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"Die 'räuberische Phase' der menschlichen Entwicklung haben wir nirgends wirklich überwunden"

Albert Einsteins Bekenntnis zum "Sozialismus" - Ein denkwürdiges Plädoyer

2005 ist "Einsteinjahr" - vielfach begangen und gefeiert von höchsten Regierungsstellen bis zu Schulklassen oder unabhängigen politischen Initiativen. Wir dokumentieren im Folgenden einen Text von Albert Einstein aus dem Jahr 1949, in dem er ein ebenso entschiedenes wie logisch begründetes Bekenntnis zum "Sozialismus" ablegte.



Warum Sozialismus?

Von Albert Einstein*

Ist es ratsam für jemanden, der kein Experte auf dem Gebiet ökonomischer und sozialer Fragen ist, sich zum Wesen des Sozialismus zu äußern? Ich denke aus einer Reihe von Gründen, dass dies der Fall ist.

Betrachten wir die Frage zunächst vom Standpunkt der wissenschaftlichen Erkenntnisse aus. Es mag so erscheinen, als ob es keine wesentlichen methodologischen Unterschiede zwischen Astronomie und Ökonomie gäbe: Wissenschaftler beider Gebiete versuchen allgemein akzeptable Gesetze für eine begrenzte Anzahl von Phänomenen zu entdecken um deren Zusammenhänge so verständlich wie möglich zu machen. Aber in Wirklichkeit existieren solche methodologischen Unterschiede. Die Entdeckung von allgemeingültigen Gesetzen im Bereich der Ökonomie wird dadurch erschwert, dass die beobachteten ökonomischen Phänomene von vielen Faktoren beeinflusst sind, die sich einzeln schwer beurteilen lassen. Außerdem waren die Erfahrungen, die sich seit Beginn der sogenannten "zivilisierten Periode" der menschlichen Geschichte angesammelt haben - wie wir wissen - stark von Faktoren beeinflusst und beschränkt, die keineswegs ausschließlich ökonomischer Natur sind. Zum Beispiel verdanken die meisten größeren Staatengebilde der Geschichte ihre Existenz Eroberungen. Die erobernden Völker machten sich selbst - gesetzlich und wirtschaftlich - zur privilegierten Klasse des eroberten Landes. Sie sicherten sich das Monopol an Landbesitz und ernannten Priester aus ihren eigenen Reihen. Diese Priester - die die Macht über das Erziehungswesen hatten - institutionalisierten die Teilung der Gesellschaft in Klassen und schufen ein Wertesystem, das die Menschen von da an - weitgehend unbewusst - in ihrem sozialen Verhalten leitete.

Aber auch wenn diese historische Tradition eigentlich der Vergangenheit angehört, haben wir das, was Thorstein Veblen die "räuberische Phase" der menschlichen Entwicklung nannte, nirgends wirklich überwunden. Die wahrnehmbaren ökonomischen Fakten gehören zu eben dieser Phase und selbst diejenigen Gesetze, die wir aus ihnen ableiten können, sind nicht auf andere Phasen anwendbar. Da es das reale Ziel des Sozialismus ist, genau diese räuberische Phase menschlicher Entwicklung zu überwinden und über sie hinauszugelangen, kann die heutige Wirtschaftswissenschaft wenig Licht auf die zukünftige sozialistische Gesellschaft werfen.

Zum Zweiten ist der Sozialismus auf ein sozial-ethisches Ziel ausgerichtet. Wissenschaft kann jedoch keine Ziele schaffen, geschweige denn sie den Menschen einflößen: Wissenschaft kann bestenfalls die Mittel liefern, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden können. Aber die Ziele selbst werden von Persönlichkeiten mit hochgesteckten ethischen Idealen erdacht und, wenn diese Ziele nicht totgeboren, sondern vital und kraftvoll sind, werden sie von den vielen Menschen übernommen und weitergetragen, die teilweise unbewusst die langsame Weiterentwicklung der Gesellschaft bestimmen.

Aus diesen Gründen sollten wir auf der Hut sein und keine Wissenschaft und wissenschaftliche Methode überschätzen, wenn es um Probleme der Menschheit geht; und wir sollten nicht davon ausgehen, dass Experten die einzigen sind, die ein Recht darauf haben, sich zu Fragen zu äußern, die die Organisation der Gesellschaft betreffen.

