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Aus Afghanistan nichts gelernt: Bundeswehr wird in Mali-Krieg geschickt - Terrorkrieg wird zunehmen

Friedensbewegung lehnt Einsatzbeschluss der Bundesregierung ab

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Berlin/Kassel, 19. Februar 2013 - Anlässlich der Kabinettbeschlüsse, 330 Bundeswehrsoldaten nach Mali zur Bekämpfung des „Terrorismus“ zu entsenden, erklären die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:

Seit dem Beginn des von den USA entfachten Afghanistankrieges im Oktober 2001 ist deutlich, dass westliche „Anti-Terror“-Kriege zu einem sicher nicht taugen: den „Terrorismus“ zu zerschlagen. Eher ist das Gegenteil der Fall: Sprengstoff- und Selbstmordanschläge haben um ein Mehrfaches zugenommen und sich territorial ausgebreitet. Die von den NATO-Staaten mit den Kriegen angeblich verfolgten Ziele wie Demokratie und Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte, Frieden und Wiederaufbau, sei es in Somalia, Afghanistan, Irak oder Libyen, wurden nicht erreicht. Stattdessen fielen – von Afghanistan über Pakistan bis nach Libyen - Hunderttausende den NATO-Kriegen zum Opfer. Kriege sind ungeeignet, die sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ursachen der Konflikte zu lösen.

Nachhaltiger (Anti-)Terrorkrieg droht

Als hätte der Westen aus Afghanistan nichts gelernt! Dem bitterarmen Mali steht mit dem französisch geführten ECOWAS-Einsatz ein lang anhaltender „Anti-Terror“-Krieg ins Haus, der ein Ergebnis mit Sicherheit verfehlen wird: die Niederschlagung des „islamischen Terrorismus“. Das Ergebnis wird vielmehr sein, dass
  • Hunderttausende malischer Flüchtlinge aufgrund des „Anti-Terror“-Krieges nicht in ihre Heimat zurückkehren können,
  • humanitäre Hilfe in den betroffenen Regionen nicht geleistet werden kann, weil westliche Hilfskräfte in einer Kampfzone zu Angriffszielen würden,
  • die verfolgten Islamisten zum Teil in Nachbarländer ausweichen und dort zur Destabilisierung beitragen und die Kampfzonen ausdehnen,
  • sich aufgrund des neokolonialistischen Charakters der französisch geführten Militärintervention noch leichter radikale islamische Kräfte rekrutieren lassen.
Wir sagen, dieser Krieg Frankreichs war von Anfang an falsch und seine Fortsetzung wird nicht die proklamierten Ziele erreichen. Wir fordern die Abgeordneten des Bundestags auf, gegen die Anträge der Bundesregierung zu stimmen.

Keine Kampfeinsätze?

Die Bundesregierung behauptet, sich an Kampfeinsätzen in Mali nicht beteiligen zu wollen. Das mag für die EUTM-Mission (Ausbildung malischer Streitkräfte) noch zutreffen. Für das zweite Mandat, die logistische Unterstützung beim Transport der französischen und afrikanischen Kampftruppen in die umkämpften Gebiete, ist eine solche Garantie unehrlich. Wie schnell kann ein Lufttransport ins Visier „gegnerischer“ Kräfte geraten und sich daraus eine direkte Verwicklung in Kampftätigkeiten ergeben! Die Bundeswehr ist eindeutig Kriegspartei und kann keine Schonung erwarten.

Einen unsicheren Wechsel auf die Zukunft enthält aber auch das Ausbildungs-Mandat im Rahmen der EUTM. Die dafür vorgesehenen 180 Soldaten können bald nicht mehr ausreichen. Dann nämlich wenn Frankreich für den Schutz des Kontingents nicht mehr aufkommen will. Dann muss die Bundeswehr diese Aufgabe selbst übernehmen und draufsatteln.

Rüstungsindustrie profitiert

Was die Bundesregierung schamhaft verschweigt: Die EUTM enthält neben der personellen Ausbildungshilfe auch die Verpflichtung, der malischen Armee mit Waffen und Ausrüstung zu helfen, und zwar – wie es im EU-Gipfeldokument heißt – zur „schnellen Lieferung geeigneter militärischer Ausrüstung“. Die Rüstungskonzerne werden sich die Hände reiben – und der afrikanische Waffenmarkt wird weiter anwachsen und prinzipiell auch „gegnerischen“ Kräften zur Verfügung stehen.

Wir halten es dagegen für vordringlich, Waffenstillstandsvereinbarungen mit allen Konfliktparteien auszuhandeln und nationale Versöhnungsarbeit zu unterstützen. Flankiert werden muss dies von der raschen Entwicklung wirtschaftlicher Perspektiven insbesondere für den Norden Malis, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und auf eine nachhaltige Stabilität zielt. Dieser Ansatz ist nicht nur für Mali selbst zu verwirklichen, sondern gilt für sämtliche Staaten der Sahel-Zone, die unter Hunger, Unterentwicklung und Fragmentierung leiden und in denen perspektivlose Jugendliche zunehmend radikalisiert werden. Allein die für den ECOWAS-Militäreinsatz versprochenen Mittel in Höhe von 450 Mio. US-Dollar wären als Anschubfinanzierung in der Entwicklungszusammenarbeit und Mediation wesentlich besser angelegt. Zudem müssen die zivilen Institutionen Malis so gestärkt werden, dass sie in die Lage versetzt werden, für die Konzessionierung und Ausbeutung ihrer reichhaltigen Ressourcen einen angemessenen Betrag zu erzielen und diese im Land gerechter zu verteilen.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Kassel)
Lühr Henken (Berlin)

Lesen Sie auch:

Mali: Keine Intervention! Kein neues Afghanistan!
Gemeinsame Stellungnahme aus Friedensforschung und Friedensbewegung (16. Januar 2013) [pdf]



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