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Uneinig über Sudan: "Als ob es auf eine exakte Volkszählung ankomme"

Leserbrief von Bundesminister a.D. Gerhart Baum und die Antwort des Autors

Im Oktober 2004 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau auf ihrer Dokumentationsseite eine ausführliche Analyse von Dr. Stefan Kroepelin (Uni Köln) über die Lage in der sudanesischen Krisenregione Darfur unter dem Titel "Spielball der Mächtigen". Dies veranlasste den FDP-Politiker Gerhart Baum zu einem bitterbösen Leserbrief, der auch abgedruckt wurde. Stefan Kroepelin schrieb daraufhin eine längere Entgegnung, die - bisher jedenfalls - nicht abgedruckt wurde.

Im Folgenden dokumentieren wir sowohl den Leserbrief von G. Baum als auch die Entgegnung von S. Kroepelin.


Leserbrief Baum:

Zu: Spielball der Mächtigen (FR-Dokumentation vom 14. Oktober)

Zum ersten Mal rechtfertigt ein Autor in einer angesehenen deutschen Zeitung die Menschenrechts- und Kriegsverbrechen in Darfur, die vor allem die sudanesische Regierung zu verantworten hat. Sie werden in allen internationalen Berichten übereinstimmend dokumentiert und von allen maßgeblichen Gremien, einschließlich des Weltsicherheitsrates, verurteilt. Der Autor nutzt seine Kenntnisse über den Sudan, um in einer geschickten Mischung von Wahrheit und Unwahrheit zu dem erwünschten Ergebnis zu kommen: eine Entlastung der sudanesischen Regierung. So bezweifelt der Autor die Anzahl der Getöteten und Vertriebenen, als ob es auf eine exakte Volkszählung ankomme, um diesen zu helfen. Alle dort tätigen Organisationen arbeiten auf der Basis verlässlicher Schätzungen, und es ist eine arrogante Anmaßung, den Hilfsorganisationen eine Manipulierung der Zahlen vorzuwerfen, weil sie auf höhere Spendengelder aus seien. Auch die Verwüstungen werden bezweifelt - angeblich niedergebrannte Dörfer sind in den Augen des Autors unter anderem verlassene Keramikbrennplätze. Alle Untersuchungen und Satellitenaufnahmen beweisen das Gegenteil. Nachdem er die Tatsachen dermaßen in Zweifel gezogen hat, demaskiert sich der Autor vollends, wenn er fragt: "Wie sollte die Regierung in Khartum nach dem Angriff der Rebellen auf dem Flughafen El Fasher reagieren?" Meine Antwort: jedenfalls nicht durch die Ermordung von Zehntausenden, nicht durch Vergewaltigungen und nicht durch Vertreibung von mehr als 1,2 Millionen. Dies geschah und geschieht auf Veranlassung und mit Hilfe der Regierung in aktiver Kooperation mit den von der Regierung bewaffneten Reitermilizen. Die Verhöhnung der Opfer, die Diskreditierung der Hilfsorganisationen und aller derjenigen, die sich jetzt um Frieden bemühen: Das könnte Wasser auf die Mühlen der Regierung sein.

Gerhart Baum, Köln, Rechtsanwalt, Bundesminister a.D., UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Sudan bis 2003

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Dr. Stefan Kröpelin antwortet Gerhart Baum

Köln, 12.11.2004

Sehr geehrter Herr Baum,

eben zurück von einem längeren Aufenthalt im Tschad kam mir erst gestern Ihr Leserbrief zu meinem Beitrag "Spielball der Mächtigen" zur Darfur-Krise vom 14.10.04 in der Frankfurter Rundschau zur Kenntnis.

In diesem unterstellen Sie mir, die Menschenrechts- und Kriegsverbrechen in Darfur zu rechtfertigen, die Opfer zu verhöhnen und die Hilfsorganisationen zu diskreditieren sowie meine Kenntnisse über den Sudan zu nutzen (!).