Unzählige Stimmen behaupten seit geraumer Zeit, nun, da die menschliche Gesellschaft eine Krise durchmache, sei ihre Stabilität ernsthaft erschüttert worden. Es ist charakteristisch für solch eine Situation, dass sich Individuen gleichgültig oder sogar feindlich gegenüber der kleinen oder großen Gruppe verhalten, zu der sie gehören. Hierzu eine persönliche Erfahrung: Ich erörterte vor kurzem mit einem intelligenten und freundlich gesinnten Mann die Bedrohung durch einen erneuten Krieg, der meiner Meinung nach die Existenz der Menschheit ernsthaft gefährden würde, und ich bemerkte, nur eine supranationale Organisation könnte Schutz vor dieser Gefahr gewährleisten. Daraufhin sagte mein Besucher, sehr ruhig und gelassen: "Warum sind Sie so vehement gegen das Verschwinden der Menschheit?"

Ich bin mir sicher, dass ein Jahrhundert früher niemand so leicht eine derartige Bemerkung gemacht hätte. Es ist die Aussage eines Mannes, der sich vergebens bemüht hat, sein inneres Gleichgewicht zu finden und der die Hoffnung, dies könne ihm je gelingen, mehr oder weniger aufgegeben hat. Es ist der Ausdruck einer schmerzhaften Vereinsamung und Isolation, an der so viele Leute in dieser Zeit leiden. Was ist die Ursache? Gibt es einen Ausweg?

Es ist einfach, solche Fragen aufzuwerfen, viel schwieriger hingegen, sie mit einiger Gewissheit zu beantworten. Doch das muss ich versuchen, so gut ich kann, obwohl ich mir der Tatsache bewusst bin, dass unsere Gefühle und unsere Bestrebungen oft widersprüchlich und obskur sind und dass sie nicht in einfachen Formeln ausgedrückt werden können.

Der Mensch ist zugleich ein Einzel- und ein Gesellschaftswesen. Als ein Einzelwesen versucht er, seine eigene Existenz und die der Menschen zu schützen, die ihm am nächsten stehen, sowie seine Bedürfnisse zu befriedigen und seine angeborenen Fähigkeiten zu entwickeln. Als ein Gesellschaftswesen versucht er, die Anerkennung und Zuneigung seiner Mitmenschen zu gewinnen, ihre Leidenschaften zu teilen, sie in ihren Sorgen zu trösten und ihre Lebensumstände zu verbessern. Allein die Existenz dieser vielseitigen, häufig widerstreitenden Bestrebungen macht den besonderen Charakter des Menschen aus, und die jeweilige Kombination bestimmt, inwieweit ein Individuum sein inneres Gleichgewicht erreichen und damit etwas zum Wohl der Gesellschaft beitragen kann. Es ist gut vorstellbar, dass die relative Kraft dieser beiden Antriebe hauptsächlich erblich bedingt ist. Aber die Persönlichkeit wird letztlich weitestgehend von der Umgebung geformt, die ein Mensch zufällig vorfindet, durch die Gesellschaftsstruktur, in der er aufwächst, durch die Traditionen dieser Gesellschaft und dadurch, wie bestimmte Verhaltensweisen beurteilt werden. Der abstrakte Begriff "Gesellschaft" bedeutet für den einzelnen Menschen die Gesamtheit seiner direkten und indirekten Beziehungen zu seinen Zeitgenossen und zu den Menschen früherer Generationen. Der Einzelne allein ist in der Lage, zu denken, zu fühlen, zu kämpfen, selbstständig zu arbeiten; aber er ist in seiner physischen, intellektuellen und emotionalen Existenz derart abhängig von der Gesellschaft, dass es unmöglich ist ihn, ihn außerhalb des gesellschaftlichen Rahmens zusehen und zu verstehen. Es ist die "Gesellschaft", die dem Menschen Kleidung, Wohnung, Werkzeuge, Sprache, die Formen des Denkens und die meisten Inhalte dieses Denkens liefert, sein Leben wird ermöglicht durch die Arbeit und durch die Leistungen der vielen Millionen früherer und heutiger Menschen, die sich hinter dem Wörtchen "die Gesellschaft" verbergen.

