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Angriff auf Syrien

Israelische Kampfjets bombardieren Ziele bei Damaskus. Tel Aviv spricht von syrischen Waffenlieferungen an Hisbollah

Von Karin Leukefeld *

Mit schweren Raketenangriffen auf Syrien hat Israel in den vergangenen zwei Tagen die Kriegsgefahr im Mittleren Osten erhöht. Eine erste Attacke flogen israelische Kampfjets in der Nacht zum Freitag, bei einer weiteren in den frühen Morgenstunden des Sonntags waren stundenlange Explosionen nördlich von Damaskus zu hören.

Der syrische Journalist Alaa Ebrahim sagte gegenüber der BBC, Einwohner der Hauptstadt hätten ein Erdbeben vermutet, so stark seien die Erschütterungen gewesen. Möglichweise sei ein unterirdisches Waffenlager der syrischen Streitkräfte Ziel des Angriffs gewesen. In Filmaufnahmen unbekannter Herkunft, die die BBC ausstrahlte, war ein großer Feuerschein hinter dem Berg Kassion zu sehen, der Damaskus nach Norden hin abschirmt; der Nachthimmel wird auf den Aufnahmen wiederholt von Explosionen erleuchtet, eine riesige, hell angestrahlte R auchsäule läßt auf einen großen Brandherd schließen.

Unter Verweis auf offizielle Quellen berichtete die syrische Nachrichtenagentur SANA, erneut sei die militärische Forschungsanlage Dschamraja Ziel eines israelischen Angriffs geworden. Auch Wohngebiete seien getroffen worden. SANA berichtete von Todesopfern und Verletzten. Die Anlage war bereits am 30. Januar 2013 von israelischen Kampfjets bombardiert worden. Das syrische Außenministerium beschuldigte Israel zugunsten der terroristischen Gruppen und der islamistischen Nusra-Front militärisch einzugreifen. Die Attacke zeige deren militärische Zusammenarbeit. In den letzten Wochen hatten die Aufständischen im Umland von Damaskus und im syrisch-libanesischen Grenzgebiet schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Laut CNN sagte der syrische Außenstaatssekretär Faisal al-Mekdad, daß die Angriffe eine Kriegserklärung seien.

Der russische Sender Russia Today berichtete, bewaffnete Gruppen hätten während des Luftüberfalls vergeblich versucht, nach Damaskus einzudringen. Die syrischen Streitkräfte hätten den Angriff zurückgeschlagen. Der libanesische Fernsehsender Al Manar berichtete unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Geheimdienstkreise, die syrische Luftabwehr habe einen israelischen Kampfjet abgeschossen.

Westlichen Medien- und Geheimdienstquellen zufolge soll es sich sowohl Freitag als auch Sonntag nacht um Angriffe auf »Waffenkonvois für die libanesische Hisbollah« gehandelt haben. Auch die Attacke im Januar 2013 soll einem »Waffentransport an die Hisbollah« gegolten haben. Bei den Waffen habe es sich um Raketen iranischer Bauart gehandelt. In Tel Aviv hieß es, diese »modernen Waffen hätten die Spielregeln verändert«, wären sie in die Hände der Hisbollah gefallen. Offiziell gab es seitens der israelischen Armee zu keinem der Angriffe eine Erklärung.

Iran wies die Berichte zurück, wonach iranische Raketen auf dem Weg in den Libanon Ziel der israelischen Kampfjets gewesen seien. Verteidigungsminister Ahmed Wahidi warf Israel vor, die Sicherheit in der ganzen Region zu bedrohen. Das iranische Außenministerium kritisierte Israel und seine Verbündeten, »ethnische und religiöse Zwietracht unter den muslimischen Ländern zu säen«. US-Präsident Barack Obama erklärte hingegen, Israel habe das Recht, sich gegen Waffenlieferungen an die Hisbollah zur Wehr zu setzen.

Seit Beginn des Jahres hat Israel drei Mal Angriffe auf Syrien geflogen. Bisher hat Syrien militärisch nicht von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch gemacht, sondern lediglich Beschwerden beim UN-Sicherheitsrat eingereicht.

* Aus: junge Welt, Montag, 6. Mai 2013


Spiel mit dem Feuer

Von Olaf Standke **

Die Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei hatten NATO und USA damit begründet, dass man den Verbündeten schützen und eine Ausweitung der Kämpfe in Syrien durch grenzüberschreitende Attacken verhindern wolle. An welche Schutzmechanismen hat man in Washington und Brüssel eigentlich mit Blick auf Israels Vorgehen in diesem Konflikt gedacht? Zwei israelische Luftangriffe auf Syrien innerhalb von zwei Tagen haben die Gefahr einer Eskalation dramatisch erhöht. Man wolle die Lieferung gefährlicher Waffen, in diesem Fall Raketen aus Iran, an die Hisbollah in Libanon verhindern, hieß es zur Erklärung in Jerusalem. Eine überaus riskante Strategie, die nicht nur die völkerrechtliche Souveränität anderer Staaten zur Nebensache erklärt, sondern auch militärische Gegenschläge geradezu provoziert.

Damaskus sprach denn auch am Sonntag von einer »Kriegserklärung«, auf die man zu gegebener Zeit mit Vergeltung reagieren werde. Israel wiederum rüstet sich für mögliche Angriffe, verlegt Flugabwehrraketen an seine Nordgrenze, lässt Kampfjets im Tiefflug über Beirut donnern und Scheinangriffe auf Hisbollah-Hochburgen im Süden Libanons fliegen. Möglicherweise hofft man darauf, dass die syrische Armee und die sie unterstützende Hisbollah-Miliz viel zu stark im Bürgerkrieg eingebunden sind, um einen Schlagabtausch riskieren zu können. Doch das ist ein Spiel mit dem Feuer, das schnell zum Flächenbrand im Nahen Osten führen kann.

** Aus: neues deutschland, Montag, 6. Mai 2013 (Kommentar)

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