Ich kenne Hunderte von Sudanesen aus allen Ethnien, Bevölkerungsschichten und Landesteilen, auch aus Darfur, von denen mich fast alle, denen ich in den vergangenen Monaten begegnet bin, aufgefordert haben, Stellung zu nehmen gegen die verblüffend einseitige Darstellung des Konflikts in Medien und Politik, die zu einer erneuten pauschalen Stigmatisierung und Demütigung vieler Sudanesen geführt hat.

Nennen Sie mir bitte die von Ihnen zitierten Satellitenaufnahmen, die die 1,2 Millionen Vertriebenen, die Zehntausenden von Ermordeten und die flächenhaften Verwüstungen belegen. In unserem Berliner Forschungsprojekt wurden vor 20 Jahren die ersten Satellitenbildgestützten Karten für Darfur erstellt und ich sehe mich in der Lage, diese zu interpretieren. Oder nennen Sie - gerade als Anwalt - stichhaltige Beweise, für von der sudanesischen Regierung angeordnete systematische Vergewaltigungen. Sie können Einwände an Ihren Vorwürfen nicht einfach damit abtun, dass es auf eine exakte Volkszählung nicht ankäme. Auch die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak hat sich trotz unzähliger Behauptungen nicht bewahrheitet.

Seriöse Quellen wie Le Monde diplomatique oder Radio France International, Berichte europäischer Botschafter oder Korrespondenten, die die Region etwas ausführlicher bereist haben als die mit vorgefertigtem Feindbild eingeflogenen Helikopter-Reporter, oder auch die Verlautbarungen des europäischen Außenbeauftragten Javier Solana kommen meiner Einschätzung näher als der Ihrigen. Von den seit Längerem in Afrika tätigen Personen, egal ob Angehörige europäischer Auslandsvertretungen, Nichtregierungsorganisationen oder der Entwicklungshilfe, und selbst kirchlicher Einrichtungen, ist mir bisher niemand begegnet, der Ihren Standpunkt uneingeschränkt teilt. Kaum jemand außer der meines Wissens seit Juli nicht wiederholten Resolution des US-Kongresses folgt Ihren unhaltbaren Vergleichen mit dem Völkermord in Ruanda. Niemals - auch nicht in meinem Artikel vom 14.10. - habe ich die Existenz von Gewalttaten und Zerstörungen, Opfern und Ungerechtigkeiten geleugnet, vielmehr bemühte ich mich wie in vielen Gesprächen, die komplexen Ursachen des Konflikts den allzu einfachen Erklärungen und Lösungen von Journalisten, Politikern und selbsternannten Fachleuten entgegenzustellen, von denen die meisten vermutlich vor einem Jahr noch nicht wussten, in welchem Land sich der Darfur befindet (hierzu in der Anlage einige der leider nicht mit Ihrem Leserbrief veröffentlichten Zuschriften). Ich würde Sie gerne unter den gegebenen Bedingungen als Innenminister des Sudan sehen und dann nach ein paar Jahren nach den Fortschritten in Darfur befragen.

Es ist auch nicht fair, die jetzige Lage mit irgendwelchen europäischen oder amerikanischen Lebensstandards zu vergleichen statt mit den "normalen" Lebensbedingungen in "Friedenszeiten", die bis jüngst so gut wie niemanden in der Welt interessiert haben. Seit Jahren bemühe ich mich mit meinen begrenzten Möglichkeiten als Wissenschaftler vergeblich um eine Wiederaufnahme der deutschen finanziellen und technischen Zusammenarbeit mit dem Sudan, um den Menschen auf dem Lande zu helfen und das reiche natürliche und kulturelle Erbe des Landes zu schützen.

Sie haben mit Ihrer voreingenommenen, undifferenzierten Schwarzweiß-Malerei maßgeblich zu einem Klima beigetragen, in dem Redakteure deutscher Zeitschriften nicht mehr wagen, andere Standpunkte zu veröffentlichen, in dem hervorragende Landeskenner wie ehemalige Botschafter strafversetzt, in der Informationen von Fachleuten vor Ort nur noch hinter vorgehaltener Hand weitergegeben werden und in der man nicht mehr seine Quellen preisgeben will, um sie nicht irgendwelchen Sanktionen auszusetzen. Ich halte das in einer demokratischen pluralistischen Gesellschaft für sehr bedenklich, Sie als Liberaler nicht?

