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Nahostkonflikt: Die Ereignisse ab April 2002

Zusammengestellt aus Agenturmeldungen

1. - 3. April 2002

Über die Osterfeiertage (30./31.03. und 01.04.) kamen auf beiden Seiten etwa 50 Menschen ums Leben.
Trotz eindringlicher Friedensappelle der internationalen Gemeinschaft hat Israel seine Militäroffensive in den Palästinenser-Gebieten am 1. und 2. April ausgeweitet. In fünf palästinensischen Städten im Westjordanland herrschen inzwischen kriegsähnliche Zustände. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon strebt unterdessen die Verbannung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat an, der weiter in seinem von Soldaten belagerten Hauptquartier in Ramallah festsitzt
Die israelische Armee ist am späten Abend des 2. April in die Stadt Dschenin im Westjordanland eingerückt. Das berichtete der arabische Nachrichtensender "El Dschasira". Nach palästinensischen Angaben fuhren Panzer in der Stadt auf. Starke Truppenverbände würden sich noch außerhalb der Stadt aufhalten, hieß es weiter. Israelische Soldaten haben in Dschenin und Salfit im Westjordanland am Abend des 2. April mindestens neun Palästinenser getötet. Unter ihnen war nach Angaben des israelischen Armeesenders vom Mittwoch auch eine 30-jährige Ärztin in Dschenin. Sie geriet Berichten zufolge ins Kreuzfeuer israelischer Soldaten und bewaffneter Palästinenser.

In Bethlehem kam es unterdessen am Abend zu heftigen Kämpfen. Augenzeugen berichteten aus Bethlehem von zahlreichen toten Palästinensern im Bereich um den berühmten Krippenplatz vor der Geburtskirche. Am 3. April haben sich nach palästinensischen Angaben etwa 150 Palästinenser in der Geburtskirche verschanzt. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabach, sagte dazu, die Männer hätten vor Betreten der Kirche ihre Waffen niedergelegt, deshalb habe er es für richtig gehalten, Ihnen Schutz zu gewähren. Den Berichten zufolge haben auch mehrere Familien in der Kirche Zuflucht gesucht.

Israel ist nach Worten seines UN-Botschafters derzeit nicht zu einem Rückzug aus den Palästinensergebieten bereit. Erst einmal müsse die Infrastruktur der Terroristen beseitigt werden, sagte der israelische UN-Botschafter, Jehuda Lancry, am 3. April in New York. Zuvor hatten die 15 Mitglieder des Weltsicherheitsrates bei einem "persönlichen Gespräch" darauf gedrungen, dass Israel unverzüglich seine Truppen aus den Palästinensergebieten zurückzieht.

4. - 8. April 2002

Am 4. April forderte US-Präsident Bush in einer viel beachteten Erklärung zur Nahost-Situation Israel auf, sich aus den palästinensischen Autonomiegebieten zurückzuziehen. Gleichzeitig kündigte er an, seinen Außenminister in den Nahen Osten zu schicken.
Am selben Tag weigerte sich der israelische Premier Scharon, den EU-Beauftragten für Außenpolitik, Javier Solana, zu Arafat vorzulassen. Offenbar verstärkt sich die Tendenz in der israelischen Militärführung, Arafat "rauszuschmeißen".
Der Vormarsch der israelischen Armee ging unterdessen weiter. Am 4. April rückten Panzer im Zentrum der Stadt Nablus ein, danach auch in Hebron. Die israelischen Soldaten durchkämmen systematisch die Häuser. Erste Gerüchte über Plünderungen kommen auf.
Ebenfalls am 4. April verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine neuerliche Reolution, in der er Israel zum Rückzug aus den besetzten Gebieten aufforderte. Einen Tag später, am 5. April, verurteilte die UN-Menschenrechtskommission in Genf mit 44 gegen zwei Stimmen bei sieben Enthaltungen die Menschenrechtsverletzungen durch Israel. Die Menschenrechtskommissarin Mary Robinson soll in den nächsten Tagen mit einer Delegation in den Nahen Osten reisen.
Am 5. April durfte der US-Sondergesandte Anthony Zinni mit Arafat sprechen. Ergebnisse des Treffens wurden nicht bekannt.
Derweil beschleunigt die israelische Armee ihre Offensive. In Nablus wurden allein am 5. April acht Menschen getötet.

