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Colombo am Pranger

London fordert Sri Lanka zur Untersuchung von Kriegsverbrechen auf

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Großbritanniens Auswärtiges Amt hat am Mittwoch (15. Juni) die Regierung Sri Lankas aufgefordert, während des Bürgerkriegs begangene Verbrechen untersuchen zu lassen. Erst wenn das geschehen sei, könne der Aussöhnungsprozeß zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit Sri Lankas Früchte tragen.

Minister Alistair Burt reagierte auf einen am Vorabend im Fernsehen des »Channel 4« gezeigten Dokumentarfilm aus der Endphase des über 25 Jahre dauernden militärischen Konflikts zwischen den tamilischen Befreiungstigern (LTTE) und der Armee. Die LTTE wollte einen Separatstaat für die Tamilen, wurde aber im Mai 2009 nach zähem Widerstand militärisch geschlagen. In den letzten Kriegsmonaten, so bestätigte jetzt der Dokumentarfilm bereits Bekanntes, wurden auf beiden Seiten Kriegsverbrechen an Zivilisten verübt. Beispielsweise habe die LTTE tamilische Bürger als »Schutzschilde« gegen die Offensive der Armee mißbraucht.

In dem Film »Sri Lankas Killing Fields« soll es zuvor noch nie gezeigte grausige Episoden geben, wie Erschießungen von Gefangenen oder entkleidete Leichen weiblicher LTTE-Angehöriger, die offensichtlich vergewaltigt worden waren. Für London besteht kein Zweifel, daß es sich um neuerliche Beweise von schweren Menschenrechtsverletzungen, von Verbrechen aus der letzten Kriegsphase handelt.

Colombo beharrt auf dem Standpunkt, seine Streitkräfte hätten keine Zivilisten getötet. Die Beschuldigungen aus dem Ausland würden nur die Arbeit der Wahrheits- und Aussöhnungskommission stören. Aus dem srilankischen Verteidigungsministerium kam postwendend ein Dementi zu dem Film. Es wären »fabrizierte Videos« verwendet worden, die lediglich die Streitkräfte diskreditieren sollten. Ein hauseigener Experte äußerte, Filmmaterial sei absichtlich manipuliert worden. Hingegen halten Experten der jüngsten Untersuchungskommission von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die gesamte Dokumentation für authentisch. Für die Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse dürfte es nicht leicht sein, jetzt einfach zur Tagesordnung überzugehen.

In der vorigen Woche weilte eine hochrangige Delegation aus Indien in Sri Lanka, deren Hauptanliegen ebenfalls eine auf Gerechtigkeit basierende Aussöhnung, die Lösung des ethnischen Konflikts sowie ein intensiverer Wiederaufbau in den vom Krieg verwüsteten tamilischen Gebieten war. Indien spielt in den Auslandsbeziehungen Colombos eine Sonderrolle, weil indische Truppen in den 1980er Jahren sich auf dem Territorium Sri Lankas vergeblich bemühten, als »Friedensstreitmacht« den Bürgerkrieg zu beenden. Außerdem bestehen zwischen der Bevölkerung des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu und den srilankischen Tamilen ethnische, kulturelle und religiöse Bande. Deshalb galt es als positives Zeichen, daß am Dienstag nach fast 30 Jahren Unterbrechung erstmals wieder eine Fähre aus Tamil Nadu in Colombo eintraf. Der Schiffsverkehr soll die zwischenmenschlichen Kontakte, den Tourismus, Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern.

* Aus: junge Welt, 17. Juni 2011


Der Druck auf Sri Lanka wächst

Untersuchung von Kriegsverbrechen gefordert

Von Henri Rudolph, Delhi **


Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse befand sich beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, als seine Regierung Mitte dieser Woche vom britischen Außenministerium aufgefordert wurde, Verbrechen zu untersuchen, die im Jahre 2009 in der Endphase des Bürgerkrieges in dem Inselstaat begangen wurden.

Alistair Burt, Staatssekretär im Londoner Auswärtigen Amt, reagierte mit seiner Forderung auf einen im Fernsehkanal »Channel 4« gezeigten Dokumentarfilm über die Endphase des über 25 Jahre andauernden militärischen Konflikts zwischen den Befreiungstigern von Tamil Eelam (LTTE) und der srilankischen Armee. Erst nach einer gewissenhaften Aufarbeitung des Kriegsgeschehens, sagte Burt, könne die Aussöhnung zwischen der tamilischen Minderheit und der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit Sri Lankas Früchte tragen.

Die tamilischen Befreiungstiger hatten im Norden und Osten des Inselstaates einen Separatstaat für die Tamilen schaffen wollen. Mitte Mai 2009 jedoch zerschlug die Regierungsarmee die militärischen Strukturen der Guerilla, wobei es zu großen Opfern auf beiden Seiten kam. In den letzten Kriegsmonaten, so bestätigte jetzt der Dokumentarfilm »Sri Lanka’s Killing Fields«, wurden sowohl von der LTTE als auch von den Streitkräften Kriegsverbrechen an Zivilisten verübt. Beispielsweise habe die LTTE tamilische Bürger als »Schutzschilde« gegen die Offensive der Armee missbraucht. Regierungssoldaten andererseits hätten Zivilpersonen als »Trophäen« hingerichtet. Der Film zeigt grausige Bilder von der Erschießung Gefangener oder von entkleideten Leichen weiblicher LTTEAngehöriger, die offensichtlich vergewaltigt worden waren. Für London besteht kein Zweifel daran, dass es sich um neuerliche Beweise für schwere Menschenrechtsverletzungen handelt, die bereits in den letzten Tagen des Krieges im Mai 2009 beklagt wurden.

Colombo aber beharrt auf dem Standpunkt, die Regierungsstreitkräfte hätten keine Zivilisten getötet. Die Beschuldigungen aus dem Ausland störten nur die Arbeit der Wahrheits- und Aussöhnungskommission in Sri Lanka. Das sri-lankische Verteidigungsministerium dementierte die Aussagen des Films postwendend. Es handle sich dabei um »fabrizierte Videos«, die den einzigen Zweck hätten, die Streitkräfte zu diskreditieren. Ein hauseigener Experte äußerte, da sei Filmmaterial absichtlich manipuliert worden. In einer Regierungsstellungnahme hieß es, Berichte wie dieser Dokumentarfilm dienten »nur den Interessen separatistischer Kräfte, die außerhalb Sri Lankas leben«. Indem sie in den Wunden stochern, die das Land gerade zu heilen versuche, verfolgten sie das Ziel, Sri Lanka erneut in den Krieg zu drängen.

Mit ähnlichen Argumenten hatte die Regierung bereits den sogenannten Darusman-Report zurückgewiesen, der im April an UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon übergeben wurde. Dessen Verfasser hatten ebenfalls schwere Vorwürfe gegen beide Kriegsparteien erhoben. Sie halten auch die jüngste Fernsehdokumentation für authentisch. Für die Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse dürfte es nicht leicht sein, einfach zur Tagesordnung überzugehen und die Kritik zu ignorieren, nur weil sie aus dem Ausland kommt.

** Aus: Neues Deutschland, 18. Juni 2011


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