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Im Tigerkäfig der CIA

Der US-Geheimdienst ließ in Vietnam Zehntausende foltern und ermorden. Von der BRD gab es keinen Einwand. Auch heute widmet man sich lieber der Stasi

Von Gerhard Feldbauer *

In der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin wird am Dienstag abend die Ausstellung »Im Tigerkäfig der Stasi« eröffnet. Rainer Eppelmann, Vorsitzender der »Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur«, und der Maler Gino Kuhn unterhalten sich zum Auftakt über »Haftbedingungegen in der DDR und Mauerbau«, Stephan Krawczyk umrahmt den Schreckensabend musikalisch. Wie groß muß die Furcht sein, daß in den Köpfen vieler Menschen aus der DDR Gutes über den sozialistischen deutschen Staat weiter existiert, daß seine Gegner dagegen mit Methoden aus dem Lügenlabor eines Josef Goebbels wieder und wieder die »Stasikeule« schwingen. Und das von Ideologen einer Bundesrepublik, die unter dem Namensgeber der veranstaltenden Stiftung im nie trockengelegten braunen Sumpf geboren wurde. Konrad Adenauer feierte schon als Kölner Oberbürgermeister 1929 nach dem Abschluß der Lateranverträge, welche die faschistische Diktatur Mussolinis zur »von Gott gewollten Ordnung« erhoben, den italienischen »Duce«, der Hitler und deutschen Industriellen zum Vorbild diente, als Mann, der »in goldenen Buchstaben in die Geschichte der katholischen Kirche eingetragen« wird. Dieser Spalter Deutschlands nahm nicht nur den Kommentator der Nürnberger Rassengesetze Josef Maria Globke als Staatssekretär in seine Dienste. Noch 1957 waren in seiner Regierung 18 Minister, die Mitglieder der NSDAP oder der SA waren. 1963 wurde »Wirtschaftswunder«-Kanzler Ludwig Erhard sein Nachfolger, der unter Hitler »wirtschaftswissenschaftlicher Berater« der »Reichsgruppe Industrie und der IG Farben« war. Ihm folgte 1966 bis 1969 Kurt Georg Kiesinger, Mitglied der NSDAP seit 1933, und stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung im Auswärtigen Amt Rippentrops.

Den heutigen Auslandsgeheimdienst BND ließ Adenauer von dem Nazi-General Gehlen aufbauen, in der Bundeswehr wurden 104 frühere hohe Offiziere Hitlers Generäle und Admiräle, 8250 weitere führende Faschisten erhielten einflußreiche Positionen in der Bundeswehr, der Polizei, der Justiz, der Verwaltung und im diplomatischen Dienst.

Schweigen aus Bonn

Wenn während des verbrecherischen Kriegs der USA in Vietnam gefoltert und gemordet wurde, gab es nie auch nur den geringsten Einwand. Auch nicht, als durch Enthüllungen des US-Magazins Newsweek 1972 bekannt wurde, daß dort im Rahmen des »Phönix«-Programms der CIA Zehntausende unschuldige Vietnamesen gefoltert und ermordet wurden. Das Journal bezog sich auf Aussagen des Verantwortlichen des Mordprogramms, den damaligen US-Botschafter in Saigon, William Colby, später Direktor der CIA, der bei einer Befragung vor dem Kongreß zugeben mußte: durch das »Phönix«-Programm wurden 20941 Personen getötet, die nicht »als schuldig oder unschuldig zu identifizieren« waren.

Der im »Phönix-Programm« eingesetzte CIA-Mitarbeiter Barton Osborne, der den Geheimdienst verließ, schilderte Foltermethoden: Häftlingen »wurde ein Holzpflock von fünfzehn Zentimeter Länge in den Gehörgang getrieben. Auf dessen Ende wurde dann gehämmert, bis er ins Hirn eindrang«. Er habe bei allen Vernehmungen niemanden gesehen, »der da lebend herauskam«. In Südvietnam gab es über ein Dutzend KZ und Zuchthäuser sowie Hunderte von Lagern und Gefängnissen der örtlichen US-Kommandanturen und der Marionettenverwaltungen, in denen nach einem Bericht von »Amnesty International« 1972 zwischen 200000 und 300000 politische Gefangene schmachteten, die alle solchen Folterungen ausgesetzt waren