Am 6. und 7. April geht dien Offensive der Israelis ungebremst weiter. Alle Rückzugsappelle werden ignoriert. Es ist das blutigste Wochenende seit Beginn der Intifada: Mehr als 70 Palästinenser und sieben israelische Soldaten wurden getötet. Ein Vertrauter Scharons wird mit den Worten zitiert, Israel werde seinen Einsatz erst beenden, wenn "die Arbeit erledigt ist". US-Außenminister Powell wird nicht vor dem 11. April im Nahen Osten eintreffen. Er dämpfte auch die Erwartungen an seine Mission, indem er klarstellte, dass US-Präsident Bush in seiner Erklärung vom 4. April für die Rückzugsforderung Israels kein Datum genannt habe.
Der israelische Generalstabschef Schaul Mofas gab inzwischen bekannt, dass eit Karfreitag, dem Beginn der israelischen Offensive, im Wetsjordanland etwa 200 Palästinenser getötet und rund 1.500 verletzt wurden. Dieb Zahlen auf israelischer Seite: 13 tote Soldaten und 143 Verletzte. Palästinensische Quellen sprachen davon, dass es am Wochenende (6./7. April) im Flüchtlingslager Dschenin ein Massaker mit mindestens 35 Toten gegeben habe. Der israelische Rundfunk berichtete von 30 getöteten Palästinensern aus Nablus.
Unabhängige Presseberichte gibt es inzwischen gar nicht mehr, weil die israelische Armee weite Teile der besetzten Gebiete für Journalisten sperrte. Israels Armee hat am 8. April das Lager von Dschenin im Westjordanland mit Hubschraubern angegriffen und mindestens 30 Raketen abgeschossen. Über mögliche Opfer gab es zunächst keine unabhängigen Angaben.
Während Scharon am 8. April einerseits ankündigte an, die Offensive in den Autonomiegebieten fortzusetzen, unterbreitete er den Vorschlag, einen israelisch-arabischen Gipfel einzuberufen. Im Inneren holt sich Scharon weitere Unterstützung für seinen radikalen Kriegskurs. Er erweiterte am 8. April seine Koalition um eine ultra-rechte Siedlerpartei und Ex-Außenminister David Levy. Mit diesen acht Abgeordneten verfügt seine Regierung wieder über 83 der 120 Knesset-Mandate. Die Arbeitspartei kritisierte diesen Schritt, zieht aber - wie so oft - keine Konsequenzen daraus.
UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte Scharon davor, dass sich die politische und moralische Position Israels vor der Weltöffentlichkeit verschlechtere. Die ganze Welt verlange von Israel die Einlösung der UN-Resolution. "Und die ganze Welt kann sich nicht irren." (zit.n. FR, 09.04.2002)

9. - 12. April 2002

Am 8. April legte Außenminister einen 7-Punkte-Plan zur Beeendigung des Nahost-Kriegs vor. Die Initiative soll der Formulierung einer gemeinsamen Haltung der EU dienen.
Eine Nahost-Friedensinitiative haben für die kommende Woche auch die Außenminister der Türkei und Griechenlands angekündigt. Sie wollen gemeinsam nach Israel fahren und sich dort um eine Waffenruhe bemühen.

