Die Invasion in Libyen
Hinter den Angriffen von USA und NATO stehen Strategien ökonomischer Kriegsführung
Von Manlio Dinucci (Il Manifesto) *
Das Ziel des Krieges gegen Libyen sind nicht nur die Ölreserven (die jetzt auf 60 Mrd. Barrel geschätzt werden), die
größten Afrikas und deren Gewinnung die niedrigsten Kosten in der Welt verursacht, und auch nicht nur die geschätzten
1500 Mrd. Kubikmeter Naturgas. Im Visier der „Willigen“ der Operation „Vereinte Beschützer“ stehen die Souveränen
Vermögensfonds, ein Kapital, das der libysche Staat im Ausland investiert hat.
Öl !!!
Obwohl uns die Nachrichten das Gegenteil
suggerieren, hat die Invasion Libyens bereits
begonnen. Einheiten, die seit geraumer
Zeit auf libyschem Gebiet operieren, haben
den Krieg vorbereitet und führen den Überfall
aus. Es handelt sich um die mächtigen
Ölkonzerne und amerikanische und europäische
Investment-Banken.
Welche Interessen hier im Spiel sind, kam
in einem Artikel im Wall Street Journal, der
einflußreichen Tageszeitung der Wirtschafts-
und Finanzwelt, zum Ausdruck:
„For West‘s Oil Firms, No Love Lost in
Libya“ (Die Liebe der westlichen Ölfirmen
zu Libyen ist nicht vergeblich).
Nachdem die Sanktionen gegen Libyen im
Jahr 2003 aufgehoben wurden, drängten die
westlichen Ölkonzerne mit großen Erwartungen
nach Libyen, doch die Ergebnisse
blieben enttäuschend für sie. Die libysche
Regierung vergab Lizenzen an die ausländischen
Konzerne nach einem System namens
EPSA-4, wonach der staatlichen libyschen
Ölfirma NOC (National Oil Corporation of
Libya) der höchste Anteil des geförderten
Öls gesichert blieb. Angesichts des starken
Wettbewerbs lief das auf einen Anteil von
ungefähr ungefähr 90 Prozent hinaus. “Die
EPSA-4-Verträge hatten die härtesten Bedingungen
der Welt,“ sagt Bob Frylund,
früherer Präsident der libyschen Niederlassung
des US-amerikanischen Unternehmens
ConocoPhillips. (WSJ)
Das muß wohl so sein, denn gemäß einer
Entscheidung, die nicht in Bengasi sondern
in Washington, London und Paris getroffen
wurde, hat der „National Transitional Council“
(Nationaler Übergangsrat) die „Libyan
Oil Company“ gegründet.
Diese ist nur eine leere Hülle, ähnlich solchen
Unternehmen, wie sie Investoren in
Steuerparadiesen schlüsselfertig angeboten
werden. Die Absicht ist, die staatliche libysche
National Oil Company (NOC) zu ersetzen,
sobald die „Willigen“ der frisch
geschmiedeten Allianz gegen Gaddafis
Libyen die Kontrolle über die Ölfelder des
Landes übernommen haben. Ihre Aufgabe
wird es sein, Lizenzen zu überaus günstigen
Bedingungen an amerikanische, britische
und französische Unternehmen zu vergeben.
Konkurrenten ausschalten
Außerdem wird diese Firma jene Unternehmen
benachteiligen, die vor dem Krieg
die Hauptproduzenten des libyschen Öls
waren, allen voran das italienische Unternehmen
ENI, das im Jahr 2007 eine Milliarde
Dollar zahlte, um sich Konzessionen bis
ins Jahr 2047 zu sichern, sowie das deutsche
Unternehmen Wintershall, das an zweiter
Stelle der ausländischen Förderunternehmen
steht. Noch stärker würden chinesische und
russische Firmen von der neuen Firma benachteiligt
werden, jene Unternehmen,
denen Gaddafi am 14. März versprach, die
bestehenden Konzessionen von europäischen
und US-amerikanischen Unternehmen
auf sie zu transferieren.