Die berüchtigtste Folterhölle war das KZ auf der Insel Con Son, wo 10000 Menschen eingekerkert waren. Dort gab es bereits die berüchtigten Tigerkäfige, die später – kaum verändert – auf Guantánamo installiert wurden. Zu den sadistischsten Methoden gehörten Folterungen und Vergewaltigungen der weiblichen Häftlinge. Männer und Kinder wurden gezwungen, dabei zuzusehen. Frauen wurden Coca-Cola-Flaschen in die Vagina gestoßen. Der westdeutsche Arzt Erich Wulff, der sechs Jahre in Südvietnam arbeitete, schrieb unter dem Pseudonym George W. Alsheimer in seinem Buch »Vietnamesische Lehrjahre« (Frankfurt/Main 1968/1972), »daß Folterungen von Verdächtigen – und verdächtigt werden konnte jeder Vietnamese, der nicht selber im Dienste des Terrorapparates der USA stand – keine Ausnahme, sondern die Regel waren.«

Osborne schilderte sogenannte »Luftvernehmungen«, bei denen in einem Hubschrauber ein »Vietcongverdächtiger«, der vernommen werde sollte, und ein »Individuum«, das »als eliminierbar eingestuft war« transportiert wurden. In 500 Fuß Höhe wurde mit dem zu Eliminierenden vor der offenen Tür des Helikopters nochmals eine Scheinvernehmung durchgeführt, um den anderen einzuschüchtern. »Unter Anbrüllen und Warnungen, sie würden ihn rausschmeißen, wenn er nicht rede, gaben sie ihm dann einen Stoß, und er fiel über Bord.« Dann sei das zweite »Individuum« meist bereit gewesen, alles zu sagen, was verlangt wurde.

Osborne trat in Westdeutschland in den 1970er Jahren mit Vertretern der Antikriegsbewegung der USA, darunter dem Verteidiger von US-Deserteuren und Black Panthern, Stanley Faulk¬ner, in Vietnam-Hearings auf, über die in der Frankfurter Rundschau, den Nürnberger Nachrichten und selbst dem Handelsblatt berichtet wurde.

Von den USA lernen

Den US-Krieg nutzte die Bundeswehr laut Welt vom 23. Mai 1964 zu »lernen, wie heute Kriege geführt werden«. Die Zeitschrift Wehr und Wirtschaft sprach in ihrer Nr. 8/9-1965 vom »Probefall Vietnam«, der zu »waffentechnischen Überlegungen« anrege und Erfahrungen, beispielsweise darüber, wie »taktischer Luftkrieg am besten« geführt wird, vermittelt. Laut Spiegel (4/1966) sprach sich der frühere SA-Mann Gerhard Schröder (CDU) als Verteidigungsminister »für eine Entsendung deutscher Soldaten auf den fernöstlichen Kriegsschauplatz« aus. Der Hessische Rundfunk meldete am 22. Februar, die Bundesrepublik wolle zwei Divisionen nach Vietnam schicken. Die Neue Ruhr-Zeitung berichtete am 26. November 1966, daß der stellvertretende Vietnam-Oberbefehlshaber Generals Heintges vom Einsatz von »zwei Infanterie-Divisionen und einer Panzergrenadier-Division« der Bundesrepublik gesprochen habe. Heintges hatte mit Theodor Blank, dem ersten Verteidigungsminister der BRD, und Hitler-General Heusinger die Bundeswehr aufgebaut.

Daß es nicht zum Einsatz regulärer Bundeswehr-Einheiten kam, war auf die zunehmende westdeutsche Solidaritätsbewegung mit Vietnam und die Proteste auch auf internationaler Ebene gegen den US-Krieg zurückzuführen, deren weiteres Anwachsen man in Bonn befürchtete. In verschiedenen verdeckten Formen beteiligte sich die Bundesregierung dennoch personell am US-Krieg bzw. ließ solches völkerrechtswidriges Engagement zu. Der Informationsdienst RF-World News bestätigte am 8. Februar 1966, daß sich zu diesem Zeitpunkt rund 2500 westdeutsche Techniker in Südvietnam befanden. Darunter waren 121 Angehörige der Bundesluftwaffe, die auch Bombenangriffe gegen Nordvietnam flogen.

