Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Was nun Palästina?

Kinan Jaeger und Rainer Zimmer-Winkel legen ein neues Buch vor

Im Folgenden dokumentieren wir aus dem im Frühjahr 2002 erschienenen Buch von Kinan Jäger und Rainer Zimmer-Winkel "Was nun, Palästina?" das Vorwort von Udo Steinbach sowie die Einleitung der beiden Herausgeber.


Vorwort

Nur wenige Krisen haben die Weltöffentlichkeit so lange und nachhaltig berührt wie der Konflikt um das Schicksal der Palästinenser. Der Friedensprozeß, der zu einem auf Gerechtigkeit und international akzeptierten Resolutionen basierenden Nebeneinander von Israelis und Palästinensern hätte führen sollen, war deshalb begleitet von Wogen der Hoffnung und zugleich tiefen Enttäuschungen; Fortschritte und Rückschläge lagen stets dicht beieinander.

In weiter Vergangenheit liegt der Händedruck zwischen Arafat und Rabin von 1993 im Garten des Weißen Hauses. Das Faustrecht scheint im Nahen Osten zurückgekehrt zu sein; alle Hoffnung auf Verständigung zwischen den Konfliktparteien ist zunichte. Mehr denn je ist die internationale Gemeinschaft gefordert, Israelis und Palästinenser wieder auf Friedenskurs zu bringen. Amerikaner, Europäer und die UNO stehen hier in der Verantwortung, waren sie doch alle an Entstehung und Verlauf des Konflikts nicht unbeteiligt.

Wie lange wird es unter den gegebenen Umständen von Terror und Gegenterror und angesichts des gegenseitigen Mißtrauens dauern, bis ein allseits anerkannter Palästinenser-Staat entstehen kann? Wird die junge palästinensische Bevölkerung, von der über die Hälfte bisher nicht anderes als den 35 Jahre anhaltenden Besatzungsstatus kennt, eines Tages friedlich in Selbstbestimmung leben können? Eine solche Perspektive ist in hohem Masse mit der wirtschaftlichen Entwicklung der palästinensischen Autonomiegebiete verknüpft. Angesichts der politischen Rahmenbedingungen war die bislang geleistete Hilfe von Seiten der EU und den USA nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Politische Fortschritte müssen von konkreten wirtschaftlichen Maßnahmen begleitet sein; Zurückhaltung ist nur Wasser auf die Mühlen derjenigen, in deren Interesse es liegt, den Frieden zu torpedieren. Jaeger und Zimmer-Winkel haben in dem vorliegenden Buch den Versuch unternommen, den neuen Entwicklungen in der Palästinenser-Frage Rechnung zu tragen. Neben den Positionen der direkt und indirekt involvierten Akteure werden wichtige theoretische, politische und politisch-geographische Hintergründe einbezogen, die für das Verständnis der Problematik von Bedeutung sind. So ist es die Absicht des Buches, Licht in die schwer nachvollziehbaren Positionen der unmittelbar und mittelbar Beteiligten des Konflikts zu werfen.
Udo Steinbach
Hamburg, im Februar 2002


Einleitung

Im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist keine Regelung in Sicht. Bei dem seit September 2000 anhaltenden Aufstand der Palästinenser sind bisher mehr als tausend Menschen getötet worden, die Mehrzahl von ihnen Palästinenser und Palästinenserinnen. Allein werden es die beiden Konfliktgegner nicht schaffen, einen einvernehmlichen Frieden zu erreichen. Auf Angriff erfolgt Vergeltung, auf Gefahr Vernichtung. Mit seinem harten Kurs könnte der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon nicht nur die Palästinenser, sondern längerfristig auch den Staat Israel in eine Katastrophe steuern.

Unverständlicherweise sieht die Weltgemeinschaft zur Zeit weitgehend untätig zu, wie sich die Spirale der Gewalt immer weiter dreht. Viele Finger zeigen - gerade nach dem 11. September 2001 - in Richtung der Palästinenser, denen pauschal das Stigma von Terroristen angehaftet wird. Unberücksichtigt bleibt hierbei oft, daß Terrorismus auch staatlichen Ursprung haben kann. Als Grundlage verwendet Israel für seine "Liquidationen" dasselbe Recht wie die Palästinenser - nämlich das Recht auf legitimen Widerstand als eine Komponente des Selbstbestimmungsrechtes.