Auf breite Ablehnung sind Gedankenspiele des Bundeskanzlers gestoßen, im Nahost-Konflikt evtl. auch deutsche Soldaten im Rahmen einer UN-Mission einzusetzen. Dies hat er vor Kommandeuren der Bundeswehr am 9. April geäußert.
UN-Hilfsorganisationen haben am 9. April ihre Kritik an Israel verstärkt, wonach die Armee mit beispielloser Gewalt vorgehe und die Arbeit der Hilfsorganisationen behindert werde. Die israelischen Angriffe und die Gewalt seien "beispiellos", sagte z.B. der Sprecher des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), René Aquarone. Die Lage beschrieb er mit dem Wort "schrecklich" und fügte hinzu: "Diese Terminologie wird bei den Vereinten Nationen nicht oft benutzt." UNRWA-Leiter Peter Hansen sprach von "reinem Horror". Häufig würden Nahrungsmittel, Blutkonserven und Krankenwagen nicht in die Kampfgebiete durchgelassen; manchmal würden Krankenwagen auch beschossen und zerstört werden. Ähnliche Kritik äußerten WHO-Generalsekretärin Gro Harlem Brundtland und UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson.

Die israelische Armee räumte am 9. April zwei Städte im Westjordanland: Kalkilja und Tulkarem. Auf der anderen Seite marschierten israelische Truppen in eine andere Stadt ein: in Dura im Süden des Westjordanlands. Sowohl die EU als aucb Russland bezeichneten den Teilrückzug der israelischen Armee als "nicht ausreichend". Unterdessen wurden immer heftigere Kämpfe aus Dschenin gemeldet. Die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel erklärte, Dutzende von leichen lägen auf den Straßen des Flüchtlingslagers herum. Die Armee zerstöre Gebäude, in denen sich noch Menschen aufhielten, oder schieße auf jene, die ihre Häuser verließen. Außenminister Peres gab sich besorgt darüber, dass palästinensische "Propaganda" das Vorgehen der israelischen Armee in Dschenin als "Massaker" darstellen könne.

Am 10. April haben die USA, Russland, die Vereinten Nationen und die EU in einem gemeinsamen Aufruf den sofortigen Rückzug der israelischen Armee aus Palästinenser-Städten gefordert. An Arafat appellierten sie alles zu tun, um die Selbstmordattentate zu stoppen. Scharon blieb unbeeindruckt: Er kündigte unmittelbar darauf an, die Militäroffensive vorerst fortzusetzen.
Das EU-Parlament forderte auch die Entsendung einer internationalen Eingreif- und Beobachtertruppe unter UN-Mandat. Außerdem wurde der Ministerrat der EU aufgefordert ein Waffenembargo gegen Israel und Palästina zu verhängen. Auch solle das Assoziationsabkommen zwischen EU und Israel (das Handelsbegünstigungen beinhaltet) ausgesetzt werden.

Bei einem Selbstmordattentat auf einen Linienbus nahe Haifa kamen am 10. April acht Israelis ums Leben, 14 wurden verletzt.

Einen Tag vor seiner Zusammenkunft mit Israels Premier Scharon appellierte US-Außenminister Powell am 11. April noch einmal an Israel, die Angriffe auf Palästinenserstädte einzustellen. Das israelische Militär zog sich aus einigen Orten zurück, rückte aber gleichzeitig in andere Orte ein.
Die Gefechte im Flüchtlingslager Dschenin gingen nach einer Woche offenbar zu Ende. Am 11. April ergaben sich die letzten palästinensischen Kämpfer. Mindestens 140 Palästinenser seien getötet worde, sagte der Leiter des medizinischen Notdienstes im Westjordanland. Die Zahl werde aber noch steigen, wenn das Militär den rettungsdiensten den Zugang in das Lager gestattete. Angeblich hoben israelische Soldaten ein Massengrab für tote Palästinenser aus.
Die israelische Armee teilte indessen mit, dass sie während ihrer zweiwöchtigen Offensive "Operation Schutzschild" 4.185 Palästinenser festgenommen habe. 121 Personen hätten auf ihren Fahdnungslisten gestanden.

Die erste Begegnung zwischen US-Außenminister Powell und dem israelischen Premier Scharon am 12. April wurde von einem Attentat überschattet, bei dem mindestens sechs Israelis getötet und mehr als siebzig verletzt wurden. Das Attentat im Zentrum Jerusalems wurde von einer Palästinenserin ausgeführt. Arafat distanzierte sich in einer Erklärung von "allen terroristischen Aktivitäten".
Israels Armee räumte inzwischen ein, bei den Kämpfen in Dschenin habe es Hunderte tote und verletzte Palästinenser gegeben.

