Auf dem Weg zur "EU"
Russland, Belarus und Kasachstan schmieden an Eurasischer Union
Von Irina Wolkowa, Moskau *
Die russische Staatsduma ratifizierte
am Dienstag den Vertrag über die
Schaffung der Eurasischen Wirtschaftskommission
(EWK), den die
Präsidenten von Russland, Belarus
und Kasachstan am vergangenen
Freitag unterzeichnet hatten.
Die EWK soll ab 1. Januar 2012 die
ökonomische Integration der drei
Staaten koordinieren. Die Leitung
der Kommission, der schrittweise
verschiedene nationale Vollmachten
übertragen werden sollen,
übernimmt zunächst der russische
Industrie- und Handelsminister
Viktor Christenko.
Über die Schaffung eines Eurasischen
Wirtschaftsraums verhandeln
die drei Staaten bereits
seit 2002. Für das russische »Tandem
« – Wladimir Putin und Dmitri
Medwedjew – gehört das Projekt zu
den Prioritäten, auch im Hinblick
auf die bevorstehenden Duma- und
Präsidentenwahlen. Bereits 2015
will man eine gemeinsame Wirtschafts-
und Finanzpolitik betreiben
und die erste Etappe auf dem
Weg zu einer Eurasischen Union
abschließen. Das soll, wie Medwedjew
bei der Unterzeichnung
mehrerer Verträge am vergangenen
Freitag sagte, keine Neuauflage
der Sowjetunion sein. Solche
Unterstellungen stammten von
»Neidern oder gar Feinden«.
Stattdessen strebe man eine ähnlich
umfassende Zusammenarbeit
wie die EU an, werde aber deren
Fehler vermeiden.
Im Juli dieses Jahres waren die
Zollschranken zwischen Russland
und den beiden Nachbarstaaten
endgültig gefallen, nachdem man
sich fünf Jahre zuvor in Sotschi
über die Bildung einer Zollunion
geeinigt hatte. Westeuropa habe
dagegen 40 Jahre für diesen Prozess
gebraucht, sagte der kasachische
Präsident Nursultan Nasarbajew.
Sein belarussischer Kollege
Alexander Lukaschenko hoffte,
dass damit »Milch-, Zucker- und
sonstige Handelskriege« ausgeschlossen
sind. Vor allem ging es
ihm freilich um Öl und Gas, um die
er bereits manchen Streit mit
Moskau führen musste.
Eine gemeinsame Währung ist
vorerst nicht in Aussicht genommen,
Weitere Mitglieder sind nach
Medwedjews Worten willkommen,
doch werde man nichts überstürzen.
Kirgistans Präsident Almasbek
Atambajew erklärte derweil in
einem »Iswestija«-Interview, er
sehe die Zukunft seines Landes in
der Eurasischen Union, wie sie
Wladimir Putin entworfen habe.
Tadshikistan und Armenien gelten
als weitere Anwärter. Eine solche
Union könnte auch eine gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik
betreiben, die aus russischer
Sicht schon deshalb wichtig wäre,
weil Moskau bei einem Abzug der
NATO und der USA aus Afghanistan
an seiner Südflanke Konflikte
befürchtet. Experten können sich
deshalb auch eine Verschmelzung
der künftigen Union mit der Organisation
des Vertrages für kollektive
Sicherheit – dem GUS-Verteidigungsbündnis
– vorstellen.
* Aus: neues deutschland, 23. November 2011
Eurasisches Integrationspaket: Medwedew trifft sich mit Lukaschenko und Nasarbajew **
Russland, Weißrussland und Kasachstan sind laut Präsident Dmitri Medwedew überaus ernsthaft auf eine Festigung der Integration im eurasischen Raum eingestellt.
Bei der Eröffnung des trilateralen Gipfels mit seinen Amtskollegen Alexander Lukaschenko und Nursultan Nasarbajew dankte Medwedew ihnen für das „konstruktive Herangehen“. „Sie haben alle dringenden und unaufschiebbaren Aufgaben beiseite gelegt und sind nach Moskau gekommen. Das bestätigt, dass Sie überaus ernsthaft eingestellt sind, die Integration im eurasischen Raum zu festigen.“
„Wir haben alle im Interesse der Bildung eines Einheitlichen Wirtschaftsraums gearbeitet“, sagte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew. „Nun gehen wir zu einem nächsten Integrationsstadium, dem Einheitlichen Wirtschaftsraum, über.“ Ein weiteres Ziel sei die Bildung einer Eurasischen Wirtschaftsunion.
