Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Auf dem Weg zur "EU"

Russland, Belarus und Kasachstan schmieden an Eurasischer Union

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Die russische Staatsduma ratifizierte am Dienstag den Vertrag über die Schaffung der Eurasischen Wirtschaftskommission (EWK), den die Präsidenten von Russland, Belarus und Kasachstan am vergangenen Freitag unterzeichnet hatten.

Die EWK soll ab 1. Januar 2012 die ökonomische Integration der drei Staaten koordinieren. Die Leitung der Kommission, der schrittweise verschiedene nationale Vollmachten übertragen werden sollen, übernimmt zunächst der russische Industrie- und Handelsminister Viktor Christenko.

Über die Schaffung eines Eurasischen Wirtschaftsraums verhandeln die drei Staaten bereits seit 2002. Für das russische »Tandem « – Wladimir Putin und Dmitri Medwedjew – gehört das Projekt zu den Prioritäten, auch im Hinblick auf die bevorstehenden Duma- und Präsidentenwahlen. Bereits 2015 will man eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben und die erste Etappe auf dem Weg zu einer Eurasischen Union abschließen. Das soll, wie Medwedjew bei der Unterzeichnung mehrerer Verträge am vergangenen Freitag sagte, keine Neuauflage der Sowjetunion sein. Solche Unterstellungen stammten von »Neidern oder gar Feinden«. Stattdessen strebe man eine ähnlich umfassende Zusammenarbeit wie die EU an, werde aber deren Fehler vermeiden.

Im Juli dieses Jahres waren die Zollschranken zwischen Russland und den beiden Nachbarstaaten endgültig gefallen, nachdem man sich fünf Jahre zuvor in Sotschi über die Bildung einer Zollunion geeinigt hatte. Westeuropa habe dagegen 40 Jahre für diesen Prozess gebraucht, sagte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew. Sein belarussischer Kollege Alexander Lukaschenko hoffte, dass damit »Milch-, Zucker- und sonstige Handelskriege« ausgeschlossen sind. Vor allem ging es ihm freilich um Öl und Gas, um die er bereits manchen Streit mit Moskau führen musste.

Eine gemeinsame Währung ist vorerst nicht in Aussicht genommen, Weitere Mitglieder sind nach Medwedjews Worten willkommen, doch werde man nichts überstürzen. Kirgistans Präsident Almasbek Atambajew erklärte derweil in einem »Iswestija«-Interview, er sehe die Zukunft seines Landes in der Eurasischen Union, wie sie Wladimir Putin entworfen habe. Tadshikistan und Armenien gelten als weitere Anwärter. Eine solche Union könnte auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betreiben, die aus russischer Sicht schon deshalb wichtig wäre, weil Moskau bei einem Abzug der NATO und der USA aus Afghanistan an seiner Südflanke Konflikte befürchtet. Experten können sich deshalb auch eine Verschmelzung der künftigen Union mit der Organisation des Vertrages für kollektive Sicherheit – dem GUS-Verteidigungsbündnis – vorstellen.

* Aus: neues deutschland, 23. November 2011


Eurasisches Integrationspaket: Medwedew trifft sich mit Lukaschenko und Nasarbajew **

Russland, Weißrussland und Kasachstan sind laut Präsident Dmitri Medwedew überaus ernsthaft auf eine Festigung der Integration im eurasischen Raum eingestellt.

Bei der Eröffnung des trilateralen Gipfels mit seinen Amtskollegen Alexander Lukaschenko und Nursultan Nasarbajew dankte Medwedew ihnen für das „konstruktive Herangehen“. „Sie haben alle dringenden und unaufschiebbaren Aufgaben beiseite gelegt und sind nach Moskau gekommen. Das bestätigt, dass Sie überaus ernsthaft eingestellt sind, die Integration im eurasischen Raum zu festigen.“

„Wir haben alle im Interesse der Bildung eines Einheitlichen Wirtschaftsraums gearbeitet“, sagte der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew. „Nun gehen wir zu einem nächsten Integrationsstadium, dem Einheitlichen Wirtschaftsraum, über.“ Ein weiteres Ziel sei die Bildung einer Eurasischen Wirtschaftsunion.

