schaffen.

Könnten die Museen nicht mehr für den Frieden tun, als nur geschichtliche Fakten über Kriege und menschliches Leid zu dokumentieren?

Museen können Filme zeigen, Forschung betreiben und Lesungen, Reisen, Friedenskonferenzen und Wanderausstellungen organisieren. Wir schließen uns zu Netzwerken zusammen und unterstützen uns gegenseitig. Einige Friedensmuseen in Japan tauschen bereits Ausstellungsstücke aus und bieten gemeinsame Programme an. Wir haben Vertreter und Kuratoren anderer asiatischer Museen zum Erfahrungs- und Ideenaustausch eingeladen. Gemeinsam können wir auf jeden Fall mehr erreichen, als nur Internetseiten zu organisieren und auf Besucher zu warten.

Welche Faktoren führten dazu, daß die Friedensmuseen neue Wege beschritten haben?

Zu nennen wäre vor allem das von dem norwegischen Forscher Johan Galtung in den 70er Jahren entwickelte Friedenskonzept. Er begreift Frieden nicht allein als Abwesenheit von Krieg, sondern als Abwesenheit jeder Art von Gewalt. Darunter fallen z. B. der Entzug der Menschenrechte, die ökologische Ausbeutung oder auch die kulturelle Gewalt.

Unser Museum hat sich von einem einfachen Antikriegsmahnmal zu einer Institution für Friedensstudien gemausert. Auch andere Museen haben sich auf diesen neuen Kurs eingelassen.

Was hat die Internationale Konferenz der Friedensmuseen 2008 erreicht, die bei Ihnen stattfand? In diesem Jahr soll in Barcelona gegen Ende dieses Jahres eine weitere Konferenz stattfinden - was erwarten Sie von ihr?

An der Konferenz im vorvergangenen Jahr hatten 5000 Fachleute aus mehr als 50 Ländern teilgenommen. Sie hat uns dabei geholfen, das internationale Netzwerk der Friedensmuseen (INMP) zu gründen, dem auch das Antikriegs-museum in Berlin angehört. Dieses Netzwerk hat eine eigene Satzung, ein Mitgliedersystem und ein Büro in Den Haag. Peter van den Dungen, Professor für Friedensstudien an der Universität Bradford in Großbritannien, ist der Generalkoordinator. Mit Hilfe des INMP können wir unsere Einheit stärken, unsere Studien mit ähnlichen Institutionen austauschen und zur Gründung weiterer Museen beitragen.

Sie unterhalten gute Beziehungen zum Massaker-Museum in Nanjing, wo japanische Soldaten 1937 etwa 300000 Chinesen umbrachten. Macht die Versöhnung zwischen China und Japan mit Hilfe solcher Kontakte Fortschritte?

Auch wenn das Museum in Nanjing die Massaker anprangert und das damit verbundene menschliche Leid dokumentiert, bildet die Friedenssicherung einen Schwerpunkt. Wir werden die Versöhnung mit China auf jeden Fall weiter voranbringen. Ich hoffe, daß es irgendwann einmal dazu kommen wird, daß das Museum in Nanjing und das Hiroshima-Friedensmuseum Exponate austauschen.

Interview: Mutsuko Murakami (IPS)

* Aus: junge Welt, 11. Januar 2010


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