Die Bundesrepublik unterstützte ohne jeden Vorbehalt den US-Luftterror gegen Nordvietnam, der im August 1964 nach einer von der CIA ausgearbeiteten Konzeption begann. Der am Bau von KZ Hitlers beteiligte Bundespräsident Heinrich Lübke begrüßte die ersten Terrorangriffe auf Hanoi am 29. Juni 1966 und wünschte, sie sollten »von Erfolg gekrönt sein«. Die Westberliner BZ schrieb am 18. Juli, notwendig sei »ein kompromißloser Krieg, der auch vor Fabriken, Häfen, Bewässerungsanlagen und Staudämmen nicht mehr halt macht«. Kanzler Kiesinger versicherte Washington in seiner Regierungserklärung am 13. Dezember 1966, die Bundesrepublik werde »entschiedener als bisher Mitverantwortung in Vietnam übernehmen«.

Von der Unterstützung und Teilnahme am Krieg gegen Vietnam zieht sich die Kette bis zur logistischen Hilfe für den US-Überfall auf Irak und zur Teilnahme am Krieg in Afghanistan, in dem Bundeswehroberst Klein mit eigenen Kriegsverbrechen aufwartete. Die US-amerikanischen Folterknechte, die in den bereits aus Vietnam bekannten Tigerkäfigen im irakischen Abu Ghraib ihrem sadistischen Handwerk nachgingen, waren, wie aus einem Bericht des ARD-Magazins »Report Mainz« hervorging, auf der US-Luftwaffenbasis in Wiesbaden-Erbenheim stationiert.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 14. August 2012


Kriegshilfe aus der BRD

Die Bundesrepublik war als Bündnispartner vielfältig am US-Krieg in Vietnam beteiligt

Von Gerhard Feldbauer **


Die Bundesrepublik war als Bündnispartner vielfältig am US-Krieg in Vietnam beteiligt. Unter der Kanzlerschaft von Adenauer und Erhard zahlte sie in Form von Waffenkäufen bereits zwischen 1961 und 1965 10,8 Milliarden DM an Washington. Durch Proteste gegen den Sponsor der jetzigen Olympischen Spielen in London, den US-amerikanischen Chemiekonzern Dow Chemical, wurde bekannt: Partner des Unternehmens, das den in Südvietnam eingesetzten chemischen Kampfstoff Agent Orange produzierte, war der IG-Farben-Nachfolgekonzern BASF. Mit fünf Filialen waren die Farbwerke Hoechst und mit drei die Bayer AG Leverkusen in den USA vertreten und über sie an Aufträgen für die amerikanischen Truppen in Vietnam beteiligt. Den Giftstoffen waren 17 Millionen Vietnamesen ausgesetzt, von denen drei bis vier Millionen schwere gesundheitliche Schäden davontrugen. Unzählige von ihnen starben an Leukämie, Lungentumoren und Leberkrebs.

Die Pariser France Nouvelle berichtete am 6. Juli 1965, daß die Bayer AG den USA auch mehrere Patente für die Herstellung chemischer Kampfstoffe verkauft und über ihre US-Filiale Chamagro Corporation in Kansas City auch direkt Giftstoffe lieferte, die in Vietnam angewendet wurden. Die Londoner Eastern World berichtete im Juli/August 1966, die Amerikaner hätten reges Interesse an den neuen, äußerst wirksamen Kampfgasen bekundet, die in westdeutschen Laboratorien auf der Grundlage der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges von der IG-Farbenindustrie hergestellten Gase entwickelt werden.« Die Zeitung schrieb, die Hoechst AG habe zugesagt, den USA »die notwendigen Unterlagen und Angaben für die Herstellung tödlicher Gase vom Typ Zyklon B zu überlassen, das die Nazis im vergangenen Krieg in großem Maße in ihren Todeslagern verwendeten und mit dessen Anwendung für nicht weniger grausame Zwecke die Amerikaner in Südvietnam bereits begonnen haben.« Laut Eastern World arbeiteten westdeutsche Chemiker und Bakteriologen, darunter von den Farbwerken Hoechst, in Südvietnam in einer Sondereinheit der US-Armee, die ein mobiles Forschungsinstitut für bakteriologische und chemische Kriegsführung betrieb, das am »lebenden Objekt« neue Kampfstoffe testete.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 14. August 2012


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