Deshalb ist die Abhängigkeit des Einzelnen von der Gesellschaft eine Naturtatsache, die - wie im Falle von Ameisen und Bienen - nicht abgeschafft werden kann. Doch während der gesamte Lebensprozess von Ameisen und Bienen bis hin zum kleinsten Detail an starre, erbliche Instinkte gebunden ist, sind die sozialen Muster und die engen sozialen Verbindungen der Menschen sehr empfänglich für verschiedenste Veränderungen. Das Gedächtnis, die Kapazität, Neues zu versuchen und die Möglichkeit, mündlich zu kommunizieren, haben den Menschen Entwicklungen möglich gemacht, die nicht von biologischen Gegebenheiten diktiert wurden. Solche Entwicklungen manifestieren sich in Traditionen, Institutionen und Organisationen; in der Literatur; in wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften; in Kunstwerken. Das erklärt, weshalb der Mensch in einem gewissen Sinne sein Leben selbst beeinflussen kann, und dass in diesem Prozess bewusstes Denken und Wollen eine Rolle spielt.

Der Mensch erwirbt mit der Geburt durch Vererbung eine biologische Grundlage, die wir als fest und unabänderlich betrachten müssen. Dies schließt die natürlichen Triebe ein, die für die menschliche Spezies charakteristisch sind. Darüber hinaus erwirbt er während seines Lebens eine kulturelle Grundlage, die er von der Gesellschaft durch Kommunikation und durch viele andere Arten von Einflüssen übernimmt. Es ist diese kulturelle Grundlage, die im Lauf der Zeit Änderungen unterworfen ist, und die zu einem großen Teil die Beziehungen zwischen dem Individuum und der Gesellschaft bestimmt. Die moderne Anthropologie hat uns durch vergleichende Untersuchungen der sogenannten "primitiven Kulturen" gelehrt, dass das soziale Verhalten von Menschen sehr unterschiedlich sein kann und jeweils abhängig ist von den vorherrschenden kulturellen Mustern und dem in der Gesellschaft vorherrschenden Organisationstyp. Auf diese Tatsache können diejenigen bauen, die das Los der Menschen verbessern wollen: Menschen sind durch ihre biologischen Konstitution nicht dazu verdammt, einander zu vernichten oder auf Gedeih und Verderb einem schrecklichen, selbst auferlegten Schicksal zu erliegen.

Wenn wir uns fragen, wie die Gesellschaftsstruktur und die kulturelle Einstellung des Menschen geändert werden soll, um das menschliche Leben so befriedigend wie möglich zu machen, sollten wir uns immer bewusst sein, dass es bestimmte Bedingungen gibt, die wir unmöglich verändern können. Wie bereits erwähnt, ist die biologische Natur des Menschen praktisch unveränderlich. Des weiteren haben technologische und demographische Entwicklungen der letzten Jahrhunderte Bedingungen geschaffen, die bleibend sind. Bei einer relativ hohen Bevölkerungsdichte und mit Blick auf die Waren, die für ihre Existenz unentbehrlich sind, sind eine extreme Arbeitsteilung und ein hoch zentralisierter Produktionsapparat unbedingt notwendig. Die Zeiten, in denen Individuen oder relativ kleine Gruppen völlig autark sein konnten - und die zurückblickend so idyllisch erscheinen - sind unwiderruflich vorbei. Es ist nur eine leichte Übertreibung zu behaupten, dass die Menschheit schon heute eine weltweite Gemeinschaft in Bezug auf Produktion und Verbrauch bildet.

An diesem Punkt angelangt kann ich kurz aufzeigen, was für mich das Wesen der Krise unserer Zeit ausmacht. Es betrifft die Beziehung des Einzelnen zur Gesellschaft. Der Einzelne ist sich seiner Abhängigkeit von der Gesellschaft bewusster als je zuvor. Aber er erfährt diese Abhängigkeit nicht als etwas Positives, Organisches, Schützendes, sondern eher als eine Bedrohung seiner naturgegebenen Rechte oder sogar seiner ökonomischen Existenz. Außerdem ist seine Stellung in der Gesellschaft so, dass die egotistischen Triebe ständig hervorgehoben werden, während seine sozialen Triebe, die von Natur aus schwächer sind, immer mehr verkümmern. Alle Menschen leiden unter dieser Verkümmerung - ganz gleich, welche Stellung in der Gesellschaft sie innehaben. Als unwissentlich Gefangene ihrer eigenen Ichbezogenheit fühlen sie sich unsicher, einsam und der ursprünglichen, einfachen und schlichten Lebensfreude beraubt. Der Mensch kann seinem Leben, kurz und bedroht wie es ist, nur dadurch Sinn geben, dass er sich der Gesellschaft widmet.