Privatisieren
Die Pläne der „Willigen“ beinhalten außerdem
die Privatisierung der staatseigenen
NOC als Gegenleistung für die „Hilfe“ des
Internationalen Währungsfonds für den
Wiederaufbau von Industrie und Infrastruktur,
die durch die Bombardements durch
eben jene „willigen“ Länder zerstört wurden.
Angriff auf die libyschen Souveränen Vermögensfonds
Die Libyan Investment Authority (LIA =
libysche Investitionsbehörde) managt die
auf 70 Mrd. US $ geschätzten Souveränen
Vermögensfonds, und wenn man die Auslandsinvestitionen
der Zentralbank und
anderer Körperschaften dazurechnet kommt
man auf 150 Mrd. $. Aber es kann auch
mehr sein. Auch wenn sie niedriger sind als
die von Saudiarabien oder Kuweit, so sind
die libyschen Souveränen Vermögensfonds
durch ihre rapides Wachstum charakterisiert.
Als die LIA 2006 gegründet wurde,
hatte sie 40 Mrd. $ zu ihrer Verfügung. In
nur fünf Jahren hat die LIA in über hundert
Unternehmen in Nordafrika, Asien, Europa,
den USA und Südamerika investiert: in
Holdings, Banken, Grundstücken, Industrien,
Erdölgesellschaften und anderen.
In Italien wurden die Hauptinvestitionen in
der UniCredit Bank (wo die LIA und die
libysche Zentralbank 7.5% halten), der
Finmeccanica (2 und ENI (1%) getätigt;
diese und andere Investitionen (etwa 7.5%
im Juventus Fußballclub) haben nicht so
sehr ökonomische Bedeutung (sie belaufen
sich auf etwa 5.4 Mrd. $) als viel mehr
politische.
Libyen, nachdem es von Washington von
der schwarzen Liste der „Schurkenstaaten“
entfernt wurde, hat versucht, sich einen
Freiraum auf internationaler Ebene durch
Konzentrierung auf die „Diplomatie der
Souveränen Vermögensfonds“ zu schaffen.
Sobald die USA und die EU 2004 das Embargo
aufgehoben hatten und die großen
Ölgesellschaften ins Land zurückkehrten,
konnte Tripolis einen Handelsüberschuss
von ca. 30 Mrd. $ jährlich aufrechterhalten,
was hauptsächlich für ausländische Investitionen
benutzt wurde. Das Management der
Souveränen Fonds hat jedoch einen neuen
Mechanismus von Macht und Korruption in
den Händen von Ministern und hohen Beamten
geschaffen, der wahrscheinlich teilweise
der Kontrolle von Gaddafi selbst
entzogen war. Das wird durch die Tatsache
bestätigt, dass er 2009 vorschlug, die 30
Mrd. an Öleinnahmen „direkt an das libysche
Volk“ zu verteilen. Dies vertiefte den
Riss innerhalb der libyschen Regierung.
Die amerikanischen und europäischen herrschenden
Kreise haben diese Fonds fixiert,
so dass sie, noch bevor die militärische
Attacke auf Libyen einsetzte, um seinen
Energiereichtum in die Hand zu bekommen,
die libyschen Souveränen Vermögensfonds
übernahmen.
Erleichtert wurde diese Operation von dem
Vertreter der LIA, Mohamed Layas persönlich,
wie in einem von Wikileaks enthüllten
Kabel ans Licht kam. Am 20. Januar informierte
Layas den US-Botschafter in Tripolis,
dass die LIA 32 Mrd. $ in US-Banken
deponiert hatte.
