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Rückschlag für USA-Militärbasen

Gericht in Kolumbien suspendiert Abkommen

Von Harald Neuber *

Der Oberste Gerichtshof Kolumbiens hat ein Armeeabkommen zwischen Kolumbien und den USA suspendiert. Die Regierung muss nun nachbessern.

Die Anwaltsorganisation »José Alvear Restrepo« hält das Militärabkommen, das den USA die Nutzung von sieben Militärbasen in Kolumbien erlaubt, schlicht für verfassungswidrig. So weit ging der Oberste Gerichtshof in Bogotá nicht. In der Gerichtsentscheidung, die vom Vorsitzenden Richter Maruricio González verkündet wurde, gaben die obersten Richter den Kritikern in Teilen Recht. Allerdings folgten sie nicht der Meinung, dass die Nutzung der kolumbianischen Militärstützpunkte durch die US-Armee die Souveränität des südamerikanischen Landes verletze und damit verfassungswidrig sei. Anders als die links regierten Staaten Venezuela, Ecuador und Nicaragua verbietet das kolumbianische Grundgesetz die Präsenz ausländischer Truppen auf dem Staatsgebiet nicht. Damit ist die Militarisierung nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben: Ebenso wie Ex-Präsident Álvaro Uribe, der den Vertrag geschlossen hatte, verfügt der seit 7. August amtierende Staatschef Manuel Santos über eine stabile Mehrheit im Parlament, das nun einzelne vom Gericht kritisierte Absätze nachbessern soll.

Für Innen- und Justizminister Germán Vargas Lleras war es daher ein Leichtes, zu erklären, man werde die Entscheidung der Richter »natürlich« achten.

Die Unterzeichnung der Vereinbarung hatte im vergangenen Jahr massive Kritik anderer südamerikanischer Staaten provoziert. Vor allem das benachbarte Venezuela läuft gegen die Militarisierung durch die USA Sturm, in der es eine Gefahr für die eigene Souveränität sieht. Der Fall wird in der Region dennoch weiter für Debatten sorgen. Just am Dienstag kamen Frauenrechts- und Friedensaktivistinnen in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá zur »Ersten Konferenz der Frauen und Völker gegen die Militarisierung« zusammen. Die Honduranerin Bertha Cáceres - Mitglied der Widerstandsfront gegen das Putschregime in ihrem Land - bezeichnete die geplanten Basen in Kolumbien als »Aggression gegen die Völker Lateinamerikas«. Soziale Organisationen und Friedensbewegungen werden den Widerstand gegen die Stationierung von US-Truppen fortführen, kündigte sie an.

Die Nutzung der Basen wird zugleich das Verhältnis zwischen Bogotá und Venezuela weiter belasten. Die Stützpunkte wären »eine ständige Gefahr für die gesamte Region«, zitierte die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina den venezolanischen Staatschef Hugo Chávez. Dieser hatte am Montag im Interview mit dem staatlichen Fernsehkanal VTV an den Krieg zwischen Irak und Iran in den 80er Jahren erinnert. Auch dieser Waffengang, so wisse man heute, sei von den USA provoziert worden, um die iranische Revolution zu destabilisieren. Mit den Basen in Kolumbien schaffe die Regierung in Bogotá eine Gefahr, die sie später nicht mehr zu kontrollieren vermögen wird, so Chávez.

* Aus: Neues Deutschland, 19. August 2010


Eine Atempause

Richter stoppen US-Basen in Kolumbien

Von André Scheer **


Kolumbiens Richter haben einer besonders groben Verfassungsverletzung durch den früheren Staatschef Álvaro Uribe einen Riegel vorgeschoben. Dieser hatte sich über die Befugnisse des Parlaments hinweggesetzt und auf eine Ratifizierung des Vertrags verzichtet, der den USA die Einrichtung von sieben Militärbasen in dem südamerikanischen Land gestattet. Auslöffeln muß die Suppe nun Uribes Nachfolger Juan Manuel Santos. Doch Mitleid ist fehl am Platz, denn Santos hat sie sich selbst mit eingebrockt. Als damaliger Verteidigungsminister hatte er ein wichtiges Wort mitzusprechen, als die Einrichtung der Basen zwischen Bogotá und Washington ausgekungelt wurde, um einen Ersatz für den von Ecuador geschlossenen Stützpunkt in Manta zu schaffen. Die autoritäre Logik eines Uribe, der nur auf Waffengewalt setzte und auf Recht und Gesetz pfiff, wenn sie ihm im Wege waren, ist ebenso die Logik von Santos. Daran ändern zunächst auch die zaghaften Friedens- und Versöhnungsgesten nichts, die er in den ersten Tagen seiner Amtszeit ausgesendet hatte. Die jüngsten Äußerungen des Staatschefs deuten eher darauf hin, daß er wieder im Gleichschritt mit seinen Generälen marschiert.

Damit dürfte die nächste Krise in Südamerika programmiert sein. Ohne eine Beendigung des seit Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieges in Kolumbien ist dauerhafte Stabilität in der Region unmöglich. Der Konflikt zieht immer wieder die Nachbarländer in seine Gewalt, wie Ecuador und Venezuela, aber auch Brasilien, Peru und Panama immer wieder spüren mußten. Die Hoffnung der in Bogotá Herrschenden aber, den Konflikt militärisch zu lösen, wird nicht aufgehen. 2008 hatten sich die kolumbianischen Militärs ihrem Ziel schon ganz nahe gewähnt, als sie der Guerilla schwere Schläge versetzen und mehrere hohe Comandantes der FARC töten konnten. Doch seither hat sich die Guerilla wieder erholt, wie das kolumbianische Institut »Nuevo Arco Iris« vor wenigen Tagen in einem umfangreichen Report feststellte. Demnach kontrolliert die Staatsmacht zwar die Städte und wichtigsten Produktionszentren, aber nur rund die Hälfte des Landes.

Die Wurzeln dieses Krieges sind politischer und sozialer Natur, deshalb kann es auch nur eine politische und soziale Lösung geben. Die liberale Senatorin Piedad Córdoba und andere einflußreiche Persönlichkeiten Kolumbiens plädieren für einen humanitären Gefangenenaustausch als ersten Schritt zu einer Lösung auf dem Verhandlungsweg. Weitere Militärbasen werden hingegen den Krieg weiter verschärfen, und sie lassen die Gefahr eines Übergreifens des Konflikts auf die Nachbarländer wachsen. Das Urteil der Verfassungsrichter in Bogotá bedeutet deshalb eine Atempause. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Santos hat nun ein Jahr Zeit, sich zu entscheiden, ob er weiter den Kriegspfad seines Vorgängers Uribe einschlagen will oder die Chance zum Umlenken wahrnimmt.

** Aus: junge Welt, 19. August 2010




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