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Korea: Chronik wichtiger Ereignisse

Januar 2004

1. bis 4. Januar
  • Nordkorea hat scharfe Maßnahmen für den Fall angekündigt, dass die USA an ihrer harten Linie gegenüber Pjöngjang festhalten. Zugleich erklärte sich die nordkoreanische Führung am Donnerstag in ihrer Neujahrsbotschaft zu einer friedlichen Beilegung der Atomkrise bereit. Wegen Washingtons "extrem feindlicher Politik" gegenüber Pjöngjang sei die Lage auf der koreanischen Halbinsel derzeit Besorgnis erregend, hieß es in der am 1. Jan. in drei Parteizeitungen veröffentlichten Erklärung. Die Streitkräfte werden aufgefordert, zur "Stärkung der anti- imperialistischen Front" die "größten Anstrengungen" zu unternehmen.
  • Nordkorea will offenbar einer amerikanischen Delegation Zutritt zu seinem Atomkomplex in Yongbyon gewähren, berichtete die Zeitung "USA Today" am 2. Jan. Bereits in der kommenden Woche werde eine amerikanische Delegation nach Nordkorea reisen. Das südkoreanische Außenministerium bestätigte die Darstellung der Zeitung.
  • Die USA, Japan und Südkorea wollen Nordkorea Medienberichten zufolge auch an der friedlichen Nutzung von Atomenergie hindern. Die Verbündeten wollten Nordkorea auffordern, alle seine Nuklearanlagen zu beseitigen, berichtete die japanische Zeitung "Yomiuri" am 3. Jan. unter Berufung auf Regierungskreise. Vertreter der drei Staaten hätten sich im Dezember darauf verständigt, dass Nordkorea aus Sicherheitsgründen nicht gestattet werden sollte, "Atomanlagen selbst zur Stromerzeugung oder für andere zivile Zwecke zu betreiben".
5. bis 11. Januar
  • Nordkorea hat einen Verzicht auf sein Atomprogramm gegen weitgehende Zugeständnisse der USA in Aussicht gestellt. Bei dem Angebot handele es sich um eine "erste Phase" auf dem Weg zu einer "Paketlösung" der Nuklearkrise, meldete die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am 6. Jan. Aus nordkoreanischer Sicht seien dies "mutige Zugeständnisse". Das Verzichtsangebot umfasse das Testen und die Herstellung von nuklearen Waffen sowie den Betrieb ziviler Atomkraftwerke, hieß es bei KCNA weiter. Washington müsse aber "gleichzeitig" zu den Zugeständnissen Pjöngjangs seine Sanktionen aufheben und Nordkorea von der Liste der Länder streichen, die den Terrorismus unterstützen. Zudem werde von den USA die Wiederaufnahme ihrer Treibstofflieferungen erwartet. Bislang verlangte das Regime in Nordkorea von den USA einen Nichtangriffspakt als Voraussetzung für die Aufgabe seines Atomprogramms. Auf der anderen Seite lehnen die USA gleichzeitige Zugeständnisse ab und bestehen auf einem schrittweisen Ablauf.
    Südkoreanische Regierungsbeamte sagten in Seoul, die Initiative des nördlichen Nachbarlandes enthalte auf den ersten Blick nichts Neues, belege aber die Gesprächsbereitschaft Pjöngjangs.
  • Am 6. Jan. trafen zwei US- Delegationen in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang ein. Sie sollen in den kommenden Tagen möglicherweise die umstrittene Atomanlage von Yongbyon besuchen.
  • Südkorea hat Nordkoreas Angebot eines Verzichts auf sein Atomprogramm begrüßt. Nordkorea habe dadurch seinen Willen zur Lösung des Streits bekräftigt, sagte Außenminister Yoon Young Kwan am 7. Jan. in Seoul. Zuvor hatte bereits US-Außenminister Colin Powell die Initiative aus Pjöngjang begrüßt.
  • Die USA wollen Nordkorea keine Sicherheitsgarantien geben, solange der Staat nicht nachweislich auf den Bau von Atomwaffen verzichtet. Das bekräftigte US-Außenminister Colin Powell am 8. Jan. in Washington. Pjöngjang müsse einwilligen, Belege für seinen in Aussicht gestellten Verzicht auf Nuklearwaffen zu liefern. Ferner müsse der Verzicht dauerhaft sein. Wenn diese Bedingungen erfüllt seien, werde Washington die Sicherheitszusagen beschreiben, zu denen es bereit sei.
