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Verbot von Kampfdrohnen gefordert

Führende Friedensforschungsinstitute kritisieren deutsche Rüstungsexporte

Von Olaf Standke *

Die wichtigsten deutschen Konfliktforschungsinstitute haben in ihrem am Dienstag in Berlin vorgestellten »Friedensgutachten 2013« die schwarz-gelbe Rüstungsexportpolitik scharf kritisiert und die Bundesregierung aufgefordert, auf den Einsatz bewaffneter Drohnen zu verzichten.

Das hat sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle nicht nehmen lassen und war höchstpersönlich zur feierlichen Unterzeichnung nach New York gereist: Als einer der ersten Staaten signierte Deutschland am Montag (Ortszeit) bei den Vereinten Nationen den neuen internationalen Vertrag zur Regulierung des Waffenhandels. Nach jahrelangen zähen Verhandlungen soll dieser Arms Trade Treaty weltweite Mindeststandards für das Geschäft mit sogenannten konventionellen Waffen festschreiben – dabei geht es pro Jahr um über 50 Milliarden Euro.

Nur ist die Bundesrepublik inzwischen hinter den USA und Russland der drittgrößte Waffenlieferant in der Welt. Deutschlands führende Friedensforschungsinstitute fordern deshalb vom schwarz-gelben Kabinett, Rüstungsexporte deutlich einzuschränken und mehr Transparenz bei den Beschlüssen für Waffenausfuhren zuzulassen. Diese Bundesregierung erteile Genehmigungen so großzügig wie keine zuvor. Und sie rechtfertige das exorbitante Wachstum der Rüstungsexporte in Regionen mit akuten Krisen und in autoritär regierten Staaten mit der Absicht, »Gestaltungsmächte« und »Partner« zu »ertüchtigen«, in ihrer Region für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Doch bisher sei man z.B. eine überzeugende Begründung für massive Waffenlieferungen in die Golfmonarchien schuldig geblieben, betonen die Friedensforscher: »Viele Regierungen, die Kriegsgerät aus Deutschland beziehen, treten die Menschenrechte mit Füßen.«

Darum müssten deutsche Rüstungsexporte endlich restriktiver gehandhabt werden, auch mit Blick auf Sicherheits- und Überwachungstechnologien, die sich zur Repression eignen. Überschüssiges Kriegsgerät der Bundeswehr sollte nicht an Drittstaaten verkauft, sondern verschrottet werden. Und über die Frage, ob deutsche Panzer in ein Krisengebiet gelangen, sollte im Bundestag entschieden werden. Sie sei zu brisant für ein Geheimgremium: »Wir bezweifeln die Notwendigkeit des Bundessicherheitsrates.«

Zugleich appellieren die Forscher an die Bundesregierung, auf die Anschaffung von Kampfdrohnen zu verzichten. Vielmehr solle sich Berlin für ein internationales Verbot dieser Waffensysteme einsetzen. Die fehlgeschlagene Beschaffung der EuroHawk-Drohnen dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass man nach der Bundestagswahl im Herbst die Bundeswehr mit Kampfdrohnen ausstatten wolle, betont Marc von Boemcken, federführender Herausgeber des diesjährigen Friedensgutachtens. Verteidigungsminister Thomas de Maizière will weiter bis zu 16 anschaffen. Damit folge die Bundesregierung einem internationalen Trend, der letztlich beim Kontrollverlust über die Kriegführung enden könnte. Inzwischen besitzen über 80 Staaten zumindest Aufklärungsdrohnen.

»Wenn man zu militärischen Mitteln greifen kann, ohne das Leben eigener Soldaten zu riskieren, sinkt die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt«, warnen die Wissenschaftler. Für sie sind Kampfdrohnen wie kein anderes System Sinnbild für den »schlanken Krieg« per Fernsteuerung. »Exekutionen durch die Exekutive – ohne Kriegserklärung, ohne politische Kontrolle und ohne rechtsstaatliches Verfahren: Das verstößt gegen das Völkerrecht und ist politisch wie ethisch inakzeptabel.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 5. Juni 2013


Krieg per Joystick

Von Olaf Standke **

Der Feldzug in Irak ist seit dem Vorjahr beendet, im nächsten wollen sich die USA und ihre Verbündeten auch aus Afghanistan zurückziehen, zumindest mit den meisten Kampftruppen. Doch der sogenannte »Krieg gegen den Terror« geht weiter, und die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute befürchten eine neue, nicht weniger gefährliche Phase der Kriegführung: die Robotisierung des Tötens. Angriffe mit ferngesteuerten Kampfdrohen sind da ein wichtiges Symptom weitreichender strategischer Veränderungen, die vor allem, aber nicht nur, von den USA vorangetrieben werden. Unter Präsident Barack Obama wurden solche Einsätze massiv ausgeweitet und haben schon über 3000 Todesopfer gefordert, viele davon völlig unschuldige Zivilisten.