Die ökonomische Anarchie der kapitalistischen Gesellschaft heute ist meiner Meinung nach die eigentliche Ursache des Übels. Wir sehen vor uns eine riesige Gemeinschaft von Erzeugern, deren Mitglieder unaufhörlich bestrebt sind, einander die Früchte ihrer kollektiven Arbeit zu entziehen - nicht mit Gewalt, sondern alles in allem in getreuer Einhaltung der gesetzlich etablierten Regeln. In dieser Hinsicht ist es wichtig, zu realisieren, dass die Produktionsmittel - d. h. die ganze produktive Kapazität, die für das Produzieren von Verbrauchsgütern wie auch zusätzlichen Investitionsgütern erforderlich ist - juristisch Privateigentum von Einzelnen sein können und größtenteils auch sind.

Der Einfachheit halber werde ich im Folgenden all jene als "Arbeiter" bezeichnen, die kein Eigentum an Produktionsmitteln besitzen - auch wenn dies nicht ganz der üblichen Verwendung des Ausdrucks entspricht. Der Eigentümer der Produktionsmittel ist in der Lage, die Arbeitskraft des Arbeiters zu kaufen. Mit den Produktionsmitteln produziert der Arbeiter neue Güter, die ins Eigentum des Kapitalisten übergehen. Wesentlich in diesem Prozess ist die Relation zwischen dem, was der Arbeiter produziert, und dem, was ihm dafür bezahlt wird - beides gemessen am wirklichen Wert. Da der Arbeitsvertrag "frei" ist, wird das, was der Arbeiter erhält, nicht vom wirklichen Wert der produzierten Waren bestimmt, sondern durch seine Mindestbedürfnisse und durch den Bedarf des Kapitalisten an Arbeitskraft im Verhältnis zur Zahl der Arbeiter, die miteinander um Arbeitsplätze konkurrieren. Es ist wichtig, zu verstehen, dass sogar in der [ökonomischen] Theorie die Bezahlung des Arbeiters nicht vom Wert seines Produkts bestimmt wird.

Privates Kapital tendiert dazu, in wenigen Händen konzentriert zu werden - teils aufgrund der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten und teils, weil die technologische Entwicklung und die wachsende Arbeitsteilung die Entstehung von größeren Einheiten auf Kosten der kleineren vorantreiben. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist eine Oligarchie von privatem Kapital, dessen enorme Kraft nicht einmal von einer demokratisch organisierten politischen Gesellschaft gebändigt werden kann. Denn die Mitglieder der gesetzgebenden Organe werden von politischen Parteien ausgewählt, die weitgehend von Privatkapitalisten finanziert oder anderweitig beeinflusst werden und in der Praxis die Wähler von der Legislative trennen. Infolgedessen schützen die "Volksvertreter" tatsächlich nicht ausreichend die Interessen der unterprivilegierten Schichten der Bevölkerung. Außerdem kontrollieren unter den vorhandenen Bedingungen die Privatkapitalisten zwangsläufig direkt oder indirekt die Hauptinformationsquellen (Presse, Rundfunk, Bildungswesen). Es ist deshalb äußerst schwierig und für den einzelnen Bürger in den meisten Fällen fast unmöglich, objektive Schlüsse zu ziehen und einen verständigen Gebrauch von seinen politischen Rechten zu machen.