In N'Djaména antworteten mir gerade aus den Flüchtlingslagern im Grenzgebiet zurückgekehrte Entwicklungshelfer auf die Frage nach den dortigen Zuständen wörtlich: "Friede, Freude, Eierkuchen". Geologische Prospektoren bestätigten, dass im Grenzgebiet "alles bis zum Überlaufen voll Öl ist". Mitarbeiter der technischen Zusammenarbeit deuteten an, dass die Flüchtlingszahlen von den Hilfsorganisationen maßlos übertrieben seien. Und dass die jetzt aufgrund unrealistischer Trinkwassermindestnormen zu Hunderten gebohrten Brunnen im Umfeld der Auffanglager zum baldigen Absterben der letzten Vegetation in den Wadis führen werden. Und vieles mehr. Nur niemand wagt es noch, solche Aussagen öffentlich zu machen.

Die neuesten Nachrichten, dass nun - sicher auch auf Ihr Betreiben hin - tatsächlich erste Bundeswehreinsätze in Darfur bevorstehen, und dass die EU geradezu unglaubliche Finanzhilfen von 100-220 Mio. Euros für den Militäreinsatz in Darfur bewilligte, stellen den vorläufigen Höhepunkt einer von Manchen vielleicht gut gemeinten, aber blauäugigen und kontraproduktiven Politik dar. Diese immensen Summen werden im besten Fall verpuffen, aber kaum ein einzelnes Unrecht verhindern, im wahrscheinlicheren Fall aber zu einer Komplizierung der Lage in Darfur und später womöglich auch in den Herkunftsländern der Truppen führen. Falls man mir Gelegenheit gäbe, wäre ich gerne bereit, die vielfältigen Gründe für meine Einschätzung in den Medien darzulegen. Trotz einiger Verschiedenheiten müsste eigentlich ein Blick in den Irak genügen. Schon mit einem Bruchteil der Gelder für diesen absurden Militäreinsatz könnte man einer nachhaltigen Lösung des Konflikts und der Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung des Darfur viel näher kommen. Nur ein Beispiel: Auf allen meinen Aufenthalten in den abgelegenen Regionen des Sudan und des Tschad werde ich täglich von Kranken, die noch nie Zugang zu einem Arzt hatten, mit der Bitte um Medikamente angesprochen. Schon mit wenigen Millionen Euros könnte man mobile Ärzte finanzieren, statt mit unvergleichlich höherem Aufwand die immense Logistik für die von weither eingeflogenen afrikanischen Militärs aufzubauen. Jeder Hubschrauberflug kostet mehr als die Rettung eines Kinderlebens. Ich wünschte mir, dass Politiker wie Sie vor neutralen Gremien geradestehen müssten für eine derartige zwecklose Verschwendung von Steuermitteln.

Ich kann Ihnen versichern, dass mir die Menschen im Sudan nach den jahrelangen Aufenthalten während der letzten Jahrzehnte mindestens ebenso am Herzen liegen wie Ihnen nach Ihren Aufenthalten in Khartumer Vier-Sterne-Hotels und bestenfalls Stippvisiten in die betroffene Region. Es ist betrüblich zu sehen, wie Sie sich von einem "Freiheits-Baum", wie Sie mein Vater während meiner Jugend bezeichnete, zu einem - verzeihen Sie - in meinen Augen geradezu fanatischen Sudan-Gegner entwickelt haben, dessen Tun den leidenden Menschen meines Erachtens mehr schadet als hilft.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Stefan Kröpelin