Auch deshalb warnen die Wissenschaftler vor der Schimäre einer Sicherheitspolitik per Joystick. Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, zwischen Kampf und Exekution verschwimmen so immer mehr, die Hemmschwelle zum Einsatz tödlicher Gewalt sinkt – ohne rechtstaatliche wie völkerrechtliche Legitimation und politische Kontrolle, auch präventiv und in Ländern, gegen die offiziell gar kein Krieg geführt wird. Vor diesem Hintergrund fordert das »Friedensgutachten 2013« die internationale Ächtung von bewaffneten Drohnen. Die Bundeswehr will sie lieber heute als morgen haben.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 5. Juni 2013 (Kommentar)


Exportschlager aus Stahl

Friedensgutachten 2013 vorgestellt. BRD erteilt Genehmigung für Waffenausfuhren so großzügig wie nie zuvor

Von Daniel Bratanovic ***


Kampfdrohnen ächten und Rüstungsexporte einschränken. Das ist die Kernbotschaft des Friedensgutachtens 2013, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Herausgeber sind die laut Selbstanzeige vier führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute.

Die Experten bescheinigten der Bundesregierung, daß sie Genehmigungen für die Ausfuhr von Waffen und Waffenkomponenten so großzügig erteilt hat wie keine zuvor. 2012 überstiegen die Lieferungen allein an Saudi-Arabien die Gesamtsumme der Rüstungsexporte der vorangegangenen 13 Jahre.

Das Gutachten fordert, daß die BRD auf die Anschaffung bewaffneter Drohnen verzichtet und sich statt dessen für ein internationales Verbot der unbemannten Flugkörper einsetzt. Das Problem mit dieser Waffengattung sei, daß sie »die Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischt«, erklärte Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Kämen sie zum Einsatz, wäre das eine unerklärte Kriegshandlung, bei der keine Gefährdung der eigenen Soldaten bestehe und die Hemmschwelle zum Einsatzbefehl mithin deutlich sinke. Ein Rüstungswettlauf sei ein denkbares Szenario. Der Bundesregierung schlug Schoch dagegen vor: »präventive Rüstungskontrollen jetzt probieren«. Sein Kollege vom Bonn International Center for Conversion Marc von Boemcken warnte derweil vor überzogenen Erwartungen. »Die fehlgeschlagene Beschaffung der Euro-Hawk-Drohnen darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bundesregierung plant, nach der Wahl im Herbst die Bundeswehr mit Kampfdrohnen auszustatten.«

In der Frage der Rüstungsexporte sprachen die Friedensforscher keine Verbotsforderungen, sondern lediglich »Empfehlungen« aus. So sollen die Ausfuhren von Waffen restriktiver gehandhabt und prinzipiell nicht an Drittstaaten außerhalb von NATO und EU geliefert werden. Ausnahmen seien zu begründen. »Die Exporte müssen unterbleiben, wenn man sie nicht begründen kann«, erklärte Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Der BRD als drittgrößtem Waffenlieferanten empfiehlt das Gutachten, sich künftig einer öffentlichen Debatte über Sinn und Zweck des Rüstungshandels zu stellen. »Die Praxis, daß die Exekutive im Bundessicherheitsrat hinter verschlossenen Türen über Waffenlieferung diskutiert und entscheidet, gehört auf den Prüfstand.« Generell gebe es Zweifel an der Notwendigkeit dieses geheimen Gremiums. »Das Grundgesetz sieht den Bundessicherheitsrat gar nicht vor«, gab von Boemcken zu bedenken.

Die Linkspartei sehe »sich in ihrer Forderung nach einem Stopp aller Rüstungsexporte bestätigt«, kommentierte Christine Buchholz, friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion, das Gutachten. Es zeige, »daß die Außenpolitik der schwarz-gelben Koalition von den Interessen der Rüstungsindustrie dominiert wird«.

Zum Krieg in Syrien fielen den Wissenschaftlern hingegen weder Empfehlungen noch Forderungen ein. »Da gibt es nur noch schlechte und noch schlechtere Lösungen«, schätzte Schoch die Lage ein. In der herausgegebenen »Stellungnahme« werden alle denkbaren Optionen von der Passivität über die Ausrüstung der Rebellen mit Waffen bis zur Einrichtung von Flugverbotszonen und der direkten militärischen Intervention diskutiert, ohne eine eindeutige Position zu entwickeln. Nur eines scheint den Friedensfreunden sicher: »Es muß jeder Friedensethik widerstreben, daß wir angesichts eines derart brutalen Bürgerkriegs zum bloßen Zuschauen verurteilt sind.«

*** Aus: junge Welt, Mittwoch, 5. Juni 2013

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Durchwachsenes Friedensgutachten 2013
Stellungnahme des Bundesausschusses Friedensratschlag zur Vorlage des Gutachtens der vier großen Friedensforschungsinstitute (5. Juni 2013)




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