Die Situation in einem Wirtschaftssystem, das auf dem Privateigentum an Kapital basiert, wird somit durch zwei Hauptprinzipien charakterisiert: erstens sind die Produktionsmittel (das Kapital) in privatem Eigentum und die Eigentümer verfügen darüber nach Gutdünken; zweitens ist der Arbeitsvertrag frei. Natürlich gibt es keine rein kapitalistische Gesellschaft. Vor allem sollte beachtet werden, dass es den Arbeitern durch lange und erbitterte politische Kämpfe gelungen ist, bestimmten Kategorien von Arbeitern eine etwas verbesserte Form des "freien Arbeitsvertrags" zu sichern. Aber als Ganzes genommen unterscheidet sich die heutige Wirtschaft nicht sehr von einem "reinen" Kapitalismus.

Produziert wird für den Profit - nicht für den Bedarf. Es gibt keine Vorkehrung, die dafür sorgen würde, dass all jene, die fähig und bereit sind zu arbeiten, immer Arbeit finden können. Es gibt fast immer ein "Heer von Arbeitslosen". Der Arbeiter lebt dauernd in der Angst, seinen Job zu verlieren. Da arbeitslose und schlecht bezahlte Arbeiter keinen profitablen Markt liefern, ist die Warenproduktion beschränkt und große Not ist die Folge. Technologischer Fortschritt führt häufig zu mehr Arbeitslosigkeit statt zu einem Milderung der Last der Arbeit für alle. Das Profitmotiv, in Verbindung mit der Konkurrenz zwischen den Kapitalisten, ist für die Instabilität der Akkumulation und Anwendung des Kapitals verantwortlich, und dies hat zunehmend schwerere Depressionen zur Folge. Unbegrenzte Konkurrenz führt zu einer riesigen Vergeudung von Arbeitskraft und zu dieser Verkrüppelung des gesellschaftlichen Bewusstseins von Individuen, die ich zuvor erwähnt habe.

Diese Verkrüppelung halte ich für das größte Übel des Kapitalismus. Unser ganzes Bildungssystem leidet darunter. Den Studierenden wird ein übertriebenes Konkurrenzstreben eingetrichtert und sie werden dazu abgerichtet, erfolgreiche Raffgier als Vorbereitung für ihre zukünftige Karriere anzusehen.

Ich bin davon überzeugt, dass es nur einen Weg gibt, dieses Übel loszuwerden, nämlich den, ein sozialistisches Wirtschaftssystem einzuführen, begleitet von einem Bildungssystem, das sich an sozialen Zielsetzungen orientiert. In solch einer Wirtschaft gehören die Produktionsmittel der Gesellschaft, und ihr Gebrauch wird geplant. Eine Planwirtschaft, die die Produktion am Bedarf der Gemeinschaft orientiert, würde die notwendige Arbeit auf all diejenigen verteilen, die in der Lage sind zu arbeiten, und sie würde jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind einen Lebensunterhalt garantieren. Die Erziehung hätte zum Ziel, nicht nur die angeborenen Fähigkeiten der Einzelnen zu fördern, sondern in ihnen auch Verantwortungssinn für die Mitmenschen zu entwickeln, anstatt, wie in unserer heutigen Gesellschaft, Macht und Erfolg zu glorifizieren.

Dennoch muss daran erinnert werden, dass eine Planwirtschaft noch kein Sozialismus ist. Eine Planwirtschaft als solche kann mit der totalen Versklavung des Individuums einhergehen. Sozialismus erfordert die Lösung einiger äußerst schwieriger soziopolitischer Probleme: Wie ist es angesichts weitreichender Zentralisierung politischer und ökonomischer Kräfte möglich, eine Bürokratie daran zu hindern, allmächtig und maßlos zu werden? Wie können die Rechte des Einzelnen geschützt und dadurch ein demokratisches Gegengewicht zur Bürokratie gesichert werden?

In unserem Zeitalter des Wandels ist Klarheit über die Ziele und Probleme des Sozialismus von größter Bedeutung. Da unter den gegenwärtigen Umständen die offene und ungehinderte Diskussion dieser Probleme einem allgegenwärtigen Tabu unterliegt, halte ich die Gründung dieser Zeitschrift für ausgesprochen wichtig.

* Aus: "Monthly Review" (1949). Den Namen der/des Übersetzerin/Übersetzers konnten wir nicht ausfindig machen. Den hier wiedergegebenen deutschen Text haben wir der Wochenzeitung "unsere zeit" (uz) entnommen (Ausgabe vom 22. April 2005).


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