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Kritik am Embargo gegen Kuba wächst

In der UNO sind die USA schon seit langem isoliert, aber auch im Land selbst wird ein Ende der Blockade gefordert

Von Andreas Knobloch, Havanna *

Es gibt keinen Zweifel: Am 28. Oktober wird die UN-Vollversammlung zum 22. Mal das US-Embargo gegen Kuba verurteilen. In den USA gibt es inzwischen sogar Bewegung in dieser Angelegenheit.

So trist wie 2013 war es aus USA-Sicht noch nie. Nur Israel stand noch an der Seite von Washington bei der Forderung, das Embargo gegen Kuba aufrecht zu erhalten. Am 28. Oktober wird das Bild ähnlich sein. Eine überwältigende Mehrheit der UN-Mitgliedstaaten wird wie jedes Jahr seit 1992 in der Vollversammlung der Vereinten Nationen die von den USA vor 54 Jahren gegen Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade verurteilen. Und das aus guten Gründen.

Die kubanische Regierung beklagt immer größere Schäden durch die Blockade. Sie betreffe alle Bereiche der kubanischen Gesellschaft und habe »sich zu einem Finanzkrieg gewandelt«. Mit mehr als 1,1 Billionen US-Dollar beziffert Havanna die wirtschaftlichen Schäden im Laufe der Jahre (www.cubavsbloqueo.cu/). Die USA dagegen klammern sich weiter an eine Blockadepolitik, die mehr als 50 Jahre lang gescheitert ist und eine der letzten Reliquien des Kalten Krieges darstellt.

Doch zwei Jahre vor Ende von Barack Obamas Amtszeit als US-Präsident wird in den USA das Thema Kuba in der politischen Öffentlichkeit heiß diskutiert. Dabei ist in den USA von Embargo die Rede, in Kuba von Blockade, wobei die jeweilige Wortwahl der politischen Haltung Ausdruck verleiht. In einem am 12. Oktober auf Englisch und Spanisch erschienenen Leitartikel sprach sich die einflussreiche »New York Times« für eine Aufhebung des US-Embargos gegenüber Kuba aus und befeuerte damit die Debatte. »Zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren machen eine Verschiebung in der Politik in den Vereinigten Staaten und Veränderungen der Politik in Kuba es möglich, die formalen diplomatischen Beziehungen wieder herzustellen und das sinnlose Embargo zu beenden«, heißt es.

Das Embargo habe der Regierung in Havanna vor allem dazu gedient, Versorgungsengpässe zu begründen und sich abzuschotten. In den vergangenen Jahren aber habe Kuba eine vorsichtige wirtschaftliche Öffnung begonnen, so das Blatt weiter. Rivalen der USA, wie China oder Russland, könnten in Kuba Geschäfte machen, während die USA draußen blieben. Auch wenn Obama das Embargo nur mit Zustimmung des Kongresses aufheben könne, besitze er Handlungsspielraum. Angesichts der weltweiten Krisenherde erwartet die »New York Times« keinen radikalen Wandel der US-amerikanischen Kuba-Politik. Trotzdem sei der OAS-Gipfel in Panama im April, zu dem Kuba erstmals eingeladen wurde, eine Gelegenheit der Annäherung.

Mit einer konträr entgegengesetzten Position meldete sich nur wenige Tage später die nicht weniger einflussreiche Hauptstadtzeitung »Washington Post« ihrerseits mit einem Leitartikel zu Wort – mit dem vielsagenden Titel »Cuba should not be rewarded for denying freedom to its people« (Kuba enthalte seinem Volk Freiheit vor und sollte nicht dafür belohnt werden). Begründet wird die Ablehnung vor allem mit dem Fall Payá. Im Juli 2012 war Oswaldo Payá, einer der bekanntesten kubanischen Dissidenten, bei einem Autounfall im Osten Kubas tödlich verunglückt. Der spanische Nachwuchspolitiker Ángel Carromero, der den Wagen gesteuert hatte, wurde dafür in Kuba zu vier Jahren Haft verurteilt. Später durfte er dennoch ausreisen und macht entgegen vorheriger Aussagen mittlerweile den kubanischen Geheimdienst für Payás Tod verantwortlich. Die »Washington Post« fordert eine unabhängige Untersuchung. Auch würden Dissidenten weiterhin verfolgt. Die Zeitung spricht davon, das Embargo sei in den vergangenen Jahren »substanziell gelockert« worden. Eine vollständige Aufhebung aber würde die Regierung in Havanna für ihre »Unnachgiebigkeit« belohnen.

Bereits seit Anfang des Jahres nehmen die Stimmen für eine Neuausrichtung der Kuba-Politik zu. Zahlreiche namhafte US-Politiker beider großen Parteien, Vertreter religiöser Organisationen sowie der US-Handelskammer, selbst Google-Chef Eric Schmidt sowie die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton sprachen sich seitdem für ein Ende der Blockade und eine Normalisierung der Beziehungen beider Länder aus.

