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Waffenruhe wird zur Fiktion

Aufständische beschießen Flughafen, ukrainische Truppen Donezk und Umgebung

Von Reinhard Lauterbach *

Neun Tage nach ihrer Vereinbarung ist die Waffenruhe im Donbass fiktiver denn je. Die Aufständischen meldeten am Sonntag, sie hätten einen Sturmangriff auf den von Regierungstruppen gehaltenen Flughafen von Donezk gestartet. Das Gelände werde mit Artillerie und Raketenwerfern beschossen. Die Offensive sei die Vergeltung für ständige ukrainische Artillerieangriffe auf die Wohnviertel von Donezk und seiner Vororte. Im Frontvorsprung von Debalzewo hätten Einheiten der »Volksrepublik Donezk« ukrainische Angriffstruppen eingeschlossen.

Kiew hatte schon in der letzten Woche eingeräumt, daß seine Truppen die Waffenruhe nutzten, um sich umzugruppieren und ihre Vorräte aufzufüllen. Gleichzeitig war es den Regierungstruppen offenbar im stillen gelungen, die Belagerung von Mariupol aufzubrechen. Berichte vom Wochenende deuten darauf hin, daß die Aufständischen sich im Süden der Front darauf konzentrieren, das gut 100 Kilometer tiefe Gebiet zwischen Donezk und Mariupol unter Kontrolle zu bekommen. Dort ist die Ortschaft Wolnowacha nach wie vor umkämpft, obwohl die Aufständischen ihre Übernahme schon mehrfach als »unmittelbar bevorstehend« gemeldet hatten. Auf ukrainischer Seite ist die Kampfmoral der Truppen offenbar nach wie vor gering. Südlich von Donezk hat nach Berichten ukrainischer Medien fast das gesamte Bataillon »Tscherkassy« einen Angriffsbefehl verweigert. Die Soldaten hätten gefordert, ihnen entweder die Waffen zuzuteilen, mit denen sie ihre Aufgaben erfüllen könnten – insbesondere Panzer und Artillerie – , oder ihnen nur solche Aufgaben zu stellen, die sie mit ihren Handfeuerwaffen erfüllen könnten.

Inzwischen ist ein zweiter russischer Hilfskonvoi in Lugansk eingetroffen. Rund 200 Fahrzeuge brachten nach russischen Angaben Lebensmittel und Stromgeneratoren.

In Kiew erklärte der ukrainische Verteidigungsminister Walerij Heletej, die Übergabe von NATO-Waffen an die ukrainische Armee sei in vollem Gang. Kiew hatte nach dem NATO-Gipfel schon mehrfach solche westlichen Waffenlieferungen angekündigt; diese waren aber von Seiten der von Kiew benannten westlichen Staaten regelmäßig dementiert worden. Waren diese Dementis womöglich gelogen? Russische Blogger veröffentlichten am Wochenende Bilder von »Leopard-2«-Panzern mit deutschen Hoheitszeichen, die angeblich auf der Stadtumgehung von Lwiw und sogar schon in Ternopil 100 Kilometer weiter östlich auf dem Marsch nach Osten beobachtet worden seien. Die Meldung geht hinaus über das, was bekannt ist: daß mehrere NATO-Staaten vom Montag an mit ukrainischen Truppen auf dem Übungsplatz Jaworiw das Manöver »Rapid Trident 2014« veranstalten, denn dieses Gelände liegt gleich hinter der polnisch-ukrainischen Grenze. Die Bilder der russischen Blogger lassen sich nicht örtlich zuordnen, etwa durch Autokennzeichen oder Wegweiser, so daß die Behauptung nicht zu überprüfen ist.

* Aus: junge Welt, Montag 15. September 2014

Das Buch zum Thema:

"Ein Spiel mit dem Feuer"
Im Papyrossa-Verlag ist Ende August 2014 ein Ukraine-Buch erschienen
Mit Beiträgen von Erhard Crome, Daniela Dahn, Kai Ehlers, Willi Gerns, Ulli Gellermann, Lühr Henken, Arno Klönne, Jörg Kronauer, Reinhard Lauterbach, Norman Paech, Ulrich Schneider, Eckart Spoo, Peter Strutynski, Jürgen Wagner, Susann Witt-Stahl
Informationen zum Buch (Inhalt und Einführung)




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