  • Anders als Libyen ist Nordkorea nicht zu einem Verzicht auf Massenvernichtungswaffen bereit. Hoffnungen, dass Pjöngjang dem libyschen Beispiel folgen könnte, würden sich nicht erfüllen, hieß es am 9. Jan. in einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA. Ereignisse im Nahen Osten wie der Verzicht Libyens auf diese Waffen oder die US- Invasion in Irak hätten keinen Einfluss auf Nordkorea, sagte ein Sprecher des nordkoreanischen Außenministeriums. "Einen Wandel in unserer Haltung zu erwarten, ist wie das Warten auf Regen bei klarem Himmel", zitierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap aus dem Bericht von KCNA. (Im Dezember hatte Libyen nach Geheimgesprächen mit den USA und Großbritannien erklärt, künftig auf Massenvernichtungswaffen verzichten zu wollen. Tripolis hofft nach diesem Schritt auf eine Aufhebung der gegen das Land verhängten Sanktionen. Die USA haben die Hoffnung geäußert, dass andere Staaten dem Beispiel Libyens folgen.)
  • Eine US-Delegation hat in Nordkorea nach eigenen Angaben die umstrittene Atomanlage Yongbyon besichtigt. Das nordkoreanische Außenministerium habe die Delegation eingeladen, sagte der Uni-Professor John Lewis am 10. Jan. auf dem Pekinger Flughafen während der Rückreise seines Team nach dem fünftägigen Nordkorea-Besuch. Die Delegation habe eine Liste mit Gesuchen überreicht, und Pjöngjang habe alle diese Bitten erfüllt. Lewis und der Atomforscher Sig Hecker wollten keine näheren Einzelheiten bekannt geben. Sie wollten zunächst die US-Regierung über ihren Besuch informieren.
  • Die am 10. Jan. aus Nordkorea zurückgekehrte inoffizielle US-Delegation hat bei ihrem Besuch nach Informationen der "Washington Post" Zugang zu aufbereitetem Plutonium bekommen. Beamte in Nordkorea hätten den Besuchern einen Stoff gezeigt, den sie als kürzlich aufbereitetes Plutonium ausgaben, berichtete die Zeitung am 11. Jan. unter Berufung auf einen US-Regierungsbeamten. Nordkoreanische Gesprächspartner hätten der US-Delegation zugesichert, dass das Plutonium "auf Eis gelegt" werden solle, um eine Lösung im Atomstreit zu ermöglichen.
12. bis 18. Januar
  • Die EU-Kommission hat Nordkorea fünf Millionen Euro für die Versorgung hungernder Kinder zur Verfügung gestellt. Das Geld solle helfen, "die Leben schwer unterernährter Kinder in neun Provinzen zu retten", teilte die für humanitäre Hilfe zuständige Abteilung der Kommission am 12. Jan. mit.
  • Nordkorea hat den USA unter Bedingungen angeboten, seine Kapazitäten zur Herstellung von waffenfähigem Plutonium auf Eis zu legen. Das Angebot zum Einfrieren der entsprechenden Reaktoren gelte, wenn die USA im Gegenzug zu "Kompensationen" bereit seien, zitierte die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am 12. Jan. einen Sprecher des Außenministeriums in Pjöngjang. Dies sei dann als ein erster Schritt hin zu einem vollständigen Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms zu verstehen.
  • China hat die Hoffnung auf eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen über das nordkoreanische Atomprogramm geäußert. "Wir hoffen, dass die zweiten Sechs-Parteien-Gespräche zu einem frühen Zeitpunkt stattfinden und eine friedliche Lösung vorantreiben können", sagte ein Sprecher des Außenministeriums, Kong Quan, am 13. Jan. in Peking. Berichte, wonach die Gespräche bereits im Februar beginnen sollten, wollte er jedoch nicht kommentieren. Quan bestätigte weiter, dass China Nordkorea Finanzhilfen in Aussicht gestellt hat.
  • Ungeachtet der internationalen Spannungen um das nordkoreanische Atomprogramm hat die EU in Pjöngjang eine Handelskammer eröffnet. Das Korea-Europa-Zentrum für technologische und wirtschaftliche Dienstleistungen ist eine Zweigstelle der EU-Handelskammer in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Seine Aufgabe ist es, europäischen Unternehmen den Weg in den nordkoreanischen Markt zu ebnen. Dazu zählt die Unterstützung bei der Suche nach Geschäftspartnern und Investitionsmöglichkeiten, beim Umgang mit den Behörden und der Überwindung der Sprachbarriere. Das Büro mit zwei Beschäftigten öffnete bereits am 5. Jan. (AP-Meldung vom 13. Jan.)