Anlage: Auszug aus Zuschriften



Sehr geehrter Herr Dr. Kröpelin,
ich las vorgestern Ihren Artikel über den Sudan in der Frankfurter Rundschau und möchte Ihnen einfach auf diesem Wege für die differenzierte Sicht der Dinge danken, die so sehr gegen die derzeit übliche Berichterstattung geht! (Es war schon erstaunlich wie plötzlich die Sudan- Experten wie Pilze aus dem Boden schossen, die so genau zu wissen meinten, wie es dort läuft und wo die Probleme liegen...)
Ich kenne viele Sudanesen (hauptsächlich aus Nordsudan) und habe selbst ein halbes Jahr in der Nähe von Khartoum gelebt (z. T. mit Familienanschluss) und gearbeitet und war deshalb erfreut in Ihren Schilderungen meine eigenen Erfahrungen wieder zu finden!
[…]
Vielen Dank noch mal und im Voraus
Mit freundlichen Grüßen
[…]

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Sehr geehrter Herr Dr. Kröpelin,
besten Dank für Ihren engagierten, ironischen und auch wunderbar mit Polemik durchsetzen Artikel zu Darfur in der FR!
Endlich mal differenziert und nicht im gängigen s/w-Format!
Es gibt einfach zu viele "Experten". Das betrifft den gesamten arabischen und afrikanischen Raum! Man kann sich nicht mit all dem Unsinn auseinandersetzen, der da jeden Tag geschrieben und veröffentlicht wird.
Das Projekt "Aufklärung", obwohl vor Jahrhunderten geboren, ist immer noch nicht aus den Kinderschuhen!
Vor etwa 20 Jahren habe ich den Sudan bereist, den Nil hinauf, nach W und O ausschweifend. Tief beeindruckt von Menschen und Landschaften begleitet mich die Region seitdem!
Nochmals herzlichen Dank
Ihr […]

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Sehr geehrter Herr Dr. Kröpelin,
ich habe heute Ihren Beitrag in der FR zum Sudan gelesen. Sie bestätigen, was ich vermutete, aber mangels tieferer Kenntnisse des Sudan nicht genau belegen konnte.
Sie haben recht, wenn Sie davon sprechen, dass eine Gegenöffentlichkeit mit den Fakten geschaffen werden muss. Daher möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, in Frankfurt am Main als Gast in einer Veranstaltung zur Lage im Sudan teilzunehmen und dort zu berichten bzw. sich der Diskussion zu stellen? Ich denke an eine Veranstaltung auch mit Beamer, Bilder etc, um nicht nur zu reden bzw. auch visuelle Infos zu gebe. Viele Menschen wissen nicht einmal, wo der Sudan liegt, Hauptstadt etc. Sie kennen das.
[…] dachte ich bereits, ein Buch über den Sudan zu schreiben, um der "herrschenden" Meinung etwas entgegenzusetzen, da ich glaube, dass der Konflikt, wie so oft in Afrika, über CIA etc geschürt und provoziert wird, tatsächlich aber geostrategische Interessen eine Rolle spielen. […]
Mit freundlichen Grüßen
[…]

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Sehr geehrter Stefan Kröpelin,
für Ihren Artikel zur Berichterstattung über den Sudan möchte ich Ihnen herzlich danken. Nicht dass ich mich je für den Sudan im speziellen interessiert hätte oder besonderes über ihn wüsste - aber Ihr Aufsatz lässt in und zwischen den Zeilen eine Haltung des Respekts und der Hochachtung durchleuchten, die mich sehr angesprochen hat.
[…]
Mit Dank und herzlichem Gruß

