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Abschied vom Krieg gegen Terror

Neue US-Sicherheitsstrategie vorgestellt

US-Außenministerin Hillary Clinton hat die neue Sicherheitsstrategie ihrer Regierung vorgestellt, mit der sich Washington von der Wortwahl »Krieg gegen den Terror« verabschiedet und den Fokus stärker auf die Bedrohung durch einheimische Extremisten legt.

»Wir müssen unsere Macht auf andere Weise einsetzen«, sagte Clinton im Brookings Institut. »Die USA gehen über von der zumeist direkten Machtausübung zu einer etwas differenzierteren Form und einer schwierigen Mischung aus indirekter Machtausübung und Einflussnahme.« Als Facetten der Macht ihres Landes nannte die Ministerin unter anderem Verteidigung und Diplomatie, aber auch die Wirtschaftsmacht oder die »Macht unseres Vorbildes«.

Ausdrücklich grenzt sich die neue Sicherheitsstrategie des US-Präsidenten Barack Obama ab von der Terminologie seines Vorgängers George W. Bush, die dieser nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geprägt hatte. Die neue Strategie beinhaltet »keinen weltweiten Krieg gegen eine Taktik« wie den Terrorismus und auch keinen Krieg gegen eine Religion wie den Islam. Indes konstatiert die US-Regierung, das Land befinde sich in einem »Krieg mit einem spezifischen Netzwerk, Al Qaida, und allen ihren terroristischen Partnern, die Bemühungen unterstützen, die USA, unsere Verbündeten und Partner anzugreifen«.

Obamas Strategie erkennt nach Angaben seines stellvertretenden Sicherheitsberater für Terrorismus, John Brennan, »ausdrücklich die Gefahr für die USA durch Menschen an, die sich hier im Land radikalisiert haben«. Es gebe eine »wachsende Zahl« von Bürgern, die sich im Ausland terroristisch ausbilden ließen und mit »tödlichen Plänen« in die USA zurückkehrten, sagte Brennan bei einer Veranstaltung im Center for Strategic and International Studies.

Unterdessen bewilligte der US-Senat zusätzliche Milliardenmittel für den Einsatz der Armee in Afghanistan und andere Vorhaben. Für die Zusatzmittel im Umfang von 60 Milliarden Dollar stimmten am Donnerstag (Ortszeit) in Washington 67 Senatoren, dagegen 28. Mit 33,4 Milliarden Dollar soll der Großteil der Summe an das Verteidigungsministerium gehen. Davon sind 24,6 Milliarden Dollar für Instandhaltung und Einsätze vorgesehen und 4,9 Milliarden Dollar für den Erwerb neuen Materials. Für den Wiederaufbau Afghanistans und den Aufbau der dortigen Sicherheitsapparate sind 1,48 Milliarden Dollar eingeplant.

Pakistan, wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen islamistische Aufständische in der Region, soll den Senatsplänen zufolge 349 Millionen Dollar als wirtschaftliche und militärische Hilfen bekommen. 650 Millionen Euro sind für die Polizeiausbildung in Irak vorgesehen.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Mai 2010


Worthülsen

Von Olaf Standke *

Nach und nach landet das Erbe der Bush-Ära auf dem Müllhaufen der Geschichte, zumindest verbal. Nun müssen u.a. die Worthülse vom »Krieg gegen den Terror« und das Konzept präventiver Militärschläge daran glauben. Bushs Nachfolger hat jetzt erstmals seine Sicherheitsstrategie präsentiert. Präsident Obama will eine neue »internationale Ordnung«, die auf Diplomatie und der Unterstützung von Verbündeten basiert. Statt auf Alleingänge setzt der neue Mann im Weißen Haus auf Allianzen. Und wenn notwendig, will Obama auch neue Koalitionen schmieden, etwa mit Indien und Pakistan im Kampf gegen den islamischen Extremismus. Die »Lasten des Jahrhunderts« sollen nicht mehr allein auf den Schultern US-amerikanischer Soldaten ruhen.

Washingtons Kriegskassen lassen sich in Zeiten hoher Schuldenberge und tief gehender Wirtschaftskrisen in der Tat immer schwerer füllen; die politischen Spielräume sind enger geworden für die letzte Supermacht. Damit aber keine Illusionen entstehen, hat Außenministerin Clinton auch schon deutlich gemacht, dass die USA ihren Platz an der Sonne keineswegs aufgeben wollen. Man werde an seiner Waffenüberlegenheit festhalten, aber zu »etwas differenzierteren Formen« der Machtausübung übergehen. Und natürlich wird der Kampf gegen Al Qaida und seine terroristischen Partner fortgesetzt, nicht zuletzt an der Heimatfront. Nach drastischen Truppenaufstockungen ist auch Afghanistan längst zu Obamas Krieg geworden, ohne dass das Land seiner Befriedung näher gekommen wäre. Und das Gefangenenlager Guantanamo existiert noch immer. Wandel braucht mehr als neue Worte.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Mai 2010 (Kommentar)


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