Dass die Embargo-Diskussion entbrannt ist, hat mit Obamas auslaufender Amtszeit zu tun. Er muss keine Rücksicht auf eine mögliche Wiederwahl nehmen. Am Dienstag wird ihn die Weltgemeinschaft mit ihrem Votum an seine offenen Versprechungen gegenüber Kuba erinnern.

* Aus: neues deutschland, Montag, 27. Oktober 2014


Barack Obama und seine Politik **

Als neugewählter US-Präsident war Barack Obama angetreten, die US-amerikanische Kuba-Politik von Grund auf zu ändern. Mitte April 2009 eröffnete er den OAS-Gipfel in Trinidad & Tobago – zu dem Kuba als einziges Land der Hemisphäre nicht eingeladen war, da es 1964 auf Druck der USA ausgeschlossen wurde – mit dem historischen Angebot eines Neubeginns der Beziehungen. Der darauffolgende Austausch gegenseitiger Bereitschaftsbekundungen schuf eine enorme Erwartungshaltung für einen Dialog und schließlich eine Normalisierung der Beziehungen. Vor dem Gipfel hatte Washington Reisen und Geldüberweisungen von Exilkubanern nach Kuba erleichtert sowie Beschränkungen auf den Kauf von Lebensmitteln und Medikamenten durch die kubanische Regierung in den USA aufgehoben. Damit verband Obama die Erwartung von Zugeständnissen von kubanischer Seite in Menschenrechtsfragen.

Kubas Präsident Raúl Castro machte bereits damals deutlich, dass er diese Politik gegenseitiger Gesten nicht mitmachen werde. Er äußerte aber seine Bereitschaft zu einem offenen Dialog auf Augenhöhe über »alle Themen«. Jedoch seien weder »die Unabhängigkeit, Souveränität und Selbstbestimmung noch das politische oder soziale System verhandelbar«.

Zwar war die Aufhebung von Beschränkungen auf Reisen und Geldüberweisungen von Exil-Kubanern nach Kuba wichtig, Obama machte damit aber vor allem Verschärfungen der Regierung George W. Bush wieder rückgängig. Gleichzeitig verfolgte die US-Regierung in den vergangenen Jahren unnachgiebig kubanische Finanztransaktionen. Havanna spricht von einem »Finanzkrieg«. Allein seit Januar 2009 wurden nach Zahlen des kubanischen Außenministeriums mindestens 36 US-amerikanische und ausländische Unternehmen wegen Geschäften mit Kuba zu Strafen in Höhe von insgesamt 2,6 Milliarden US-Dollar verurteilt (ohne den Fall BNP Paribas).

Für die vollständige Aufhebung der Blockade bräuchte Obama die Zustimmung des Kongresses – und die ist äußerst unwahrscheinlich. Denn das Verhältnis ist vergiftet und von Konfrontation und Misstrauen geprägt. Zwar wandelt sich das Klima gegenüber Kuba in der US-amerikanischen Öffentlichkeit, ein radikaler Wandel ist unter Obama aber wohl nicht mehr zu erwarten. Oder doch? akn

** Aus: neues deutschland, Montag, 27. Oktober 2014



In den USA wächst der Widerstand gegen die Kuba-Sanktionen

Führende Medien in den Vereinigten Staaten plädieren für eine Normalisierung der Beziehungen zu Havanna

Von Volker Hermsdorf; Havanna ***


Wenige Tage vor der Abstimmung über den Antrag Kubas zur erneuten Verurteilung der seit über 50 Jahren von Washington aufrechterhaltenen Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade am Dienstag in der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York, forderten einflussreiche Medien und Experten in den USA deren Aufhebung. Gemeinsames Anliegen aller Vorstöße ist eine Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Das Startsignal gaben die Herausgeber der angesehenen Tageszeitung New York Times am 11. Oktober mit einem weltweit beachteten Leitartikel, in dem US-Präsident Barack Obama zur Beendigung der Blockade aufgefordert wurde. Zwei Tage danach präsentierten die US-amerikanischen Analysten William M. Leogrande und Peter Kornbluh gemeinsam mit ihren kubanischen Kollegen Elier Ramírez und Esteban Morales in der Zentrale des Schriftsteller- und Künstlerverbandes (UNEAC) in Havanna ihre jeweils aktuellen Buchveröffentlichungen über die Beziehungen zwischen Kuba und den USA. In dem am gleichen Tag in den Vereinigten Staaten erschienenen Werk »Back Channel to Cuba« beschreiben die US-Autoren geheime Treffen zwischen Vertretern beider Länder zur Zeit der Präsidenten Kennedy, Ford und Johnson. Die weitestgehenden Versuche einer Annäherung hatte es demnach zur Amtszeit von Präsident James Carter in den Jahren 1977/1978 gegeben. Leogrande und Kornbluh sagten, dass die Chancen zur Normalisierung der US-amerikanisch-kubanischen Beziehungen für Obama so groß seien wie nie zuvor in den vergangenen Jahrzehnten. Die Experten empfahlen dem Präsidenten, dafür das 7. Gipfeltreffen Amerikanischer Staaten im April nächsten Jahres in Panama zu nutzen, zu dem Kuba erstmals eingeladen ist. Den gleichen Vorschlag hatten auch die Herausgeber der New York Times gemacht.

