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UNO-Vollversammlung watscht die USA ab

Neuer Rekord bei der Verurteilung der Kuba-Blockade

Von Leo Burghardt, Havanna *

Als Sieg feierten Kubas Medien am Mittwoch die Entscheidung der UN-Vollversammlung, das USA-Embargo gegen Kuba zu verurteilen. 187 der 192 Mitgliedstaaten billigten eine Resolution, die an alle Staaten appelliert, das Embargo der US-Amerikaner zu ignorieren und freien Handel mit Kuba zu treiben.

Die Geschichte wiederholt sich Jahr für Jahr: Am Mittwoch hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen zum 18. Mal in Folge über eine von Kuba eingebrachte Resolution abgestimmt, in der die Regierung der Vereinigten Staaten aufgefordert wird, ihre vor einem halben Jahrhundert über Kuba verhängte »menschenfeindliche Blockade« zu beenden. Das war der Kern aller kubanischen Resolutionen seit 1992. Damals beschränkte sich die Zustimmung auf 59 Staaten, drei waren dagegen, 71 enthielten sich und 46 nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Seitdem nahm die Zahl der Blockadegegner von Jahr zu Jahr zu, so dass die US-amerikanischen UNO-Delegierten seit dem Jahr 2000 darauf verzichteten, Lobbyarbeit zu verrichten. Sie war angesichts der wachsenden Front der Blockadegegner, die sich offen zu ihrer Haltung bekannten, sinnlos geworden. Dennoch wurden unter George W. Bush die Schrauben sogar noch fester angezogen. Doch so klar wie unter Barack Obama wurde die Blockade von der UNO-Vollversammlung noch nie verurteilt: 187 für die kubanische Resolution, drei dagegen (Israel, die USA und Palau), Enthaltungen zwei (Mikronesien und die Marshallinseln). Die Beschlüsse der Vollversammlung sind freilich nicht bindend.

Im September hatte Obama der Öffentlichkeit mitgeteilt, er habe entschieden, das aus dem Weltkriegsjahr 1917 herrührende »Gesetz über den Handel mit dem Feind« für weitere zwölf Monate gelten zu lassen. Das Gesetz war in den 60er Jahren aktualisiert und später ausdrücklich allein auf Nordkorea und Kuba beschränkt worden, bis George W. Bush Nordkorea von der Schwarzen Liste entfernte.

Nicht nur auf dem Gipfel der Staaten Amerikas wurde der US-amerikanische Präsident angesprochen, wieso denn offensichtlich auch er an dieser nicht nur menschenfeindlichen (denn zuallererst leidet ein Volk unter diesen Repressalien), sondern zugleich absurden Blockade festzuhalten gedenkt, die außerdem einer solideren Wiederannäherung USA-Lateinamerika im Wege steht Obama sinngemäß darauf: Er habe ja bereits einiges für die Entspannung getan wie unbeschränkte Reisen von Kuba-Amerikanern nach Kuba sowie unbeschränkte Geldüberweisungen zu gestatten, mit den kompetenten Institutionen Kubas die Wiederaufnahme des direkten Postverkehrs zu verhandeln, die Emigrationsverhandlungen wieder aufzunehmen und die Installation von 177 Kilometer Spezialunterwasserkabel zwischen Florida und Kuba zu genehmigen. Kuba ist das einzige Land der westlichen Hemisphäre, das auf Grund der Blockade keine Kabelverbindung zum Rest der Welt hat. Es muss sie über Satelliten herstellen, was langsamer und teurer ist.

Obama meint, das sei vorerst genug, nun sei Kuba an der Reihe. Havanna indessen weist darauf hin, dass die wesentlichen Säulen der Blockade, die das Land bis dato geschätzte 96 Milliarden Dollar gekostet hat, nicht angetastet wurden.

In Kuba war Obamas Wahl zum Präsidenten einhellig begrüßt worden. Aber Fidel Castro warnte schon Anfang des Jahres in einem seiner Artikel vor Illusionen. Obama, schrieb er, sei in den USA geboren worden, wurde dort erzogen, machte dort Politik und hatte dort Erfolg. Alles innerhalb des imperialistischen Systems. Er möchte dieses System nicht ändern, und er kann es auch nicht. Kurios sei, dass die Ultrarechten ihn trotzdem hassen und versuchen, ihn um den geringsten politischen Preis kaltzustellen, sein Programm zu hintertreiben und ihn derart zu verschleißen.