Nasarbajew nahm die Gelegenheit wahr, um Medwedew und der Partei Geeintes Russland einen Sieg bei den bevorstehenden Staatsduma-Wahlen zu wünschen. „Ich hoffe, dass das russische Volk ihre stürmische und aktive Tätigkeit in den zurückliegenden Jahren gerade auf diese Weise bewerten wird“, sagte er.

Die drei Staatschefs sollen am Freitag (18. Nov.) ein Paket von Dokumenten unterzeichnen, darunter eine Erklärung über die eurasische Wirtschaftsintegration.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur, 18. November 2011


Putin konzipiert Pläne für Eurasische Wirtschaftsunion – „Für stabilere Weltwirtschaft“ ***

Die Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan sowie der Einheitliche Wirtschaftsraum stellen laut Premier Wladimir Putin eine Grundlage für die Bildung einer Eurasischen Union als effektives Bindeglied zwischen Europa und dem Asiatisch-Pazifischen Raum dar.

„Gleichzeitig wird der Mitgliederkreis der Zollunion und des Eurasischen Wirtschaftsraums (EAWR) durch eine vollberechtigte Einbeziehung Kirgistans und Tadschikistans schrittweise erweitert“, schreibt Putin in einem am Dienstag in der „Iswestija“ veröffentlichten Artikel. „Wir setzen uns aber ein ambitionierteres Ziel: Ein nächstes und höheres Niveau der Integration in einer Eurasischen Union.“

Dies werde, so Putin, keine Neuauflage der UdSSR und auch kein Ersatz für die GUS sein.

„Wir schlagen das Modell einer starken übernationalen Vereinigung vor, die fähig ist, einen der Pole der heutigen Welt zu bilden“, so der russische Regierungschef. „Auf Basis der Zollunion und des Einheitlichen Wirtschaftsraums muss man zu einer engeren Koordinierung der Wirtschafts- und der Währungspolitik übergehen und eine vollwertige Wirtschaftsunion herstellen… Dies ist ein offenes Projekt. Wir werden es begrüßen, wenn sich neue Partner dem anschließen.“

„Das neue Integrationsprojekt für Eurasien ist die Zukunft, die schon heute entsteht“, heißt es im Beitrag.

Die Zollunion und in Zukunft auch die Eurasische Union sollen zu Teilnehmern eines Dialogs mit der EU werden. „Neben unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen wird sich jeder Teilnehmer der Eurasischen Union schneller und von stärkeren Positionen aus in Europa integrieren können. Außerdem wird ein wirtschaftlich logisches und ausbilanziertes System der Partnerschaft zwischen der Eurasischen Union und der EU in der Lage sein, reale Bedingungen für eine Änderung der geopolitischen und der geoökonomischen Konfiguration des gesamten Kontinents zu schaffen. Dies hätte zweifellos eine positive globale Wirkung.“

Die globale Krise von 2008 hatte einen strukturellen Charakter, so Putin. „Auch heute sehen wir akute Rückfälle. Die Wurzel des Problems steckt in den globalen Ungleichgewichten, die sich angehäuft haben.“

„Ein Ausweg könnte die Formulierung gemeinsamer Positionen ‚von unten’ sein“, sagte der russische Ministerpräsident. „Anfangs soll dies innerhalb der entstandenen regionalen Strukturen geschehen - EU, NAFTA, APEC, ASEAN usw. - anschließend auf dem Wege eines Dialogs zwischen ihnen. Aus eben diesen ‚Integrationsziegelsteinen’ kann ein stabilerer Charakter der Weltwirtschaft entstehen.“

In einem im November 2010 in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Gastbeitrag von Wladimir Putin hatte der Premier bereits seine Vorstellung von den zukünftigen Kooperationsstrukturen zwischen Russland und der EU dargelegt.

*** Aus: Russische Nachrichtenagentur, 4. Okober 2011


Zurück zur Russland-Seite

Zur Kasachstan-Seite

Zur Belarus-Seite

Zurück zur Homepage