Deren Vorstoß griff Revolutionsführer Fidel Castro am 14. Oktober in einem längeren Artikel in der Tageszeitung Granma auf, dem Zentralorgan der kubanischen KP. Castro bewertete die Vorschläge als »nützlich« und unterstrich die Vorteile einer Zusammenarbeit bei globalen Problemen wie dem Klimawandel und der Beseitigung von Waffen, die das Überleben der Menschheit gefährdeten. Gemeinsame Herausforderungen seien auch die ausreichende Versorgung der Weltbevölkerung mit Lebensmitteln und Trinkwasser. In einem weiteren Artikel bot Castro den USA eine sofortige Kooperation bei der Bekämpfung des Ebola-Virus an (jW berichtete). Dies wiederum wurde von zahlreichen Medien der USA positiv hervorgehoben. Große überregionale Tageszeitungen wie die Washington Post, abermals die New York Times und die nationalen TV-Sender bezeichneten die Hilfe Kubas im Kampf gegen Ebola als »vorbildlich«. Als erster ranghoher Politiker lobte auch US-Außenminister John Kerry den kubanischen Einsatz in Afrika vor Diplomaten in der US-Hauptstadt und nannte ihn »beeindruckend«.

Die neuen Töne einiger US-Medien und Politiker in Washington gegenüber Kuba deuten einerseits auf eine Chance zur Verbesserung der Beziehungen hin, sollten andererseits aber nicht über die wahren Motive für eine Annäherung auf US-amerikanischer Seite hinwegtäuschen. »Die Gründe sind weit davon entfernt, humanitär zu sein«, kommentiert José Manzaneda, Koordinator des Onlineportals Cubaninformacion, die Avancen. So fordere die New York Times das Ende der anachronistischen Blockade nicht etwa deswegen, um die Angriffe auf die kubanische Wirtschaft und Bevölkerung einzustellen, sondern weil sie mittlerweile den ökonomischen Interessen der US-Unternehmen selbst mehr schade als nütze. »Die USA überlassen den kubanischen Markt ihren Konkurrenten Russland und China«, begründete die New York Times ihren Appell. Als zweiter Grund wird die Verbesserung der Chancen für die politische Einflussnahme in Kuba genannt. Eine Normalisierung »eröffne neue Möglichkeiten, um die Zivilgesellschaft in Kuba zu stärken«, heißt es weiter. Den Begriff »Zivilgesellschaft« verwenden US-Medien in der Regel zur verharmlosenden Beschreibung von Systemgegnern. Nach dem aus der bundesdeutschen Außenpolitik gegenüber der DDR bekannten Muster »Wandel durch Annäherung« setzt Washington also nur scheinbar auf eine neue Politik gegenüber Havanna. Das Ziel bleibt das Gleiche wie immer: Die Veränderung des Gesellschaftssystems und die Beseitigung des Sozialismus in Kuba.

Trotzdem liegt eine Normalisierung der Beziehungen zum nördlichen Nachbarn auch im Interesse Havannas. Ob es dafür in den USA eine Bereitschaft gibt, dürfte nicht zuletzt vom Ergebnis der dortigen »Zwischenwahlen« am 4. November abhängen. Charlie Crist, Gouverneurskandidat der Demokratischen Partei in Florida, dem Zentrum der ultrarechten Exilkubaner, fordert in seinem Wahlkampf die Aufhebung der Blockade. Wird er mit dieser Aussage gewählt, dürfte das auch die Obama-Administration beeinflussen. Laut New York Times sind mittlerweile gut 52 Prozent der US-Bevölkerung für die Beendigung der Blockade gegen Kuba.

*** Aus: junge Welt, Montag, 27. Oktober 2014

Wie ticken die Staaten der Welt?

Hier geht es zu einem Dokument der Vereinten Nationen, das in vielfacher Hinsicht aufschlussreich ist. Der UN-Generalsekretär befragte die Staaten und zahlreiche internationale Organisationen nach ihren Beziehungen zu Kuba. Das Ergebnis spricht eine eindeutige Sprache: Die Blockade-Politik der USA wird einmütig zurückgewiesen.
Hier geht es zu dem Dokument: Necessity of ending the economic, commercial and financial embargo imposed by the United States of America against Cuba [40]: report of the Secretary-General (A/69/98)
Tuesday, 28 October




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