13. - 19. April 2002

Am 14. April kam es endlich zu dem mit Spannung erwarteten Treffen zwischen Arafat und US-Außenminister Powell in Ramallah. Zuvor hatte die israelische Armee den Wasseranschluss von Arafats schwer beschädigtem Hauptquartier repariert und niedergewalzte Autos wegschaffen lassen. Ein konkretes Ergebnis hatte das Gespräch offenbar nicht. Powell nannte es aber "nützlich und konstruktiv".

Einen Tag später schwenkt Powell näher auf die Linie des israelischen Premiers Ariel Scharon ein. Scharon hatte eine Konferenz mit arabischen Staaten ohne Beteiligung Arafats vorgeschlagen. Powell sagte nun, die Anwesenheit Arafats bei einer solchen regionalen Nahost-Konferenz sei "nicht erforderlich". Arafat könne ja Vertreter von Palästinenserorganisationen ermächtigen ihn zu vertreten.
Am 15. April wurde Marwan Barghouti, der Chef der Fatah-Organisation und ein enger Vertrauter von Arafat,von israelischen Einheiten gefangen genommen. Barghouti ist eine sehr populäre Symbolfigur für die Intifada.
Vier Palästinenser starben bei Auseinandersetzungen mit israelischem Militär in Bethlehem und im Gaza-Streifen.
Die UNO beklagte sich darüber, dass die israelische Armee die Verteilung von Hilfsgütern im Flüchtlingeslager Dschenin verhindere. Der UN-Menschenrechtsausschuss verurteilte mit großer Mehrheit Israels Vorgehen gegen Palästinenserstädte. Von den sieben EU-Staaten im Ausschuss stimmten vier der Resolution zu (Frankreich, Österreich, Schweden und Spanien), während sich Deutschland unter den Nein-Stimmen befand. Die deutsche Delegationm begründete ihr Abstimmungsverhalten damit, dass die Resolution keine Verurteilung des Terrorismus enthalten habe und IUsrael "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vorgeworfen worden seien.
Aus Luxemburg, wo am 15. April die EU-Außenminister tagten, verlautete aus der deutschen Delegation, es habe "breite Unterstützung" für den "Sieben-Punkte-Plan" Fischers zur Nahost-Krise gegeben. GBeschlüsse wurden aber nicht gefasst. Die Außenminister erklärten nur ihre volle Untzerstützung für die Nahost-Mission des US-Außenministers Powell.

Am 16. April zeigte sich Powell optimistisch, dass es in den nächsten Tagen zu einem Waffenstillstand im Nahost-Konflikt kommen werde. Er selbst wolle am 17. April noch einmal mit beiden Seiten zusammen kommen. Der Waffenstillstand setze voraus, dass die Palästinenserbehörde weitere Terrorakte stoppen und sich die israelische Armee aus den besetzten Autonomiegebieten zurückziehen müsse.
Am selben Tag rückte die israelische Armee zum wiederholten Mal in Tulkarem ein. Es kam zu Festnahmen und mehrere Palästinenser wurden verletzt. Im Flüchtlingslager Askar bei Nablus wurde ein 12-jähriger Junge von israelischen Soldaten getötet.
Israel eröffnete das bereits zwischen 1987 und 1993 als Gefängnis genutzte Gefangenenlager Keziot in der Wüste Negev. Hier soll ein Teil der über 4.000 gefangen genommenen Palästinenser eingesperrt werden.
amnesty international forderte die Untersuchung des Todes von "Hunderten von Palästinensern" im Flüchtlingslager Dschenin. Der für Entwicklungshilfe zuständige EU-Kommissar Poul Nielson forderte Israel auf, die UN, das Rote Kreuz und andere humanitäre Organisationen in den besetzten Gebieten nicht weiter zu behindern.