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Sehr geehrter Herr Kröpelin,
ich habe Ihre Analyse zum Westsudan-Konflikt mit sehr großem Interesse gelesen. Ich möchte Ihnen nicht nur zu Ihrer umfassenden Sachkompetenz gratulieren, sondern auch zu Ihrem Mut, mit dieser nicht main-stream-konformen Meinung in die Öffentlichkeit zu gehen. Sie bestätigen mit Ihrer Analyse Punkt für Punkt meine Vermutungen über die tatsächlichen Hintergründe dieses Dramas, das, wenn auch aktuell in verschärfter Form, für viele andere in Afrika steht.
Zu ergänzen wäre meiner Meinung nach nur die auch in Sudan desaströs wirkende Rolle von IWF und Weltbank, sowie speziell die Folgen der politischen und ökonomischen Isolierung in Folge der "falschen" politischen Positionierung Sudans im Rahmen des ersten amerikanischen Irak-Krieges, wie auch die unselige Rolle vieler Auslandssudanesen aus den betroffenen Gebieten, die, wie ich im Konflikt um den Süd-Sudan beobachten konnte, tw. sicher aufgrund kultureller Entwurzelung und Entfremdung derartig einseitige Positionen einnahmen, dass man den Eindruck haben konnte, dass ihnen das tatsächliche Schicksal ihrer Stammesangehörigen relativ egal ist.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Arbeit alles Gute und verbleibe mit freundlichen Grüßen
[…]

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Sehr geehrter Herr Dr. Kröpelin,
ich las vorgestern Ihren Artikel über den Sudan in der Frankfurter Rundschau und möchte Ihnen einfach auf diesem Wege für die differenzierte Sicht der Dinge danken, die so sehr gegen die derzeit übliche Berichterstattung geht! (Es war schon erstaunlich wie plötzlich die Sudan- Experten wie Pilze aus dem Boden schossen, die so genau zu wissen meinten, wie es dort läuft und wo die Probleme liegen ...).
Ich kenne viele Sudanesen (hauptsächlich aus Nordsudan) und habe selbst ein halbes Jahr in der Nähe von Khartoum gelebt (z. T. mit Familienanschluss) und gearbeitet und war deshalb erfreut in Ihren Schilderungen meine eigenen Erfahrungen wieder zu finden!
[…]
Vielen Dank noch mal und im Voraus
Mit freundlichen Grüßen
[…]

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Lieber Herr Kroepelin,
mein Kompliment fuer Ihren fundierten Artikel, in dem die Lage im Sudan mal etwas anders betrachtet und gegen den Strich gebuerstet wird.
Ich bin zwar kein Experte wie Sie, bilde mir aber ein, mindestens so gut Bescheid zu wissen wie manche Journalisten, die mit Ihren Anmoderationen "Nord gegen Sued, Moslems gegen Christen, Hell gegen Dunkel, Braun gegen Schwarz" nur Klischees bedienen. Die absolute Wahrheit bleibt mir allerdings auch verschlossen.
Habe in den 80er Jahren zweimal den Sudan als Rucksacktourist bereist, u. a. mit dem "Bus" nach Nyala, mit Trucks und Kamelen durch den Jebel Marra […]. Nach all den Begegnungen mit den freundlichen und aufgeschlossenen Menschen mag ich auch nicht an deren Schlechtigkeit gegenueber andersfarbigen oder glaeubigen Landsleuten glauben, wobei natuerlich nie Volk mit Militaer - Regierung - Administrationen gleichzusetzen ist. […]
Bleibt abschliessend zu hoffen, dass trotz allen gegenseitigen Schuldzuweisungen den betroffenen Menschen geholfen und dass die Zahl der Opfer, die es ja nun wirklich gibt, nicht den uebertriebenen und auch meiner Meinung nach zumindest teilweise frisierten Berichten entspricht (auch wenn diese evtl. gut gemeint sind im Sinne von Menschenrechten und Katastrophenhilfe).
Mit freundlichen Grüßen,
[…]

