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Harmloser Militäreinsatz in Sudan?

Friedensbewegung kritisiert Einsatzbeschluss des Bundestags

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Friedensratschlag gegen Sudan-Einsatz

Kassel-Hamburg, 15. Juni 2007 - Am Donnerstag (14. Juni) hat der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit einer Verlängerung des deutschen Militäreinsatzes im Sudan zugestimmt - vorbehaltlich einer verbindlichen Resolution der Afrikanischen Union, die noch aussteht. Hierzu erklären die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Lühr Henken und Dr. Peter Strutynski:

Der Militäreinsatz mag harmlos aussehen: Lufttransportkapazitäten der Bundeswehr sollen zur Verlegung und zur Rotation afrikanischer Truppen beitragen, die im Rahmen der AMIS-Mission der Afrikanischen Union (AU) den Friedensprozess in Darfur und zwischen Sudan und Tschad überwachen sollen. Die Wirklichkeit scheint noch harmloser: Seit März 2006 fliegen keine deutschen Transall-Maschinen und sind auch keine Bundeswehrsoldaten vor Ort. Vielmehr beschränkte sich die Bundesregierung darauf, die "Rotation" eines senegalesischen Kontingents und die Verlegung eines gambischen Kontingents lediglich zu "finanzieren".

Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Es ist nicht wahr, wenn die Bundesregierung tagein tagaus verkündet, die afrikanischen Staaten wären nicht in der Lage, die Truppen nach Darfur zu transportieren. Sie seien auf europäische Hilfe angewiesen. Die afrikanischen Staaten verfügen über ausreichend Kapazitäten (z.B. 100 Herkules C 130, die größer sind als die deutschen Transall-Maschinen) und können den Nachschub und die zu rotierenden Einsatzkräfte nach Darfur (Flughafen El Fasher im Norden) bringen. Dazu bedarf es lediglich finanzieller Unterstützung.

Im übrigen ist die Situation in Darfur längst nicht so dramatisch, wie es die Bundesregierung gern hinstellt. Kampfhandlungen gibt es so gut wie nicht. Die Konfliktparteien halten sich seit längerem an die vereinbarte Waffenruhe. Was aber besonders schlimm bleibt und internationaler Hilfe bedarf, ist die Situation der rund zwei Millionen Flüchtlinge, die in großen Lagern und Zeltstädten untergebracht sind. Lebensmittel, sauberes Trinkwasser und Medikamente sind die wichtigsten Güter, die gebraucht werden. Soldaten haben solches nicht im Marschgepäck.

Die Frage stellt sich, warum die Bundesregierung so heiß darauf ist, einen Militäreinsatz vorzuhalten, der momentan gar nicht gebraucht wird. Eine Antwort könnte sein: Deutschland will im Sudan präsent bleiben, nicht nur im Süden, sondern auch in Darfur. Wenn es richtig ist, dass der Sudan (aber auch der angrenzende Tschad) über riesige Erdölvorkommen verfügt, kann deren Ausbeutung und der kontrollierte Zugang zu ihnen nicht anderen Mächten (China, USA) überlassen werden. "Humanitäre Hilfe" wäre dann nur der Deckmantel, unter dem nationale (Energie-)Interessenpolitik betrieben wird. Die zweite Antwort: Ein militärischer Beitrag zur "Befriedung" der Darfur-Region, selbst von den großen Friedensforschungsinstituten in ihrem neuesten Friedensgutachten gutgeheißen, erhöht die Akzeptanz in der Bevölkerung für derartige Einsätze. Davon könnte mittelfristig auch der bislang mehrheitlich abgelehnte Afghanistan-Einsatz profitieren.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag weist zum wiederholten Mal darauf hin, dass Militär zur humanitären Hilfe ungeeignet ist. Caritative und humanitäre Organisationen warnen seit langem davor, dass die Vermischung von zivilen und militärischen Maßnahmen in internationalen Hilfsgebieten immer zu Lasten der humanitären Hilfe geht. Dies sollten die Bundestagsfraktionen, die so gern die Bundeswehr in alle Welt schicken, bei ihren nächsten Entscheidungen beherzigen. Für den Herbst plant die Friedensbewegung Aktionen gegen den nächsten Einsatzverlängerungsbeschluss: Dann geht es um den Afghanistan-Einsatz.

Für den Bundesausschuss Friedenratschlag: Peter Strutynski, Kassel (Sprecher) Lühr Henken, Hamburg (Sprecher)


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