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Sinn-Fein-Vorsitzender wegen IRA-Mordes in Haft

Irischer Unterhausabgeordneter Gerry Adams bestreitet Beteiligung an Bluttat vor 40 Jahren

Von Meike Stolp, London *

Sinn Sinn-Fein-Chef Gerry Adams wurde festgenommen. Der Abgeordnete des irischen Unterhauses und Ex- Aktivist der militanten IRA, soll in einen Mord verwickelt sein, der vor über 40 Jahren geschah.

Er hat gewusst, dass es so kommen würde. Gerry Adams, Präsident der nordirischen Sinn Fein-Partei, sagte schon Anfang des Jahres, dass man ihn wohl zum Fall McConville vernehmen werde. Der liegt 40 Jahre zurück. Und der heutige Abgeordnete Adams bestreitet, dass er damals etwas mit dem Tötungsdelikt zu tun gehabt habe. Am Mittwochabend verhörte ihn die nordirische Polizei und nahm ihn fest.

Es geht um den Mord an Jean McConville, die kurz vor Weihnachten 1972 von Mitgliedern der IRA entführt und schließlich umgebracht wurde. Die IRA ging davon aus, dass es sich bei der Frau um eine Informantin handelte. Ihre Leiche wurde erst 2003 gefunden – vier Jahre, nachdem die IRA zugegeben hatte, den Mord begangen zu haben.

Eine der ehemals aktiven IRA-Kämpferinnen, Dolours Price, hatte 2012 mitgeteilt, dass Gerry Adams den Auftrag zu mehreren Bombenanschlägen gegeben und auch die Ermordung der zehnfachen Mutter und Witwe McConville abgesegnet hatte. »Ich habe Jean McConville weggefahren«, sagte die 2013 verstorbene Hardliner-Republikanerin 2012 der Tageszeitung »Daily Telegraph«. Und: »Ich weiß nicht, wer den Befehl gegeben hat, sie umzubringen. Es muss eine Entscheidung des Hauptquartiers und der Menschen in Belfast gewesen sein. Gerry Adams muss Teil der Verhandlungen über ihr Schicksal gewesen sein.« Adams bestreitet das.

Die Geschichte des Todes von Jean McConville ist eine Geschichte, die das Drama des nordirischen Konflikts Weise veranschaulicht. Sie wurde in einer protestantischen Familie geboren, konvertierte aber zum Katholizismus, als sie ihren Mann Arthur heiratete, ein ehemaliges Mitglied der Britischen Armee. Sie lebten erst im Osten der nordirischen Hauptstadt Belfast, einer Hochburg der protestantischen Loyalisten. Schließlich zogen sie um in den Westen, in dem sich vor allem die katholischen Unionisten niedergelassen hatten – wohl auch, weil sie eingeschüchtert wurde. Arthur McConville starb 1971.

Seine Frau Jean musste sich alleine um die zehn gemeinsamen Kinder kümmern, von denen eines zum Zeitpunkt ihres Todes im Gefängnis saß – weil er in Aktivitäten der »Official IRA« verwickelt gewesen sein soll. Die »Official IRA« ist eine der beiden Fraktionen, in die sich die Irisch Republikanische Armee 1969 aufspaltete. Die andere nannte sich »Provisional IRA« und ist die Fraktion, die für den Tod Jean McConvilles verantwortlich gewesen sein soll. Ihr soll Gerry Adams als Kommandeur angehört haben.

Die Kinder des Opfers hatten 2011 gegen Gerry Adams Kandidatur bei den irischen Parlamentswahlen protestiert. Sie gaben damals an, dass sie glaubten, Adams habe eine IRA-Einheit namens »die Unbekannten« gegründet, die ihre Zielpersonen verschwinden ließ. Der irische Journalist Ed Moloney zitierte in einem Buch den IRA-Mann Brendan Hughes: »Ich habe nie eine wichtige Operation ohne das O.K. oder den Auftrag von Gerry Adams ausgeführt...es gibt nur einen Mann, der den Auftrag gab, diese Frau zu ermorden.«

Bereits im März wurde der 77-jährige Ivor Bell zum Mord an McConville vernommen und wegen Beihilfe und Anstiftung zum Mord sowie Mitgliedschaft bei der IRA angeklagt.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 2. Mai 2014


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