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Kein Geld mehr für die Loyalisten

Polizeichef in Nordirland fordert nach Ausschreitungen Stopp der Zahlungen an Gruppen im Umfeld der pro-britische UDA. Paramilitärs offenbar im Drogengeschäft aktiv

Von Florian Osuch, Belfast *

Wie soll im noch jungen nord­irischen Friedensprozeß mit pro-britischen Paramilitärs umgegangen werden? Bindet man sie ein, oder sollen sie ausgrenzt werden? Während die Irisch Republikanische Armee (IRA) ihre eigene Entwaffnung abgeschlossen hat und die britischen Armee nahezu vollständig aus dem Norden Irlands abzogen ist, halten loyalistische Gruppen an ihren Waffen fest.

In der vergangen Woche erst wurde bei heftigen Ausschreitungen in der protestantischen Hochburg Bangor auf Sicherheitskräfte geschossen. Dafür macht die nordirische Polizei PSNI die Ulster Defence Association (UDA) verantwortlich. Die UDA kämpft mit Waffengewalt gegen eine irisch-britische Aussöhnung. Ihre Killerkommandos sind für zahlreiche Morde an Aktivisten von IRA und Sinn Féin sowie irischen Zivilisten verantwortlich.

Auslöser der Krawalle in der Nacht zum Donnerstag waren ein Dutzend Antidrogenrazzien am Morgen. Bei der Polizeiaktion in Bangor rund 20 Kilometer östlich von Belfast waren auch Objekte der UDA betroffen. Als Reaktion griffen rund 200 Personen die Polizei mit Steinen und Molotowcocktails an. Mehrfach wurde auf die PSNI geschossen. Die Polizei setzte Plastikgeschosse ein und nahm mehrere Personen fest.

Politiker im Norden Irlands forderten am Wochenende einen Stopp der staatlichen Zahlungen an Organisationen, die den Paramilitärs nahestehen. So erhält beispielsweise die Ulster Political Reseach Group – sie steht der UDA nahe – für Sozialprojekt 1,2 Millionen Pfund (knapp zwei Millionen Euro). Dahinter verbergen sich lokale Programme, die von der UDA kontrolliert werden. Ziel der Zahlungen ist vorgeblich die Transformation der Paramilitärs zu zivilen Organisationen.

Hugh Orde, oberster Chef der Polizei im Norden Irlands, will diesen Geldfluß kappen. »Ich würde der UDA nicht mal 50 Penny geben«, sagte er gegenüber der BBC. Der Rechtsaußenpolitiker Ian Paisley bezeichnete die UDA als »Gangster«. Irisch-republikanische Politiker reagierten jedoch gelassener. Wenn man es mit der Demilitarisierung ernst nehme, hieß es von dieser Seite, müsse man auch die UDA »in diesem Prozeß unterstützen«. Im Vergleich mit den Drogengeldern der UDA sei die Finanzspritze ohnehin ein kleiner Betrag.

Die Aufregung nach den Angriffen der UDA auf die Polizei erscheint auch zynisch, weil über Jahrzehnte die Sicherheitskräfte mit den Paramilitärs kooperiert hätten. Sinn Féin fordert die Aufklärung dieser Zusammenarbeit von Polizei, britischem Militär und Geheimdiensten mit den loyalistischen Killerkommandos.

Aus: junge Welt, 6. August 2007


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