Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

USA verschärfen ihren Blockadekurs gegen Kuba

Obwohl die Blockadepolitik gegen Havanna selbst im eigenen Land als gescheitert gilt, hält Washington daran fest

Seit 49 Jahren bekämpften die wechselnden US-Administrationen den kleinen Nachbarinselstaat Kuba mit einem gnadenlosen Wirtschaftsboykott - von den gescheiterten militärischen und Geheimdienstoperationen gegen das sozialistische Land ganz zu schweigen. Am 24. Oktober 2007 hielt US-Präsident George W. Bush eine Rede vor Exilkubanern, die den aggressiven Kurs gegen Kuba bekräftigte. Den bevorstehenden Wechsel von Fidel Castro zu seinem jüngeren Bruder Raoul Castro werde er, Bush, nicht hinnehmen. Es müsse verhindert werden, dass die Insel "von einem Diktator zum nächsten übergeht". Kuba sei ein "tropischer Gulag" - eine besonders dreiste Behauptung angesichts des illegalen Skandalgefängnisses, das die USA auf ihrem kubanischen Stützpunkt Guantánamo betreiben. "Wie in allen totalitären Systemen gibt es auch unter Kubas Regime ohne Zweifel Schrecken, die der Welt bisher nicht bekannt sind", sagte Bush. Den Exilkubanern spendete er aber Trost: Das kubanische Regime liege in seinen "letzten Atemzügen". Die internationale Gemeinschaft rief er auf, der Opposition in Kuba zu helfen. Milliarden US-Dollar sollen zusätzlich für einen "Freiheitsfonds" ("multi-billion dollar Freedom Fund") zur Verfügung gestellt werden.
Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag, der in zwei Telen am 24. und 25. Oktober 2007 in der "jungen Welt" erschien, sich aber nicht mit der Rede selbst, sondern mit der US-Politik gegenüber Kuba insgesamt befasst.
Bushs Brandrede gegen Kuba haben wir hier dokumentiert (englisch): "The socialist paradise is a tropical gulag".

Mit dem Holocaust gegen Kuba

In der nächsten Woche wird die US-Blockade gegen die Insel in der UNO verurteilt werden – wie jedes Jahr.

Von Edgar Göll *

Wenn Anfang kommender Woche die Generalversammlung der Vereinten Nationen zusammenkommt, um über die US-Blockade gegen Kuba zu beraten, steht das Ergebnis – wie seit Jahren – fest: Eine überwältigende Mehrheit der UNO-Mitglieder wird die aggressive Politik Washingtons gegen Havanna verurteilen. Im letzten Jahr taten dies bereits 183 der 194 Mitgliedsstaaten, Tendenz steigend. Ungeachtet des immensen Drucks stellt sich die US-Regierung stur. Die völkerrechtswidrige Blockade wird beibehalten.

Erst der zweite Blick in die USA zeigt: Seit Jahren kämpft dort eine Handvoll Abgeordnete der Demokratischen Partei für eine Annäherung an das sozialistische Kuba. Seit die Demokraten wieder die Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses kontrollieren, ist durch ihr Engagement sogar eine bescheidene Diskussion über die Kuba-Politik aufgekommen. Im Januar hatte Charles Rangel, ein langjähriger Demokratischer Abgeordneter aus New York, eine Beschlußvorlage in das Repräsentantenhaus eingebracht, die auf eine Erleichterung des Handels zwischen beiden Ländern abzielte. Mit der Mehrheit seiner Partei im Rücken schien der Erfolg sicher. Doch am Tag der Entscheidung, dem 3. August, gab es lange Gesichter: 66 Abgeordnete der Demokraten hatten die Seite gewechselt und gegen den Antrag gestimmt. Hinter dem Schwenk steckte vor allem eine junge jüdische Abgeordnete aus Florida. Debbie Wasserman Schulz meinte, mit dem Verweis auf den Holocaust (»Das darf nie wieder passieren!«) nun die Menschenrechte in Kuba schützen zu müssen. Durch intensive Lobbyarbeit – und Spenden von Exilkubanern – hat sie etliche Parteifreundinnen und -freunde umgestimmt.

Es war wie ein Déjà-vu: Auch beim Irak-Krieg haben es die Demokraten bislang nicht geschafft, eine profilierte Oppositionspolitik zur Regierung zu entwickeln. Die Mehrheit ihrer Spitzenpolitiker will offenbar vermeiden, im beginnenden Wahlkampf als unpatriotisch dargestellt zu werden.

Ende August hat sich auch der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Barack Obama, in Sachen Kuba-Politik wortstark in die Debatte eingemischt. »Eine demokratische Öffnung Kubas sollte das allerwichtigste Ziel unserer Politik sein«, sagte er. Obama möchte einerseits »Freiheit« auf der Insel erreichen und andererseits über die »Demokratisierung« Kubas nach dem Abtritt Fidel Castros verhandeln. Bushs Kuba-Politik, sagt der Oppositionspolitiker, bestehe aus großen Gesten, mache die Kubaner aber abhängiger von der derzeitigen Regierung. Kritisiert wird etwa die Beschränkung von Geldüberweisungen von Familienangehörigen in den USA nach Kuba, oder der restriktivere Umgang mit Reisen auf die Insel. Der Demokrat hingegen will »helfen, das kubanische Volk unabhängiger von seiner Regierung zu machen«. Mittel dazu sei eine »aggressive Diplomatie«: »Wenn eine Regierung nach Fidel Castro Kuba für demokratische Reformen öffnen sollte, dann sind die USA bereit, eine Normalisierung der Beziehungen einzuleiten«, sagte er – eine Lockerung des Embargos eingeschlossen. Mit Obama würde also mehr Pragmatik ins Weiße Haus einziehen, jedoch kein grundsätzlicher Politikwechsel.

