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"Nur starke Friedensbewegung wird etwas verändern"

Die Universität Karlsruhe braucht eine »Zivilklausel«, die Rüstungsforschung verbietet. Gespräch mit Subrata Ghoshroy

Subrata Ghoshroy lebt in den USA, ist Friedensforscher und lehrt am Massachusetts Institute of Technology.



Die Studierenden des Karlsruhe Institute of Technology (KIT) wehren sich dagegen, daß an ihrer Universität für das Militär geforscht wird. Auch Sie haben sich in Ihrem Heimatland, den USA, entsprechend engagiert. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Ich hatte viele Jahre mit Personen aus der Wissenschaft und der Industrie zu tun, die sich dem »Star Wars«-Programm von US-Präsident Ronald Reagan widersetzten. Dabei ging es vor allem um die Raketenabwehr. Später untersuchte ich im Regierungsauftrag an führender Stelle die Ergebnisse des Tests eines solchen Systems. Dieser Test kostete zwar rund 100 Millionen Dollar – war aber ein Fehlschlag. Und mit dieser Information ging ich an die Öffentlichkeit, obwohl das Verteidigungsministerium enormen Druck auf mich ausübte.

Eine führende Rolle in der Forschung spielt in Ihrem Land das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ist es mit dem Karlsruher Institut vergleichbar?

Zweifellos findet am MIT hervorragende Forschung statt. Deren Schwerpunkte werden aber seit Jahren stark von Geldströmen aus dem Verteidigungsministerium bestimmt. Allerdings haben in den 60er Jahren gerade an dieser Universität viele Studenten und Dozenten Widerstand gegen den Vietnamkrieg geleistet. Darunter war übrigens auch der Sprachwissenschaftler und Philosoph Noam Chomsky.

Die Forderungen und Proteste haben einige Veränderungen bewirkt. Das MIT trennte sich schließlich von einem seiner größeren Labors, das die Steuerung von Trident-Raketen entwickelte. Das Lincoln Lab befaßt sich aber weiterhin mit militärischer Forschung. Vor einigen Jahren wurde außerdem ein Nanotechnologie-Zentrum errichtet, das ausschließlich von der Armee finanziert wird. Das MIT ist also wohl kaum ein Vorbild für Karlsruhe.

Im Deutschen Bundestag wird in dieser Woche über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr abgestimmt. Wie denken Sie als Friedenforscher darüber?

In Deutschland oder auch in Großbritannien gibt es wenig Unterstützung für diesen Krieg. Selbst in den USA wächst bei vielen Menschen die Unzufriedenheit. Afghanistan ist jetzt seit acht Jahren von NATO-Truppen besetzt, die Lage erinnert täglich mehr an Vietnam.

Je eher sich die ausländischen Truppen zurückziehen, um so besser ist es für alle. Es liegt an den Deutschen, die nötige Kraft zu entwickeln, um ihre Regierung zum Abzug zu zwingen.

Wird auch die Politik von Präsident Barack Obama vom militärisch-industriellen Komplex beherrscht?

Im politischen System der USA unterscheiden sich die beiden großen Parteien nur wenig in ihrer Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes. Die meisten Abgeordneten erhalten Wahlkampfhilfe aus der Rüstungsindustrie und stimmen dann Jahr für Jahr bei den Hauhaltsberatungen so ab, daß diese Firmen profitieren. ­Obama hat zwar die Streichung unnötiger Posten wie des F-22-Kampfflugzeugs erreicht, aber nichts getan, um den Verteidigungshaushalt von 700 Milliarden US-Dollar zu kürzen. Es gibt viele schöne Reden, aber nur eine starke weltweite Friedensbewegung wird etwas verändern.

Sie haben zusammen mit über 100 Persönlichkeiten einen internationalen Appell für das gesetzliche Verbot von Militärforschung am KIT unterzeichnet – worum sich aber weder die Landesregierung Baden-Württemberg noch die Bundesregierung scheren. Welche Chancen sehen Sie, dieses Ziel zu erreichen?

Zu den Unterzeichnern gehören auch Nobelpreisträger. Wir können nur hoffen, daß man auf uns hört. Insgesamt scheinen mir aber die Voraussetzungen für eine solche Zivilklausel in Deutschland günstiger zu sein als in den USA. Die Nachkriegsgeneration in Ihrem Lande ist in einer Kultur aufgewachsen, die den Militarismus weitgehend ablehnt. Außerdem gibt es Parteien wie Die Linke und die Grünen sowie starke Gewerkschaften.

(Übersetzung: Lothar Letsche)

Interview: Dietrich Schulze

* Aus: junge Welt, 1. Dezember 2009

Siehe auch:
Hochschulen und Militärforschung
Friedenswerkstätten oder zivilmilitärische Forschungskomplexe. Von Dietrich Schulze (5. Oktober 2009)


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