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Fünf-Sterne-Opposition

Neue Dachorganisation syrischer Regierungsgegner will internationale Anerkennung

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Parallel zu der politischen Offensive der »Vereinigungskonferenz« der syrischen Opposition in der katarischen Hauptstadt Doha treiben die von den Golfstaaten, Libyen und der Türkei ausgerüsteten und von westlichen »Aufklärern« unterstützten Aufständischen ihre militärische Zerstörung Syriens voran. Ein von den Netzwerken der Aufständischen für den vergangenen Freitag ausgerufener »Marsch auf Damaskus« blieb zwar aus. Doch die Bevölkerung wurde in der vergangenen Woche von täglich bis zu drei Sprengstoffexplosionen und Autobomben in verschiedenen Vierteln der syrischen Hauptstadt terrorisiert. Die Reaktion der syrischen Streitkräfte fiel erbarmungslos aus: Angriffe von Kampfjets legten Gebäude, in denen Aufständische und Waffenlager vermutet wurden, in den Außenbezirken von Damaskus in Schutt und Asche. Hausdurchsuchungen und Verhaftungen durch die Sicherheitskräfte versetzten viele Menschen in Angst und Schrecken.

Vom schwierigen Alltag in Syrien ist die »Fünf-Sterne-Opposition« im Ausland weit entfernt. In Doha folgten die Gruppen den Empfehlungen des Plans, der vom ehemaligen US-Botschafter in Syrien, Robert Ford, und von Riad Seif, Geschäftsmann aus Syrien und Oppositioneller, gemeinsam entwickelt worden war. Mit der »Nationalen Koalition für die Kräfte von Opposition und syrischer Revolution« wurde eine Dachorganisation geschaffen, die nun als »legitime Vertretung« der Syrer internationale Anerkennung erhalten soll. Vorbild für den Seif-Ford-Plan ist der Nationale Übergangsrat Libyens, sagte ein Teilnehmer des Doha-Treffens der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Vorsitzenden der »Nationalen Koalition« und des Syrischen Nationalrates – Ahmed Muas Al-Khatib und George Sabra – erhielten nach dem Ende des Treffens einen Freiflug in der Privatmaschine von Scheich Hamad bin Dschaber Al-Thani, dem Ministerpräsidenten und Außenminister von Katar. Die Reise ging nach Kairo, wo die Dachorganisation von den Außenministern der Arabischen Liga und der Europäischen Union anerkannt werden soll.

Der Golfkooperationsrat – bestehend aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien – hat das neue Gremium bereits als rechtmäßige Vertretung Syriens anerkannt. Die Außenminister der Arabischen Liga waren sich nicht einig, ernannten das Gremium aber zum »Hauptgesprächspartner« der syrischen Opposition.

Als nächstes will der Dachverband von den »Freunden Syriens« und der UN-Vollversammlung anerkannt werden. Ziel ist die Delegitimierung der syrischen Regierung, um selbst die Führung des Landes zu übernehmen. Die Arabische Liga könnte den neuen Dachverband anstelle der ausgeschlossenen Assad-Regierung aufnehmen. Botschaften weltweit und der syrische Posten bei den Vereinten Nationen sollten perspektivisch von Vertretern der Opposition übernommen werden, hieß es aus Delegiertenkreisen der Doha-Konferenz.

Der syrische Informationsminister Omran Al-Subi kritisierte die Bildung der »Nationalen Koalition« als »neue Form der ausländischen Einmischung«. Man versuche, ein »altes Produkt in neuer Verpackung zu verkaufen«. Dialog sei die einzige Option, mit der man in Syrien vorankomme. Luay Hussein von der Bewegung »Den syrischen Staat aufbauen« sagte der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, seine Bewegung weise alles zurück, das Syrien von außen aufgezwungen werden solle. »Wir lehnen die Bildung jeglicher Übergangsregierung im Ausland ab und betrachten das als direkten und realen Angriff auf die Rechte der Syrer, ihre Führung und ihr Schicksal selbst zu bestimmen«, sagte Hussein. Die Gründung eines solchen ausländischen Gremiums werde die Spaltung in der syrischen Gesellschaft vertiefen und die Basis für einen Bürgerkrieg erweitern.

Rußland und China appellierten an die neue Einheitsopposition, sich nicht vom Ausland führen zu lassen und Verhandlungen mit Damaskus aufzunehmen. Rußland erinnerte an das Genfer Abkommen als reale Chance für einen politischen Übergang.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte, Deutschland wolle »gemeinsam mit der Arabischen Liga ein Ende des Konflikts in Syrien erreichen«. Er wünsche sich, daß diese Organisation »ein strategischer Partner der Europäischen Union wird«. Das Bündnis arabischer Staaten habe in den vergangenen Jahren »immer mehr regionale Verantwortung übernommen«, lobte der Minister.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. November 2012

Karin Leukefeld

referiert auf dem 19. Friedenspolitischen Ratschlag am 1./2. Dezember 2012 in Kassel zum Thema:
Was habt ihr dem arabischen Frühling in Libyen und Syrien angetan!?
Hier geht es zum Programm des Kongresses




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