Fünf Wochen später, am 28. Februar, hat
der US- Bundesrechnungshof diese Konten
„eingefroren“. Laut offiziellen Angaben ist
„dies die größte jemals in den USA blockierte
Summe“, die von den USA „treuhänderisch
für die Zukunft Libyens“ verwaltet
wird. Sie wird in Wirklichkeit als
eine Kapitalspritze in die US-Wirtschaft
dienen, die immer mehr in Schulden versinkt.
Wenige Tage später hat die EU rund
45 Mrd. Euros an libyschen Fonds „eingefroren“.
Harte Auswirkung in Afrika
Der Angriff auf die libyschen Souveränen
Vermögensfonds wird eine besonders harte
Auswirkung in Afrika haben. Dort hat die
Libysch-Arabisch-Afrikanische Investitions-
Gesellschaft in über 25 Ländern investiert,
22 davon südlich der Sahara, und
plante, sie in den nächsten fünf Jahren zu
erhöhen, besonders im Bergbau, in der
Fertigung, dem Tourismus und Telekommunikation.
Die libyschen Investitionen
sind entscheidend für die Einrichtung des
ersten Telekommunikations-Satelliten Rascom
(Regionale Afrikanische Satelliten-
Kommunikation) gewesen, der im August
2010 in den Orbit gestellt wurde, was es den
afrikanischen Ländern erlaubte, allmählich
unabhängig von den US- und europäischen
Satelliten-Netzwerken zu werden und dadurch
hunderte Millionen von Dollars zu
sparen.
„Zentralbank Libyens“- eine leere Hülle
Es ist außerdem offensichtlich, warum zur
selben Zeit die „Zentralbank Libyens“ in
Bengasi gegründet wurde: es handelt sich
um eine weitere leere Hülle, deren wesentliche
künftige Aufgabe es sein wird, den
libyschen Staatsfonds - über 150 Milliarden
Dollar, die der libysche Staat im Ausland
investiert hat - formell zu verwalten, sobald
sie von den USA und den europäischen
Mächten freigegeben werden. Die britische
Großbank HSBC demonstrierte, wer die
tatsächliche Kontrolle über diese Gelder
haben wird. HSBC ist der „oberste Wächter“
über libysche Investitionen in Großbritannien
(ungefähr 25 Milliarden Euro): Ein
Team von hochrangigen Managern der
Bank ist schon jetzt in Bengasi am Werk,
um die neugegründete „Zentralbank Libyens“
auf den Weg zu bringen. Für die HSBC
und andere große Investment-Banken wird
es ein Leichtes sein, libysche Gelder im
Sinne ihrer eigenen Strategien zu lenken.
Sabotage der finanziellen Institutionen
der Afrikanischen Union – IWF soll weiter
herrschen.
Eines ihrer Ziele ist es, die finanziellen
Institutionen der Afrikanischen Union zu
sabotieren, deren Entstehung zu einem
großen Teil durch libysche Investitionen
möglich gemacht wurde. Unter diesen befinden
sich die Afrikanische Investment
Bank mit Sitz in Tripolis in Libyen, die
Afrikanische Zentralbank in Abuja in Nigeria,
der Afrikanische Währungsfonds mit
Sitz in Yaoundé, Kamerun. Letztere ist mit
einem operativen Kapital von mehr als 40
Milliarden Dollar ausgestattet, könnte den
Internationalen Währungsfonds in Afrika
ersetzen. Bis jetzt hat der IWF die afrikanische
Wirtschaft gesteuert und den Weg für
multinationale Konzerne und Investment-
Banken in Amerika und den USA geebnet.
Indem sie Libyen attackieren, versuchen die
„Willigen“ genau diejenigen Körperschaften
zu zerstören, die eines Tages die finanzielle
Unabhängigkeit Afrikas ermöglichen könnten.
* Veröffentlicht in: Il Manifesto vom 22.4.2011 und 02.05.2011.
Übersetzt von Hergen Matussik / Einar Schlereth, in Tlaxcala veröffentlicht: www.tlaxcalaint.org
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