  • Die USA wollen bis Ende 2007 ihre Truppen aus der südkoreanischen Hauptstadt Seoul abziehen. Alle etwa 7.000 Soldaten sollten in eine neue Militärbasis in Pyeongtaek rund 70 Kilometer südlich der Hauptstadt verlegt werden, teilte das südkoreanische Verteidigungsministerium am 18. Jan. mit. Darauf hätten sich Südkorea und die USA in der vergangenen Woche bei Gesprächen auf Hawai geeinigt. Das südkoreanische Parlament muss das Abkommen noch billigen. Die Opposition meldete Widerstand an und erklärte, der Abzug werde ein "Sicherheitsvakuum" in der Hauptstadt hinterlassen. Seoul liegt in nur 50 Kilometern Entfernung von der Grenze zu Nordkorea.
19. bis 25. Januar
  • Aus Mangel an Spenden streicht das Welternährungsprogramm (WFP) im Januar Hilfen für rund 2,7 Millionen Menschen in Nordkorea. Wie ein Sprecher der Organisation in Peking am 19. Jan. mitteilte, sagten zwar die USA, die EU und Australien im Dezember neue Hilfslieferungen zu. Es könne jedoch noch drei Monate dauern, bis diese in Nordkorea einträfen. Ohne weitere Spenden falle bis zum Ende des Winters möglicherweise die Unterstützung für fast vier Millionen Menschen weg. Betroffen seien vor allem Frauen und Kinder.
  • Nordkorea lässt Oppositionelle einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) zufolge systematisch hungern. Die Regierung in Pjöngjang richte die Verteilung von Lebensmitteln an politischem Wohlverhalten aus, hieß. "Politisch loyale" und "wirtschaftlich aktive" Landsleute würden durch Lebensmittelzuteilungen belohnt und als beispielhaft dargestellt; Regierungskritiker würden dagegen durch Rationierung bestraft. Bereits Schulkinder müssten öffentlichen Hinrichtungen von Menschen zusehen, die Lebensmittel oder anderes zum bloßen Überleben gestohlen hätten. Der Autor des auf dem Weltsozialforum in Bombay vorgelegten Berichts, Rajiv Narayan, appellierte an die Geberländer der internationalen Gemeinschaft, Lebensmittelhilfen an Nordkorea zwar nicht als Druckmittel einzusetzen, aber die Menschenrechtsfrage mit diesem "Dialog" zu verbinden. Narayan forderte besseren Zugang für unabhängige Beobachter.
  • Der iranische Präsident Mohammed Chatami hat nordkoreanische Lieferungen von Nuklearmaterial an Iran dementiert. Er weise diesen Vorwurf "kategorisch" zurück, sagte Chatami am 21. Jan. vor Journalisten am Rande des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos. "Wir haben nichts zu verbergen." Iran sei strikt gegen die Produktion von Atomwaffen, das nationale Nuklearprogramm diene allein friedlichen Zwecken.
  • Bei einem Besuch in Nordkorea habe er keine Hinweise darauf gesehen, dass das Land zum Bau einer Atombombe in der Lage ist. Das erklärte der frühere Leiter des US- Atomlabors in Los Alamos, Siegfried Hecker, am 21. Jan. in Washington. Das Land könne aber wahrscheinlich das für den Bau einer Bombe nötige Plutonium herstellen. Nordkorea hatte vor einem Jahr seinen Atomreaktor sowjetischer Bauart in Yongbyon wieder angefahren.
  • Das Nuklearpotenzial Nordkoreas stellt nach Einschätzung von IAEA-Chef Mohamed el Baradei die weltweit größte Herausforderung beim Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen dar. "Die Nordkorea-Krise ist derzeit der gefährlichste Punkt bei der Nichtverbreitung", sagte der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde am 22. Jan. am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos.
  • Nach 50-jähriger Kriegsgefangenschaft ist ein südkoreanischer Soldat am 28. Jan. in seine Heimat zurückgekehrt. Der Teilnehmer des Korea-Kriegs von 1950 bis 1953 wurde nach einer Meldung der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap von chinesischen Soldaten gefangen genommen, die damals an der Seite Nordkoreas kämpften. Vor einiger Zeit gelang es ihm mit Hilfe einer südkoreanischen Gruppe, aus Nordkorea zu fliehen und vor seiner Rückkehr in China unterzutauchen. Erst im Dezember war ein weiterer Kriegsgefangener nach Südkorea zurückgekehrt; er wurde in der vergangenen Woche offiziell aus der Armee entlassen. Die beiden koreanischen Staaten befinden sich offiziell weiter in einem Kriegszustand, da die Kämpfe 1953 nur mit einem Waffenstillstand beendet wurden.
  • Das japanische Unterhaus hat am 29. Jan. ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung die Verhängung von unilateralen Wirtschaftssanktionen gegenüber Nordkorea ermöglicht. Damit soll der Druck auf Nordkorea erhöht werden, die Kinder von fünf in den 70er und 80er Jahren entführten japanischen Staatsbürgern, die inzwischen nach Japan ausreisen durften, ebenfalls ausreisen zu lassen. (NZZ, 30.01.04)


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