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Guantánamo – Hort des Unrechts

USA: Schließung des Militärgefängnisses gefordert. Weiter mindestens 86 Unschuldige in Haft

Von Jürgen Heiser *

Unter dem Eindruck des seit über 100 Tagen andauernden Hungerstreiks von 103 Gefangenen im US-Militärgefängnis Guantánamo Bay haben die öffentlichen Proteste in den USA zugenommen. Wie in Washington D.C. forderten Ende der vergangenen Woche auch auf dem New Yorker Times Square in orangefarbene Häftlingsoveralls gekleidete Demonstranten: »Obama: Gitmo schließen!«. Wie in Washington kam es auch hier zu vorübergehenden Festnahmen durch die Polizei. An mehreren Orten haben Geistliche und Menschenrechtler öffentliche Solidaritätshungerstreiks begonnen, so die Code-Pink-Mitbegründerin Diane Wilson in Washington und Pastor Timothy Murphy im kalifornischen Claremont.

Am Tag nach den Protesten äußerte sich der ehemalige Chefankläger der Militärprozesse in Guantánamo, Oberst Morris Davis, der über 200000 Unterschriften unter eine Change.org-Petition gesammelt hat, mit der er und die Organisation »Witness Against Torture« die sofortige Schließung des Lagers fordern, gegenüber The Real News (TRNN.com). Der US-Luftwaffenoffizier betonte, die Öffentlichkeit sei sich nicht bewußt, daß von den insgesamt 779 Gefangenen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 während der Amtszeit von Ex-US-Präsident George W. Bush dort inhaftiert waren, über 600 im Laufe der Jahre wieder in ihre Herkunftsländer entlassen werden mußten, weil sich herausgestellt hatte, daß sie eben nicht »die Schlimmsten der Schlimmen« gewesen seien, wie sie Bush damals genannt hatte. Vielmehr habe nichts gegen diese Männer vorgelegen. Und auch in 86 Fällen der nun verbleibenden 166 Gefangenen in Guantánamo hätten »CIA, FBI, das Justiz- und das Verteidigungsministerium beisammengesessen und übereinstimmend festgestellt, daß sie keine Straftat begangen haben, daß sie nicht unter Anklage gestellt werden und daß sie keine unmittelbare Gefahr darstellen«, so Davis. Trotzdem würden auch diese Häftlinge, deren Fälle völlig geklärt seien, weiter festgehalten. Die Argumente der konservativen Rechten, nur Militärgerichtsverfahren in Guantánamo Bay böten Gewähr, angemessen auf den internationalen Terrorismus zu reagieren, bezeichnete Davis als »totale Lüge« und die Verfahren dort eine »Militärgerichtsfarce«. US-Bundesgerichte hätten »seit 9/11 Hunderte und Aberhunderte von Fällen ohne Zwischenfälle und auf glaubwürdige Weise verhandelt«, aber vor dem Militärgericht in Guantánamo habe man nur in sieben Fällen Urteile gesprochen, sechs davon seien durch US-Berufungsgerichte aufgehoben worden und fünf der Verurteilten seien längst wieder in ihren Herkunftsländern. Das Gefängnis sei eine »rechtliche Grauzone« und Ursache für den derzeitigen Hungerstreik. Ebenfalls auf TRNN.com erklärte der Anwalt Carlos Warner, der elf der Guantánamo-Häftlinge vertritt, Präsident Obama verfüge über die Autorität, die 86 »unschuldigen Männer innerhalb eines Monats zu entlassen« und das Lager »innerhalb eines Jahres zu schließen«.

Unterdessen hat das Weiße Haus laut einer Meldung des Christian ­Science Monitor angekündigt, Präsident Obama werde sich am Donnerstag in einer Rede vor der National Defense University in Washington D.C. zum Lager Guantánamo Bay, »zu Drohnenangriffen und weiteren Aspekten seiner Antiterrorpolitik« äußern. Bereits am 26. Januar 2009 hatte Obama einen Präsidentenerlaß unterzeichnet, wonach das Lager »innerhalb eines Jahres« geschlossen werden sollte. Mehr als vier Jahre später hat sich jedoch an der rechtlosen und menschenunwürdigen Situation der Gefangenen nichts geändert. Die Gefangenen haben allerdings nun durch ihre Streikinitiative nationale und internationale Reaktionen bewirkt, die Obama und sein Kabinett zwingen, sich dem Problem endlich zu stellen. Dazu beitragen könnte auch der Dokumentarspielfilm »Fünf Jahre Leben«, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt. Er beschreibt das Martyrium des Bremers Murat Kurnaz, der als 19jähriger von 2002 bis 2006 mit Wissen der deutschen Geheimdienste und der Bundesregierung, die seine vorzeitige Entlassung hintertrieb, unschuldig in Guantánamo eingesperrt war.

* junge Welt, Dienstag, 21. Mai 2013

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