Gerade die USA, die als Hauptakteur ("Key-Player") in der Region für sich die Rolle des "ehrlichen Maklers" in Anspruch nehmen, verhalten sich zur Zeit stark zurückhaltend und lassen Sharon weitgehend gewähren. Zwar sprach sich die amerikanische Administration vor einigen Wochen prinzipiell für die Möglichkeit eines eigenen Staates Palästina aus, eine Einladung für Arafat nach Washington blieb sie bisher jedoch schuldig, während Sharon bereits das dritte Mal in Washington empfangen wurde.

Schwer nachvollziehbar sind auch die Äußerungen aus den USA, "Verständnis" für die Festsetzung Arafats in seinem Hauptquartier in Ramallah, für die Zerstörung des Flug- und Seehafens in Gaza, sowie des palästinensischen Rundfunksenders "Stimme Palästinas" zu haben. Die Europäer, die die wesentlichen Finanzmittel für diese Infrastruktur-projekte zur Verfügung gestellt haben, zeigen sich ratlos und bringen ihren Unmut mit förmlichen Protestschreiben zum Ausdruck.

Bei allem Verständnis für die in Angst lebende israelische Bevölkerung ist festzustellen, daß Sharon wenig dafür tut, die Grundvoraussetzungen für die Beendigung des jetzigen Zustandes von Gewalt und Gegengewalt zu schaffen. Und gilt die Sicherheit der einen Bevölkerung mehr als die der anderen?

Weder Häuserzerstörungen, Rückbesetzungen der palästinensischen Autonomiegebiete noch Verhaftungen oder gar "Liquidierungen" können eine Lösung herbei zwingen. Und jede Ermordung eines Intifada-Führers provoziert neue gewaltsame Antworten.

Was fehlt ist eine klare Zukunftsperspektive der derzeitigen israelischen Politik. Würde eine Vertreibung Arafats oder gar seine Ausschaltung als Verhandlungsführer - wie von manchen in Israel geplant - die Lage verbessern? Welche Situation in den palästinensischen Gebieten ohne die Symbolfigur Arafat entstünde, ist völlig unklar.

Diskutiert wird in Israel auch eine "Zaunlösung" für die Gründung einer palästinensischen Eigenstaatlichkeit, die eine strikte physische Trennung vom Staat Israel beinhalten würde.. Aber ist nicht die beste Basis des Zusammenlebens, und damit die besten Aussichten für Israel, in anerkannten und friedlichen Grenzen zu existieren, ein demokratischer und friedlicher, überlebensfähiger Staat Palästina?

Das hier vorgelegte Buch versucht, zunächst einen Einstieg in die Thematik anhand der Beschreibung von theoretischen Begrifflichkeiten, die sich in der Behandlung der Palästinenser-Frage häufiger widerspiegeln, zu geben. Hierzu gehören Fragen nach dem Inhalt des "Terrorismus", des "Selbstbestimmungsrechtes, der "Staatlichkeit" oder auch des "Low Intensity Conflict", die bewußt auf nicht mehr als wenigen Seiten bearbeitet wurden, um die notwendigsten Grundlagen herauszustellen. Spezifische Sachfragen mit realpolitischem Bezug, wie etwa die Wasserproblematik, schaffen den Übergang zu den Beiträgen über die konkreten Handlungsweisen und Motive der wichtigsten nationalen und internationalen Akteure.
Kinan Jaeger, Rainer Zimmer-Winkel

Was nun, Palästina? Hrsg. von Kinan Jaeger und Rainer Zimmer-Winkel. Mit einem Vorwort von Udo Steinbach.
AphorismA Verlag, Trier 2002; 144 Seiten; € 8,50 (ISBN: 3-932528-96-4)


Zurück zur Seite "Naher Osten"

Zur Seite mit den Neuerscheinungen 2002

Zurück zur Homepage