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Sehr geehrter Herr Baum,

mir liegt Ihr Leserbrief zu dem Beitrag Kröpelin der Frankfurter Rundschau vom 14. 10. vor, verspätet, da ich die FR nicht abonniert habe. Die Diktion Ihres Briefes ist gegenüber Herrn Dr. Kröpelin ebenso unfair wie Ihre Behauptungen zur Lage im Darfur einseitig überzogen und teilweise unwahr sind. Da ich Ihre Auftritte in Bezug auf den Sudan auch aus anderen Anlässen kenne, gehe ich nicht davon aus, dass Sie an einer realistischen Beurteilung interessiert sind. Einen Mann mit ausgewiesen ausgezeichneten Kenntnissen über den Sudan und besonders über die Region Darfur eben wegen seiner Kenntnisse abzuqualifizieren ist kennzeichnend. Das ist Teil einer Kampagne, die von unsachlichen Darstellungen gekennzeichnet ist und die ausgezeichnet in die Intentionen von Regierungen passt, die die derzeitige Regierung des Sudan abschaffen möchten. Da spielen Fakten keine Rolle, es wird vielmehr das Dilemma einer Region ohne Klärung der Hintergründe einfach auf die Regierung geschoben. Herr Kröpelin hat das ausführlich dargestellt, ich möchte dem nur wenig hinzufügen, ich habe seit 1978 während dreier sudanesische Regierungssysteme im Nordsudan gearbeitet.

Numayris Regierungszeit war von starker Repression gekennzeichnet, aber immerhin war die Presse relativ frei und er hat den Krieg im Süden zunächst beendet. Mit der demokratischen Regierung zog extreme Korruption ein und der Krieg flammte wieder auf. Fortan wurde der von außen geschürt, und zwar verstärkt nach der Etablierung einer zunächst tatsächlich fundamentalistisch agierenden Regierung in Khartoum. Die USA lieferten Waffen und Ausbilder, die Warlords verwüsteten das Land und in der Hauptstadt wurde mit ferngesteuerten Raketen eine Fabrik für Malariatabletten dem Erdboden gleich gemacht. Inzwischen ist die fundamentalistische Haltung längst passe, deren Hauptverantwortlicher wurde kaltgestellt und die Regierung war außerordentlich erfolgreich Erdöl und Goldreserven nicht nur weiter erschließen zu lassen, sondern auch an den Weltmarkt per Pipeline anzubinden. Außerdem hat sie durch Straßenbau und eine endlich geordnete Stadtentwicklung in den ihr zugänglichen Gebieten gewirkt und sich den Respekt auch der Sudanesen verdient, die ihr anfangs skeptisch gegenüber standen. All das ist unserer Regierung bekannt, ich war häufig im Gespräch mit unseren Botschaftern, die, von einer Ausnahme abgesehen, alle diese Einschätzung ganz oder weitgehend teilen.

Was mich jetzt maßlos stört ist die Beobachtung, dass sich noch kaum jemand traut in Deutschland eine faire Stellungnahme öffentlich zu machen. Ich habe vor wenigen Tagen mit einer deutschen Afrikakennerin gesprochen, die gerade aus dem Grenzgebiet Tschad-Sudan zurückkam, wo sie einige Wochen unterwegs war. Sie hat in den Lagern nichts über Vergewaltigungen gehört trotz gezielter Befragungen und sie stellte fest, dass in den besuchten Lagern neben Flüchtlingen auch viele Familien sind, denen die Versorgung Anreiz genug war in Lager zu gehen. Damit ist nichts beschönigt, das Dilemma existiert. Die Frage ist jedoch die nach den Schuldigen, den Betreibern und nach dem tatsächlichen Ausmaß. Aber daran scheint in Deutschland nicht wirklich Interesse zu bestehen, unter anderem Ihre Reaktion auf Kröpelins Artikel zeigt das deutlich. Dabei hat er aus Scheu vor Reaktionen nicht auf das hingewiesen, was auch die zitierte Dame quasi hinter vorgehaltner Hand berichtet, dass nämlich im Grenzbereich auf der Tschadseite amerikanischerseits Ausbildungslager betrieben werden. Ich war immer ein Bewunderer amerikanischen Selbstverständnisses, das ist spätestens seit dem Irakkrieg vorbei. Ein Wähler der FDP war ich auch, aber die steht schließlich für Meinungsfreiheit und nicht für Einschüchterung, besonders dann nicht, wenn sie auf Un- oder Halbwissen beruht.

Mit freundlichem Gruß





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