Die Abstimmung in der UNO-Vollversammlung ist eine Schlappe für die USA und Obama und ein guter Tag für Kuba: Denn die sozialistische Karibikinsel erhielt zudem ausdrückliches Lob von der Weltgesundheitsorganisation. WHO-Chefin Margaret Chan lobte das öffentliche Gesundheitssystem Kubas und verwies auf günstige Indikatoren wie »die hohe Lebenserwartung, die sehr niedrige Kindersterblichkeitsrate«. Und sie fügte hinzu: »Ich muss sagen, dass es für ein Land mit diesem wirtschaftlichen Entwicklungsstand nicht leicht ist, so gute Gesundheitsindikatoren zu erreichen.«

* Aus: Neues Deutschland, 30. Oktober 2009


Fast alle für Kuba

187 Staaten stimmen in der UNO für die Aufhebung der Blockade. Nur USA, Israel und Palau dagegen. Washington will Forderung der Weltgemeinschaft erneut ignorieren

Von Santiago Baez **

Die Welt verurteilt nahezu einstimmig die Blockade der USA gegen Kuba. Mit einem erneuten Rekordergebnis hat die UN-Vollversammlung in New York am Mittwoch zum achtzehnten Mal in Folge eine von der kubanischen Regierung eingebrachte Resolution verabschiedet, in der die sofortige Aufhebung des Handels- und Wirtschaftsembargos gegen die Insel gefordert wird. 187 der 192 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmten für den Antrag, zwei mehr als vor einem Jahr. Daß El Salvador nach der Regierungsübernahme durch die Kuba verbundene frühere Befreiungsbewegung FMLN erstmals gegen die Blockade stimmen würde, war erwartet worden, aber daß sich auch der Irak mit seiner Stimme gegen die Besatzungsmacht USA stellte, darf als Überraschung gelten. Gegen die kubanische Resolution und damit für die Aufrechterhaltung des Embargos stimmten nur die üblichen Verdächtigen: neben den Vereinigten Staaten selbst Israel und die gut 20000 Einwohner zählende Pazifikrepublik Palau. Die Marshall-Inseln und Mikronesien enthielten sich.

Nichts geändert

Bei seiner Rede in New York benannte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla anhand konkreter Beispiele, wie die Blockade das Leben der Kubanerinnen und Kubaner gefährdet: »Alexis García Iribar wurde in der Provinz Guantánamo mit einem Herzleiden geboren. Bereits im Alter von sechs Jahren mußte er am 9. März 2009 am offenen Herzen operiert werden, weil die Regierung der Vereinigten Staaten es den nordamerikanischen Unternehmen NUMED, AGA und Boston Scientific verbietet, Kuba die notwendigen Geräte für kinderärztliche Katheteruntersuchungen zu verkaufen, mit denen chirurgische Eingriffe vermieden werden könnten.« Seit dem Regierungsantritt von Barack Obama habe sich an der Umsetzung der Blockade durch Washington nichts geändert.

Die US-Administration ihrerseits macht keinen Hehl daraus, daß sie die Forderung der Weltgemeinschaft erneut ignorieren will. Während sie in New York darauf verzichtete, das Wort zu ergreifen, spielten sich bei der regelmäßigen Pressekonferenz des US-Außenministeriums, dem State Department, bizarre Szenen ab. Regierungssprecher Ian Kelly mußte erstmal mit Hilfe der anwesenden Journalisten klären, welche Länder eigentlich die USA unterstützt hatten: »Ich glaube, eines war Palau, und welches war das andere?« – »Ich weiß nicht, normalerweise sind es die Salomonen« – »Ich dachte, es wäre Mikronesien« – »Und was ist mit Israel?« Nachdem diese Unklarheiten beseitigt waren, stellte Kelly klar: »Wir glauben nicht, daß es an der Zeit ist, das Embargo aufzuheben.«

Venezuelas Präsident Hugo Chávez erinnerte hingegen daran, daß US-Präsident Barack Obama den Friedensnobelpreis unter anderem für den neuen Respekt der USA für die Vereinten Nationen erhalten solle. »Obama, verdiene dir den Preis«, forderte ihn Chávez auf, »das ist deine Gelegenheit, in die Geschichte einzugehen, und es wäre schade, diese Chance auszulassen«. Das Nobelpreiskomitee in Oslo hatte in seiner Begründung wörtlich geschrieben: »Obama hat als Präsident ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen. Multilaterale Diplomatie mit einer Betonung auf der Rolle, die die Vereinten Nationen spielen können, hat wieder eine zentrale Bedeutung bekommen.«

Widersprüchliche Haltung

Zu den Unterstützern der kubanischen Resolution gehörten alle Mitgliedsländer der Europäischen Union. In einer offiziellen Stellungnahme gegenüber der UNO hatte der Staatenbund zuvor seine Haltung damit begründet, daß durch die US-Embargo-Bestimmungen auch europäische Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen würden. Für den außenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, zeigt sich hier ein Widerspruch in der deutschen Außenpolitik: »Auch Deutschland stimmte für die Aufhebung der US-Blockade. Umso unverständlicher ist es, daß die deutsche Regierung im Rahmen der EU die Initiative des spanischen Außenministers Moratinos, die Beziehungen der EU zu Kuba zu normalisieren, blockieren will.« Die eindeutige Haltung der Weltgemeinschaft solle Kanzlerin Merkel anhalten, von »doppelzüngiger Politik« Abstand zu nehmen. »Doch die Putschverwicklung der FDP-nahen Naumann-Stiftung in Honduras lassen Gegenteiliges befürchten. Auch der Koalitionsvertrag ist auf Konfrontation gerichtet,« warnte Gehrcke.

** Aus: junge Welt, 30. Oktober 2009


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