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Neue Ära für Nordirland

Sinn Féin feiert bei Regionalwahlen erneut Zugewinne, auch bei britischen Arbeitern

Von Florian Osuch *

In Nordirland hält der Aufwärts­trend von Sinn Féin an. Bei den am vergangenen Freitag (6. Mai) abgehaltenen Regionalwahlen erzielte die Linkspartei dort 26,9 Prozent der Stimmen und gewann 29 der insgesamt 108 Sitze in der Northern Ireland Assembly, einen mehr als bisher. Stärkste Kraft wurde die britische Democratic Unionist Party (DUP) mit 30 Prozent der Stimmen und 38 Sitzen, einem Plus von zwei. Die nordirischen Sozialdemokraten verloren zwei und kommen noch auf 14 Mandate, und die über Jahre führende Ulster Unionist Party entsendet künftig mit 16 Parlamentariern ebenfalls zwei weniger als bisher.

Nordirischer Ministerpräsident dürfte so erneut Peter Robinson von der DUP werden, sein Stellvertreter Martin McGuinness von Sinn Féin. Die ehemalige Unruheprovinz wird von einem parteiübergreifenden Kabinett regiert, Ministerposten werden nach Fraktionsstärke vergeben.

Mit dem erneuten Stimmenzuwachs konnte Sinn Féin seit 1982 und nunmehr sechs Regionalwahlen in Folge ihren Stimmenanteil vergrößern, nachdem sie als politischer Arm der inzwischen aufgelösten Irisch-Republikanischen Armee (IRA) viele Jahre ausgegrenzt worden war. Unterstützung erhält Sinn Féin dabei immer öfter auch aus der britischen Arbeiterschaft, die sich teilweise enttäuscht von den bürgerlich geprägten loyalistischen Parteien abwendet. So gewann Sinn Féin erstmalig einen Sitz in der mehrheitlich von Briten bewohnten Region East Antrim. Alex Maskey, langjähriger Abgeordneter der Partei aus Belfast, sprach deshalb gegenüber dem Belfast Telegraph sogar von einer neuen Ära. Seine Partei habe Stimmen von allen anderen Parteien erhalten, nicht nur Wechselwähler der irischen Sozialdemokraten. Von einem Durchbruch innerhalb der britischen Arbeiterklasse kann jedoch noch immer keine Rede sein. Nach Angaben der BBC blieb die Partei in einigen Wahlkreisen sogar hinter ihren Erwartungen zurück.

Das Ergebnis für Sinn Féin ist auch deshalb bemerkenswert, weil der langjährige Vorsitzende Gerry Adams erstmals nicht mehr für das Regionalparlament kandidierte. Der inzwischen 62jährige hatte sein Mandat im vergangenen Jahr niedergelegt, um für das (süd-)irische Parlament Dáil kandidieren zu können, dem er seit den Wahlen im Februar angehört.

Das Resultat ist auch eine Bestätigung für den Regierungskurs von Sinn Féin, der innerhalb der irisch-republikanischen Bewegung auf Kritik stößt. Insbesondere in Fragen der inneren Sicherheit, der Polizeireform und der noch immer im Norden Irlands stationierten britischen Soldaten gibt es massive Kritik an Sinn Féin. Diverse Splittergruppen halten am bewaffneten Kampf gegen die britische Besatzung fest. Zuletzt wurde Anfang April ein 25jähriger Polizist bei einem Bombenanschlag in Omagh getötet.

Einen kleinen Achtungserfolg mit 0,8 Prozent der Stimmen (plus 0,7) erzielte die Linksallianz People Before Profit, der für einen Sitz im Regionalparlament nicht mehr viele Stimmen fehlen. Die erst im Jahr 2007 gegründete Partei ist seit Februar dieses Jahres erstmalig mit zwei Abgeordneten im Dáil vertreten.

* Aus: junge Welt, 9. Mai 2011


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