Auf einer Wahlkampftour durch Florida hat sich am 8. September aber auch ein anderer Präsidentenanwärter der Demokratischen Partei zur Kuba-Politik geäußert, und zwar erstaunlich klar. Wenn er Präsident würde, sagte der langjährige Senator Christopher Dodd, würde er das Jahrzehnte währende »Embargo« gegen Kuba aufheben, die Reisebeschränkungen lockern, das aggressive Helms-Burton-Gesetz aufheben, die antikubanische Fernsehstation TV Marti auflösen, normale diplomatische Beziehungen aufnehmen und die Beziehungen zu Havanna verbessern. Von dem Ziel eines Systemwechsels nimmt aber auch er keinen Abstand. Trotzdem steht er mit seiner Linie aussichtslos dar. Die exilkubanische Lobby wird einer solchen Annäherung hartnäckigen Widerstand entgegensetzen.


Millionen Dollar gegen Kuba

Die Regierung von George W. Bush setzt weiter auf politische Angriffe gegen Kuba. Der Washingtoner Senat bewilligte am 6. September einen Antrag von Präsident George W. Bush auf 47 Millionen US-Dollar zur Finanzierung von Oppositionsgruppen in Kuba. Dieser Trend steht der öffentlichen Meinung diametral entgegen. In Meinungsumfragen äußern sich US-Bürger seit Jahren mehrheitlich für eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba. In Fachkreisen ist es schon lange Konsens, daß die bisherige Politik gegenüber Havanna versagt hat, denn objektiv betrachtet wurde keines der Ziele Washingtons erreicht. Selbst überparteiliche Kommissionen fordern daher seit Jahren in umfangreichen Berichten eine Änderung der Politik.

In einem Interview mit der in Berlin erscheinenden tageszeitung hat Julia Sweig, die Leiterin der Lateinamerika-Abteilung des regierungsnahen US-Think-Tanks Council for Foreign Relations, Bushs Politik Ende Juli verrissen: »Die US-Sanktionen sind erfolglos, Kuba unterhält diplomatische und Handelsbeziehungen zu rund 160 Ländern. Dafür haben wir keinerlei positive Einflußmöglichkeiten auf die Insel vor unserer Haustür.« Washington gehe leider davon aus, daß in Kuba keine Politik stattfinde, so Sweig. Dieser Glaube halte sich wegen des bestehenden Ein-Parteien-Systems. »Doch Castro und seine Garde sind Politiker, die ihr Volk sehr gut verstehen. Sie sind meisterhaft darin, mit Erwartungen und Stimmungen der Bevölkerung umzugehen. Daher gab es nach dem Rückzug Castros auch keine Unruhen.« Kuba komme auch ohne den »Máximo Líder« gut klar, so Sweigs realistisches Urteil ein Jahr nach Fidel Castros Rückzug aus der Politik.

Daß sich ein solcher Realismus auch im Weißen Haus durchsetzt, ist jedoch wenig wahrscheinlich. Dabei spielt die Zeit für Kuba: Dessen Wirtschaft erholt sich spürbar von der schwierigen Periode nach der Auflösung des europäischen Realsozialismus. Öl- und Gasfunde im Land verbessern die Energieversorgung und Kuba gliedert sich stärker als zuvor in den lateinamerikanischen Markt ein. Beziehungen zu China, Indien und anderen Staaten des Südens stützen diesen Erfolgskurs.

Anders als in den USA haben sich Kubas Politikmodelle bewährt. Die Sozial- und Umweltpolitik der vergangenen Jahre zeigt positive Resultate. Eine Untersuchung des Global Footprint Network und des World Wildlife Fund for Nature bestätigte Kuba vor wenigen Monaten eine nachhaltige Politik. In dem Bericht »Living Planet Report 2006« wurden Daten von 150 Nationen zusammengestellt. Dabei wurden sowohl die sozialen als auch die ökologischen Zustände eingeschätzt. Die Analysten orientierten sich dabei z. B. an dem Pro-Kopf-Verbrauch von Ressourcen. Denn während Industrieländer in der Regel weit über ihre ökologischen Verhältnisse leben – allen voran die USA –, werden in Entwicklungs- und Schwellenstaaten oft soziale Mindeststandards nicht erreicht. Vor dem Hintergrund dieses Mißverhältnisses könne Kuba auf beiden Seiten Erfolge vorweisen, in der Sozial- und in der Umweltpolitik.

Tatsächlich sind die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Sozial- und Umweltpolitik in Kuba gegeben. Zahlreiche Gesetze und Aktionsprogramme zielen auf eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und der Umweltverschmutzung hin. 2006 etwa begann das »Jahr der Revolution im kubanischen Energiesektor«. Inzwischen ist durch die Verwendung effizienterer Geräte und einer modernisierten Infrastruktur eine Energieeinsparung nachweisbar. Doch gerade diese Erfolge provozieren die Hardliner in Washington. So könnte sich George W. Bush am Ende der letzten Amtszeit doch noch zu einer unüberlegten Reaktion gegen das kleine Land, das die Supermacht bloßstellt, hinreißen lassen. Für Kuba bleibt nichts anderes übrig, als weiterhin wachsam zu sein.

* Dieser Beitrag erschien in zwei Teilen am 24. und 25. Oktober 2007 in der Zeitung "junge Welt", und zwar unter den Titeln: "Mit dem Holocaust gegen Kuba" und "Millionen Dollar gegen Kuba"


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