USA: Heimatfront mit Heimatschutz
Präsident Bush möchte ein neues Ministerium haben. Konrad Ege beleuchtet die Hintergründe
Im "Freitag" befand sich am 14. Juni ein interessanter Artikel, der sich mit den Plänen von Präsident Bush befasste, in den USA ein neues Ministerium zur Inneren Sicherheit einzurichten. Wir dokumentieren auszugsweise die Analyse und verweisen auf die Rede des Präsidenten, in der er die Notwendigkeit des Ministeriums begründet.
Amerika solle ein neues "Ministerium für Heimatschutz" zum Koordinieren
der Heimatfront bekommen, sagte der Präsident neulich im Fernsehen
überraschend. Aus Sicht des Weißen Hauses zahlt sich die Initiative
schon jetzt aus. Niemand ist so richtig dagegen, aber die angelaufene
Debatte über das genaue "Wie" - soll auch die Küstenwache ins neue
Ministerium? - drängt andere peinliche Fragen in den Hintergrund.
Etwa ob im Licht der Enthüllungen geheimdienstlicher Pannen vor dem 11.
September das präsidiale Supermann-Image wirklich der Realität
entspricht. Oder ob die von Bush in Aussicht gestellten "Präventivschläge"
gegen "Terroristen" und "Besitzer von Massenvernichtungswaffen" gegen
internationales Recht verstoßen. Oder ob die US-Allianz mit den
saudi-arabischen Gottesstaatlern und dem "friedfertigen" (man of peace)
Gottesstaatler in Jerusalem wirklich Bestand haben kann. Und warum im
"befreiten" Afghanistan der Marshall-Plan gar nie angelaufen ist und
Warlords sich nun das Land aufteilen? So schützt das neue Ministerium
gegenwärtig hauptsächlich den Mann im Weißen Haus. Und den
Vizepräsidenten, den Bush doch bereits im Mai 2001 beauftragt hatte, alle
Regierungsprogramme gegen terroristische Bedrohungen der USA zu
koordinieren. Viel hat Cheney anscheinend nicht bewerkstelligt. Er war
wohl zu sehr beschäftigt mit Energiepolitik.
Bush betont gern, er habe noch immer "keine Hinweise" erhalten, dass die
Angriffe auf das World Trade Center hätten verhindert werden können.
Dabei räumt selbst FBI-Direktor Robert Müller inzwischen ein, seine Leute
hätten warnende Informationen bekommen, der Sicherheitsapparat habe
aber nicht reagiert. Der Bürger in den USA wissen nicht, was sie glauben
sollen. Die Washingtoner Wechselbäder machen ratlos. Ende Mai erklärte
Cheney, der nächste Anschlag komme bestimmt. Danach wurde
beschwichtigt, die Regierung unternehme alles Menschenmögliche. Und
immer wieder Warnungen an vermeintlich vaterlandslose Gesellen, die USA
befänden sich doch im Krieg. Also bitteschön vorsichtig sein mit Kritik.
Gelegentlich kann man die Propaganda geradezu riechen: Zum Beispiel
wenn Justizminister Ashcroft am 10. Juni verkündet, sein vielgescholtenes
FBI habe bereits am 8. Mai in Chicago einen US-amerikanischen
al-Qaida-Aktivisten festgenommen. Der Mann habe eine "schmutzige"
Atombombe bauen und die anscheinend in Washington zünden wollen.
Genaueres wird nicht verraten. Bush erklärt, ein gefährlicher Mann sei
festgenommen worden. Die üblichen rechtsstaatlichen Vorbehalte, dass
einer unschuldig ist, bevor er verurteilt wird, sind im Mülleimer gelandet. Es
mag berechtige Gründe geben, die Verhaftung einen Monat lang geheim zu
halten. Oder eben auch nicht. Vielleicht wollte Ashcroft von den
eskalierenden Vorwürfen gegen die US-Geheimdienste ablenken und die
potentiellen gegen Bush und Cheney erst gar nicht aufkommen lassen.
Der Homefront-Plan suggeriert, dass die an der Macht wissen, was sie tun.
Dass sie etwas ausrichten können gegen den Terrorismus, wenn man nur
die Mittel und Werkzeuge richtig und eben koordiniert einsetzt, wenn J.
Edgar Hoovers Jünger endlich mit den Nachfahren der Umstürzler von
Guatemala und Chile zusammenarbeiten. Das neue Ministerium bekommt
angeblich 170.000 Beamte und Angestellte. Da fragen sich konservative
Gegner des big government, wie so ein Monolith beweglich und flexibel
genug sein soll, Informationen auszuwerten und entsprechend zu
reagieren. CIA und FBI würden auch unter dem neuen Plan eigenständig
weiterarbeiten.
Am 11. September habe sich "alles" verändert, wiederholen
US-amerikanische Politiker gern. Auf jeden Fall haben die Anschläge in
den USA das Gefühl der Sicherheit erschüttert, dass Kriege woanders
stattfinden. Bushs "präventive Militärschlagpolitik" und die Entsendung von
US-Militärs in alle Ecken der Welt zielen darauf ab, Kriegsschauplätze so
weit weg wie möglich zu verlegen. In der Heimat hat die US-Regierung die
Hände voll. Ein Kriegszustand muss am Leben gehalten werden. Das neue
Ministerium soll mobilisieren.
Aus: Freitag 25, 14. Juni 2002; Der Freitag im Internet: www.freitag.de
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