Am 17. April traf sich Powell nocht einmal mit Arafat. Er forderte die Autonomiebehörde auf den Terrorismus zu beenden. Gleichzeitig rückte Israels Armee mit Panzern in zwei weitere Dörfer im Westjordanland ein. Auch ging die Belagerung der Geburtskirche in Bethlehem weiter.
Zum Abschluss seiner Nahost-Reise gab Colin Powell zu, dass über einen Waffenstillstand zu reden derzeit "nicht relevant" sei. Hoffnung setze er aber in den Abzug der Israelis aus den Autonomiegebieten, der bereits eingeleitet worden sei. Scharon beabsichtige, den Abzug in etwa einer Woche abzuschließen. Ein für den 17. April vorgesehenes Gespräch zwischen Powell und dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak hatte Ägypten kurzfristig abgesagt. Damit war auch von dieser Seite unterstrichen worden, dass die Nahost-Mission von Powell gescheitert ist.

Am 18. April sicherte der israelische Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser verbindlich zu, bis zum 21. April die Armee aus Dschenin, Nablus und Teilen Ramallahs abzuziehen. Die Belagerung des Amtssitzes von Arafat und der Geburtskirche in Bethlehem werde aber fortgesetzt.
US-Präsident George W. Bush rief Arafat zur Übergabe von fünf Personen auf, die im Zusammenhang mit Selbstmordanschlägen in Israel gesucht werden.
Die britische Regierung forderte am 18. April Israel auf, eine internationale Untersuchung des israelischen Vorgehens im Flüchtlingslager Dschenin zuzulassen. Ähnliches forderte einen Tag später auch die spanische EU-Ratspräsidentschaft. UN-Generalsekretär Kofi Annan verlangte von Israel den ungehinderten Zugang humanitärer Helfer in Dschenin. Dieser Forderung schloss sich einen Tag später (19. April) Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an.

In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau (veröffentlicht am 20. April) forderte auch der deutsche Aupenminister eine unabhängige Aufklärung der Ereignisse in Dschenin. Dies liege im israelischen Interesse, sagte er. Stärkeren Druck auf Israel lehnt Fischer ab. Auch werde die deutsche "Rüstungszusammenarbeit" mit Israel fortgesetzt. Gleichzeitig kritisierte er die "einseitige" moralische Empörung in der deutschen Öffentlichkeit gegen die israelische Politik. Speziell die Kritik der "radikalen" Linken enthalte "antisemitische Elemente".
Am 19. April zogen israelische Truppen aus dem Zentrum von Dschenin ab und zogen einen Belagerungsring um die Stadt und das Flüchtlingslager.
Am 19. April wurde auf Antrag der USA im UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, wonach die Vorfälle in Dschenin aufgeklärt werden sollen.

20. - 25. April 2002

Am 20. und 21. April setzte die israelische Armee ihren (Teil-)Rückzug aus Ramallah und Nablus fort. Arafats Hauptquartier bleibt aber weiter belagert. Auch in Bethlehem ist keine Änderung eingetreten. Die Belagerung der Geburtskirche geht weiter. Die Lage der eingeschlossenen Menschen wird immer kritischer. Scharon erklärte im israelischen Rundfunk, die Militäroffensive im Westjordanland habe ihren Zweck erfüllt. Der Kampf gegen den Terror gehe aber weiter, werde aber künftig "andere Formen" annehmen.
Am 20. April erklärte sich Israel erstmals bereit, mit einer UNO-Delegation zusammenzuarbeiten, die die Vorfälle in Dschenin aufklären soll. Kofi Annan berief am 22. April eine Kommission, welche die Kämpfe in Dschenin untersuchen soll. Geleitet werden soll sie vom früheren finnischen Staatspräsidenten Martti Arthissari. Der Kommission gehört auch die UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Sadako Ogata, an. Von "Kriegsverbrechen" und "sehr ernsten Verstößen" gegen internationales Recht spricht amnesty international in einer Erklärung.
Gegen den UN-Sondergesandten Terje Roed-Larsen, der sich kritisch zur Lage in Dschenin geäußert hatte ("unfassbares Grauen"), hat Scharon am 21. April eine "Kontaktsperre" angeordnet. Die Kabinettsmitglieder sind angewiesen worden, jeden Kontakt zu Roed-Larsen abzubrechen.
Aus Israel verlautete ebenfalls am 22. April, dass Scharon eine Räumung der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten mindestens bis zum Oktober 2003 (dann finden die Parlamentswahlen statt) kategorisch ausgeschlossen hat.

