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Anhaltende Repression in Syrien

Sicherheitskräfte töten Teilnehmer einer Trauerfeier / EU will weitere Sanktionen beschließen *

Die Welle der Gewalt in Syrien hält an. Am Wochenende gingen Sicherheitskräfte an mehreren Orten gewaltsam gegen Demonstranten vor. Die EU will an diesem Montag Sanktionen gegen Präsident Baschar al-Assad persönlich beschließen.

In Syrien sind bei den seit Mitte März andauernden Unruhen und Protesten gegen das Regime nach Angaben von Menschenrechtlern mittlerweile 900 Menschen getötet worden. Sicherheitskräfte schossen am Samstag in der westlichen Stadt Homs auf einen Begräbniszug. Dabei kamen mindestens zwölf Menschen ums Leben. Dutzende weitere Trauernde wurden verletzt, berichteten syrische Aktivisten am Sonntag (22. Mai).

Es war eine Beerdigung von Oppositionsanhängern, die am Freitag bei Protesten gegen Präsident Baschar al-Assad von Sicherheitskräften getötet worden waren.

Insgesamt waren am Freitag (20. Mai) in ganz Syrien mindestens 58 Menschen getötet worden, ging aus Listen der Opposition vom Sonntag hervor. Die meisten Opfer hatte es bei Anti-Regime-Protesten in Homs sowie in der nordwestlichen Provinz Idlib gegeben. Dort formierten sich am Samstag (21. Mai) besonders mächtige Trauergemeinden, die den Särgen der »Märtyrer« folgten und Parolen gegen die Gewaltherrschaft Assads riefen. Die amtliche Nachrichtenagentur Sana sprach von 17 Opfern, unter ihnen Polizisten und Sicherheitskräfte. Sie machte wie gewöhnlich »bewaffnete Banden« für die Vorfälle verantwortlich. Die Überprüfung solcher Angaben ist praktisch unmöglich, weil das syrische Regime keine ausländischen Journalisten im Land arbeiten lässt.

Auch in Sakba bei Damaskus gingen am Samstag erneut zahlreiche Menschen auf die Straße. Nach Angaben eines Bürgerrechtlers schossen Sicherheitskräfte auf Demonstranten, nachdem diese mit Steinen geworfen hatten. Dabei seien mehrere Demonstranten verletzt worden. Nach Angaben von Rami Abdel Rahman von der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind in der Protesthochburg Daraa im Süden des Landes unterdessen zahlreiche Menschen verschwunden. Es gebe weiterhin »willkürlich« Verhaftungen.

Die syrische Führung geht seit Wochen mit Gewalt gegen Demonstranten vor und ignoriert die Forderungen der internationalen Gemeinschaft, die Protestbewegung nicht länger brutal zu unterdrücken. Nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern sind unter den seit Mitte März getöteten 900 Menschen auch rund 150 Polizisten und Soldaten. Nach Angaben der UNO wurden mehr als 8000 Menschen bisher festgenommen.

Am Sonntag (22. Mai) verhafteten Sicherheitskräfte auf dem Hauran-Plateau im Süden des Landes Dutzende mutmaßliche Regimegegner, meldeten Aktivisten in Syrien. Dort liegt auch die Stadt Daraa, eine der ersten Hochburgen der seit zwei Monaten anhaltenden Proteste. Armee und Geheimdienst hatten dort mehrfach Razzien und Durchsuchungen durchgeführt.

Die EU will an diesem Montag Sanktionen gegen Assad beschließen. Dazu gehört unter anderem ein Einreiseverbot. Die Außenminister der 27 EU-Staaten werden in Brüssel auch das in der EU befindliche Vermögen Assads einfrieren. Die gleichen Maßnahmen treffen neun weitere Führungsmitglieder des Assad-Regimes. Zwei Wochen zuvor waren bereits Sanktionen gegen 13 führende Regime-Mitglieder erlassen worden, darunter Maher Assad, ein Bruder des Präsidenten.

Auch im Atomkonflikt mit Iran will die EU ihre Sanktionen verschärfen. Fünf Menschen und etwa 100 Unternehmen sollen in die Liste von Menschen und Firmen aufgenommen werden, denen die Einreise verboten oder deren Vermögen eingefroren wird.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Mai 2011


EU belegt Damaskus mit Sanktionen

Maßnahmen auch gegen Iran und Libyen **

Die Europäische Union verstärkt den Druck auf das Regime in Syrien. Präsident Assad und neun weitere Regierungsmitglieder dürfen nicht mehr in die EU einreisen.

Die Europäische Union hat am Montag einen Sanktionskatalog beschlossen, der Strafmaßnahmen gegen Syriens Präsidenten Baschar el-Assad vorsieht. Assad und neun weitere Vertreter der Regierung in Damaskus werden mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt, wie ein EU-Diplomat in Brüssel mitteilte.

Mit den Maßnahmen gegen Assad schlägt die EU nun eine härtere Gangart gegen die Regierung in Damaskus an. Bei einer ersten Sanktionsrunde hatten die EU-Länder ein Waffenembargo beschlossen und 13 Vertreter der Regierung in Damaskus mit Strafmaßnahmen belegt. Darunter waren ein Bruder sowie Cousins von Assad, der Staatschef selbst wurde aber verschont. Die neuen Strafmaßnahmen sollen am heutigen Dienstag in Kraft treten. Syrien geht seit Wochen mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Der UNO zufolge kamen seit Mitte März mehr als 850 Menschen bei Zusammenstößen ums Leben, rund 8000 Menschen wurden festgenommen.

Assad sei zunächst die »Brücke gebaut worden, dass er selbst von Sanktionen nicht betroffen ist, wenn er zurückkehrt zu einer Politik des Dialoges und seine Repressionen gegen das eigene Volk einstellt«, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle in Brüssel. Diese Brücke habe er nicht betreten. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte die syrische Führung auf, »jetzt zu handeln«. Großbritanniens Außenminister William Hague sagte, in dem Land müsse »der Pfad der Reformen, nicht der Repressionen« eingeschlagen werden.

In Bezug auf Iran fügten die EU-Außenminister rund 100 weitere Unternehmen der Liste mit Firmen hinzu, deren Vermögen in der EU eingefroren werden. Zudem werden die Vermögen von fünf Iranern eingefroren, die Diplomaten zufolge in der iranischen Nuklear- und Raketenindustrie arbeiten. Auch sie dürfen nicht mehr in die EU einreisen. Der nun gefasste Beschluss zielt den Angaben zufolge auch auf die Europäisch-Iranische Handelsbank mit Sitz in Hamburg. Das Institut steht im Verdacht, Firmen und Institutionen zu finanzieren, die bereits auf der EU-Sanktionsliste geführt werden.

Die EU-Außenminister beschlossen zudem weitere Sanktionen gegen Libyen. Zusätzlich zu den bereits gelisteten Unternehmen und Angehörigen der Führung in Tripolis wurden Strafmaßnahmen gegen einen weiteren Vertreter aus dem Umfeld von Staatschef Muammar el-Gaddafi sowie eine libysche Fluggesellschaft beschlossen. Zudem wurde ein Waffenembargo verhängt.

** Aus: Neues Deutschland, 24. Mai 2011


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