Nasarbajew nahm die Gelegenheit wahr, um Medwedew und der Partei Geeintes Russland einen Sieg bei den bevorstehenden Staatsduma-Wahlen zu wünschen. „Ich hoffe, dass das russische Volk ihre stürmische und aktive Tätigkeit in den zurückliegenden Jahren gerade auf diese Weise bewerten wird“, sagte er.
Die drei Staatschefs sollen am Freitag (18. Nov.) ein Paket von Dokumenten unterzeichnen, darunter eine Erklärung über die eurasische Wirtschaftsintegration.
** Aus: Russische Nachrichtenagentur, 18. November 2011
Putin konzipiert Pläne für Eurasische Wirtschaftsunion – „Für stabilere Weltwirtschaft“ ***
Die Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan sowie der Einheitliche Wirtschaftsraum stellen laut Premier Wladimir Putin eine Grundlage für die Bildung einer Eurasischen Union als effektives Bindeglied zwischen Europa und dem Asiatisch-Pazifischen Raum dar.
„Gleichzeitig wird der Mitgliederkreis der Zollunion und des Eurasischen Wirtschaftsraums (EAWR) durch eine vollberechtigte Einbeziehung Kirgistans und Tadschikistans schrittweise erweitert“, schreibt Putin in einem am Dienstag in der „Iswestija“ veröffentlichten Artikel. „Wir setzen uns aber ein ambitionierteres Ziel: Ein nächstes und höheres Niveau der Integration in einer Eurasischen Union.“
Dies werde, so Putin, keine Neuauflage der UdSSR und auch kein Ersatz für die GUS sein.
„Wir schlagen das Modell einer starken übernationalen Vereinigung vor, die fähig ist, einen der Pole der heutigen Welt zu bilden“, so der russische Regierungschef. „Auf Basis der Zollunion und des Einheitlichen Wirtschaftsraums muss man zu einer engeren Koordinierung der Wirtschafts- und der Währungspolitik übergehen und eine vollwertige Wirtschaftsunion herstellen… Dies ist ein offenes Projekt. Wir werden es begrüßen, wenn sich neue Partner dem anschließen.“
„Das neue Integrationsprojekt für Eurasien ist die Zukunft, die schon heute entsteht“, heißt es im Beitrag.
Die Zollunion und in Zukunft auch die Eurasische Union sollen zu Teilnehmern eines Dialogs mit der EU werden. „Neben unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen wird sich jeder Teilnehmer der Eurasischen Union schneller und von stärkeren Positionen aus in Europa integrieren können. Außerdem wird ein wirtschaftlich logisches und ausbilanziertes System der Partnerschaft zwischen der Eurasischen Union und der EU in der Lage sein, reale Bedingungen für eine Änderung der geopolitischen und der geoökonomischen Konfiguration des gesamten Kontinents zu schaffen. Dies hätte zweifellos eine positive globale Wirkung.“
Die globale Krise von 2008 hatte einen strukturellen Charakter, so Putin. „Auch heute sehen wir akute Rückfälle. Die Wurzel des Problems steckt in den globalen Ungleichgewichten, die sich angehäuft haben.“
„Ein Ausweg könnte die Formulierung gemeinsamer Positionen ‚von unten’ sein“, sagte der russische Ministerpräsident. „Anfangs soll dies innerhalb der entstandenen regionalen Strukturen geschehen - EU, NAFTA, APEC, ASEAN usw. - anschließend auf dem Wege eines Dialogs zwischen ihnen. Aus eben diesen ‚Integrationsziegelsteinen’ kann ein stabilerer Charakter der Weltwirtschaft entstehen.“
In einem im November 2010 in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Gastbeitrag von Wladimir Putin hatte der Premier bereits seine Vorstellung von den zukünftigen Kooperationsstrukturen zwischen Russland und der EU dargelegt.
*** Aus: Russische Nachrichtenagentur, 4. Okober 2011
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