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Beim Beten weggetragen

"Occupy London"-Camp von der Polizei geräumt

In der Nacht zu Dienstag (28. Feb.) räumte die Polizei das Camp der »Occupy London«-Bewegung. Die Aktivisten wollen sich davon nicht aufhalten lassen und fordern nun: »Occupy everywhere« - Besetzt alles.

Es war ein befremdliches Bild, das sich am frühen Dienstagmorgen im Herzen von London bot: An einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der britischen Hauptstadt, der St. Paul's Cathedral, liefen Hundertschaften der Polizei in voller Kampfmontur auf. Gemeinsam mit Dutzenden Gerichtsvollziehern in orangefarbenen Warnwesten beendeten sie nach mehr als vier Monaten das bunte Treiben des »Occupy London«-Camps vor dem Gotteshaus. Betende, die auf den Stufen der Kirche ihre Solidarität mit den Aktivisten demonstrierten, wurden weggetragen. Am 15. Oktober 2011 hatte die Protestbewegung ihre Zelte rund um die St. Paul's Cathedral aufgeschlagen, um gegen das Wirtschaftssystem zu demonstrieren. In der vergangenen Woche entschied das höchste britische Gericht, dass die Aktivisten mit ihren rund 100 Zelten Bau- und Wegerecht missachteten. Das Gericht ließ keine weitere Beschwerde gegen das Urteil zu. Damit war der Weg für die Räumung frei.

Jeden Tag rechneten die Aktivisten seitdem mit einem Eingreifen der Polizei. Einige hatten das Camp unterdessen freiwillig verlassen und ihre Zelte abgebaut. Auch das Küchenzelt, das die Demonstranten in den vergangenen Monaten versorgt hatte, war bereits abgebaut worden.

In der Nacht von Montag auf Dienstag war es soweit: Kurz nach Mitternacht begann die Polizei, die Zelte der Protestbewegung abzureißen. Die lokalen Behörden forderten die Aktivisten auf, das Camp binnen fünf Minuten zu verlassen. Rund zwei Dutzend Protestierende widersetzten sich der Räumung bis zuletzt friedlich.

Unterstützung erhielten sie von einer Handvoll Gläubigen, die sich zu einem solidarischen Gebet auf den Stufen vor der Kirche eingefunden hatten. Doch auch vor den Betenden machte die Londoner Polizei nicht Halt. »Ich kniete auf den Stufen der Kathedrale und betete, als ich getreten und weggetragen wurde«, erklärte Jonathan Bartley, Direktor des christlichen Thinktanks »Ekklesia«.

Die örtlichen Behörden erklärten in einer Stellungnahme, sie bedauerten, dass es zu der Räumung kommen musste. Die Entscheidung des Gerichts spreche aber für sich. Die Demonstranten wollen sich von der Räumung nicht aufhalten lassen. Dan Ashman, einer der Aktivisten von »Occupy London«, sagte, das Camp sei erst der Anfang einer viel größeren Bewegung. Aus »Occupy London« müsse »Occupy everywhere« werden. Man müsse den »Betrug verhindern, für den unsere Kinder zahlen werden«, sagte Ashman im Hinblick auf das Wirtschafts- und Finanzsystem.

* Aus: neues deutschland, 29. Februar 2012


Am Scheideweg

Von Katja Herzberg **

Die Hoffnung war groß, neben dem Camp von Occupy Frankfurt würden sich noch ein paar weitere der im Herbst weltweit reihenweise entstandenen Zeltlager der »99 Prozent« halten können. Mit der gestrigen Räumung von Occupy London ist aber eine der letzten und bestgeschützten Bastionen gefallen. Die Bewegung steht an jenem Scheideweg, den ihr viele prophezeit haben. Schaffen es die Aktivisten, ihren Protest mit Inhalt zu füllen oder gehen die Demonstrationen und Versammlungen nur als schöne Erinnerungen an den Spätsommer 2011 ein?

Je weniger die Aktivsten im öffentlichen Raum sichtbar sind, desto schlechter stehen ihre Chancen. Damit die Bewegung überlebt, braucht sie aber nicht nur Anlaufpunkte, wie die Camps sie darstellen können. Das öffentlichkeitswirksame Auftreten muss Spuren hinterlassen, sei es in Form von Texten, neuen Organisationen oder alternativen Lebensweisen. Das haben die Okkupierer vielerorts versucht. Sie bildeten Arbeitsgruppen, gaben Schriften heraus. Und fanden damit vielleicht einen Weg, wie sie auch ohne Camp die »Macht der Banken« kritisieren können. Die Beteiligung an Bündnissen wie dem, das die Proteste im Mai plant, sind dafür ein wichtiger Schritt.

** Aus: neues deutschland, 29. Februar 2012 (Kommentar)


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