Im Gazastreifen wurden am 22. April drei Palästinenser erschossen, zwei bei einem Feuergefecht und drei, als sie in jüdischen Siedlungen eindringen wollten (nach israelischen Angaben).

Der für UN-Friedensmisssionen zuständige Untergeneralsekretär Jean-MArie Guéhenno sagte am 23. April gegenüber dpa, er halte eine multinationale Truppe "mit einem robusten Mandat" für den Nahen Osten für erforderlich. Eine solche Truppe sollte auch in Konflikte eingreifen und sich selbst versteidigen können.
Bei einer Mittelmeerkonferenz der Außenminister der EU sagte der israelische Außenminister Shimon Peres zu, dass eine EU-Delegation Arafat in Ramallah besuchen dürfe. Ein solcher Besuch - durch den EU-Beauftragten Solana - war noch vor zwei Wochen von den Israelis untersagt worden.
In Hebron wurde bei einem israelischen Hubschrauberangriff ein Al-Aksa-Anführer und sein Leibwächter getötet.
Die israelische Regierung kritisiert inzwischen die Zusammensetzung der UN-Kommission zur Untersuchung der Vorfälle in Dschenin. Verteidigungsminister Ben-Elieser protestierte am 23. April, dass seine Regierung nicht konsultiert worden sei. Wörtlich sagte er: "Wir haben erwartet, dass militärische Fakten von Militär-Experten und nicht von Menschenrechts-Experten geklärt werden".
Bei Verhandlungen zwische Israelis und Palästinensern um die Geburtskirche in Bethlehem gab es nocb keinen sichtbaren Fortschritt.

Am 24. April macht die israelische Regierung in Sachen UN-Kommission eine Kehrtwendung: Ben-Elieser sagte, er wolle mit der Kommission kooperieren. Die UN-Kommission machte sich auf die Reise in den Nahen Osten. Am selben Tag besuchte eine EU-Delegation unter Leitung von Solana den Palästinenserpräsidenten Arafat in Ramallah. Ergebnisse des Gesprächs wurden nicht bekannt.

Die UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson gab am 24. April bekannt: Während der dreiwöchigen Militäroffensive wurden mindestens 217 Palästinenser getötet und 498 verletzt. Bei Selbstmordanschlägen kamen 62 Israelis ums Leben, 363 wurden verletzt.
Die Bundesregierung will nach einer Ankündigung von Wieczorek-Zeul ihre Entwicklungshilfe zugunsten der Palästinenser umschichten: 2 Mio. Euro sollen für humanitäre Soforthilfe (Nahrungsmittelhilfe) und 17 Mio. Euro für die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten bereit gestellt werden. Insgesamt würden damit in diesem Jahr genauso viel Mittel, nämlich 47 Mio. Euro, für die palästinensischen Gebiete zur Verfügung stellen. (Das heißt doch aber auch, dass der Entwicklungshilfeansatz für Palästina 2002 nur 28 Mio Euro betragen hätte?!)
Israelische Zeitungen berichteten am 24. April, Scharon habe in einer nichtöffentlichen Sitzung des Kabinetts angekündigt, die Militäraktionen würden nun auch auf den Gazastreifen ausgedehnt. Es gäbe "keinen Ruheraum für Terroristen", soll Scharon gesagt haben.
Zur gleichen Zeit begannen im Westjordanland Arbeiten zu einem gro.ßen israelischen Siedlungsprojekt. Die in einem Jahr bezugsfertigen Häuser sollen von national-religiösen Siedlern bezogen werden.


