Bündnis mit Faschisten bei Kommunalwahlen
Ungarn: Regierungspartei KDNP kooperiert mit Jobbik. Fidesz-Minister leugnet Völkermord an Roma
Von Ben Mendelson *
Gut einen Monat vor den Kommunalwahlen am 12. Oktober erleben die rund 10000 Einwohner der südungarischen Stadt Szigetvár eine neue Parteienkonstellation: Die christdemokratische Partei KDNP, seit 2010 Juniorpartner von Fidesz, unterstützt dort den »freien« Kandidaten Simon János – hinter dem auch die faschistische Jobbik steht. »Es ist das erste Mal«, schreibt die Internetzeitung Pester Lloyd, daß eine der Regierungsparteien »direkt mit Jobbik bei Wahlen kooperiert«. Die »Selbstbedienungspraktiken« des lokalen Fidesz-Funktionärs, der wieder zur Wahl antritt, ginge der KDNP zu weit, hieß es. Laut linken Kritikern konnten sich die Koalitionspartner in Szigetvár aber nur nicht bei der »feudalen Aufteilung lokaler Güter« einigen – weshalb KDNP die »Koalition der Plünderer« aufkündigte, so Pester Lloyd.
Unterdessen wird einem weiteren Mitglied der rechtsnationalen ungarischen Regierung »partielle Holocaustleugnung« vorgeworfen, wie schon vor wenigen Monaten dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán von der Fidesz-Partei. Der Minister für Humanressourcen, Zoltán Balog, ebenfalls von Fidesz, leugnete jüngst, daß aus Ungarn Roma in Nazi-Vernichtungslager deportiert wurden – ausgerechnet im offiziellen Holocaust-Gedenkjahr.
Am 2. August 1944 ermordeten die Nationalsozialisten im KZ Auschwitz-Birkenau fast 3000 Roma, viele von ihnen kamen aus Ungarn. Deshalb ist der Tag in Ungarn dem Gedenken an »Porajmos« gewidmet, den Völkermord an den Roma in der Zeit des Faschismus. Das hinderte Zoltán Balog vor dem Gedenktag nicht, im staatlichen Radio zu behaupten, es habe keine Deportationen aus Ungarn gegeben. Ein Roma-Pressezentrum zitierte daraufhin aus Berichten von Überlebenden, die die Internierung und die Deportationen aus Ungarn in die KZ dokumentieren. Die Opposition forderte den Rücktritt von Balog, der als Minister für Humanressourcen auch für »Roma-Integration« zuständig sein soll.
Es gebe noch heute große Probleme im Zusammenleben zwischen Roma und »Magyaren«, erklärte Balog, die Lösung dafür sei kulturelle Annäherung. Dabei ist Antiziganismus ein weit verbreitetes Problem in Ungarn. Fünf Jahre zuvor, einen Tag nach dem Porajmos-Gedenktag 2009, verübten Rechtsradikale den letzten Anschlag einer von behördlichen Ermittlungspannen begleiteten Mordserie. Zwischen November 2008 und August 2009 ermordeten sie sechs Roma und verletzten 55 zum Teil schwer.
Die Geschichte habe gezeigt, »daß nur die Nationen überleben, die sich biologisch selbst erhalten können«, erklärte Orbán laut Pester Lloyd Ende August bei einem Treffen mit den Botschaftern des Landes. Er habe sich deshalb auf EU-Ebene dafür eingesetzt, Einwanderung zu stoppen. Zugleich sagte Orbán, »Europas zehn Millionen Roma könnten die ungelernten Tätigkeiten ausüben, die heute überwiegend von Einwanderern erledigt werden«. Unter seiner Führung wurde ebendies per Gesetz festgelegt: So sollen größtenteils Roma zur Arbeit verpflichtet werden können – und kaum die Hälfte des gesetzlichen Mindestlohns bekommen.
Nun versucht Orbán, seinen Einfluß auf die Geschichts- und Gedenkpolitik enorm auszubauen: Zunächst gründete seine Regierung das »Veritas«-Forschungsinstitut, dessen Chef ein mit Jobbik verbundener Militärhistoriker ist. Hinzu kommt nun ein offizielles Gedenk- und Feieramt, das elf Gedenktage von »nationaler Wichtigkeit« einführen möchte, wie die Schlacht um Belgrad 1456 – nicht aber Porajmos.
Schon vor seiner Wiederwahl im April hatte Orbán versprochen, mit den jüdischen Verbänden in Dialog über das offizielle Holocaust-Gedenkjahr zu treten. Anfang September war es nun sein Amtschef János Lázár, der einen Brief an den größten jüdischen Verband Mazsihisz schrieb. Viele werfen der Regierung ein »doppeltes Spiel« vor: Einerseits pflege sie Alibi-Beziehungen zu den jüdischen Organisationen, andererseits halte sie an revisionistischen Weltkriegsdarstellungen fest. Die Verbände erklärten längst ihren Boykott des Gedenkjahrs.
* Aus: junge Welt, Samstag 6. September 2014
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