Am 25. April findet im Deutschen Bundestag eine Debatte über die Lage im Nahen Osten statt. Dabei hielt sich die Kritik an der israelischen Regierung in engen Grenzen. Überwiegend wurden die Militäraktivitäten Israels und die palästinensischen (Selbstmord-)Attentate gleichgesetzt (siehe z.B. die Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Alle Parteien (mit Ausnahme der PDS) sprachen sich auch gegen irgendwelche Sanktionen gegen Israel aus.
Ein palästinensisches Gericht hat am 25. April drei Männer zu Gefängnisstrafen zwischen 12 und 18 Jahren verurteilt, die verdächtigt waren, im vergangenen Jahr den israelischen Tourismusminister Rechawam Seewi ermordet zu haben. Dessen ungeachtet fordert die isrealische Regierung weiterhin die Auslieferung der Täter.
Laut Zeitungsberichten will die "internationale Gemeinschaft" den Palästinensern 334 Mio. EURO für den Wiederaufbau der durch Israel zerstörten Infrastruktur zur Verfügung stellen.
Mindestens Sechs Palästinenser wurden am 25. April im Gazastreifen und im Westjordanland von der israelischen Armee erschossen.

26. - 30. April 2002

Beim Staatsbesuch in Washington am 26. April forderte der saudische Kronprinz Abdullah von den USA mehr Druck auf Israel. Würden die USA ihre Unterstützung für Israel nicht "mäßigen", hätte das "ernste Folgen", sagte Abdullah. Nach dem 5-dtündigen Gespräch zwischen Bush und Abdullah trat nur der US-Präsident vor die Presse. Er begrüßte die Friedensinitiative des Kronprinzen und forderte Israel zu einem Abzug aus den besetzten Gebieten auf.
In der Palästinenserstadt Kalkilja im nördlichen Wetsjordanland kam es am 26. April zu Gefechten zwischen israelischer Armee und bewaffneten Palästinensern. Zwei Palästinenser wurden getötet.

Am 27. April überfielen Palästinenser eine jüdische Siedlung im Westjordanland und erschossen vier Menschen, darunter ein fünfjähriges Mädchen.
Nach einer Kabinettssitzung der israelischen Regierung wurden zwei Beschlüsse bekannt: 1) Die Belagerung Arafats soll aufgehoben werden. Als Gegenleistung verlangt Israel, dass die sechs von Israel gesuchten Attentäter, die den israelischen Tourismusminister erschossen hatten, in dem palästinensischen Gewahrsam von Amerikanern und Briten bewacht werden. 2) Die UN-Untersuchungskommission zu den Vorgängen in Dschenin erhält keine Einreiseerlaubnis.
Am 29. April marschiert die israeelische Armee mit Panzern in Hebron ein und tötet mindestens acht Palästinenser. Offenbar handelt es sich um eine "Vergeltungsaktion" für den Überfall auf die jüdische Siedlung vom 27. April.
Die UN-Untersuchungskommission scheint endgültig geplatzt zu sein. Zuerst war Israel mit der Zusammensetzung deer Kommission nicht einverstanden; dann kritisierte sie das Mandat und die Zuständigkeit der Kommission. Und zuletzt wollte sie bestimmen, mit welchen Soldaten die Kommission sprechen dürfe. Unannehmbare Bedingungen für eine "unabhängige" UN-Kommission.
Die Belagerung der Geburtskirche in Bethlehem dauert an. Israelische Scharfschützen erschossen am 29. April einen Palästinenser im Hof der Kirche. Nach israelischen Angaben sei er wild um sich schießend aus der Kirche gestürmt.

Am 30. April zog die israelische Armee wieder aus Hebron ab. Sie habe rund 150 Palästinenser festgenommen, sagte ein Militärsprecher. Am späten Abend und in der Nacht zum 1. Mai rückten 25 israelische Panzer in das Flüchtlingslager Rafah im Süden des Gazastreifens ein. Drei Palästinenser, darunter ein elf Monate altes Mädchen, wurden getötet.
28 Palästinenser haben am 30. April die Geburtskirche in Bethlehem verlassen. Sie wurden von einem israelischen Armeebus abtransportiert.

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