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Quittung für Militärbasen

Venezuela schränkt Handel mit Kolumbien massiv ein. Hillary Clinton verteidigt Ausbau der Militärpräsenz. US-Soldaten erhalten Immunität

Von Humberto Márquez (IPS), Caracas *

Hillary Clinton wollte das Militärabkommen der USA mit Kolumbien gegen Kritik aus lateinamerikanischen Staaten verteidigen. Doch als die Außenministerin am Dienstag in Washington vor die Presse trat, leistete sie einen - selbstverständlich ungewollten - Beitrag dazu, die weitverbreiteten Bedenken zu verstärken. Clinton nach einem Treffen mit ihrem kolumbianischen Kollegen Jaime Bermudez wörtlich: »Das Abkommen schafft keine US-Basen in Kolumbien, es ermöglicht US-Zugang zu kolumbianischen Stützpunkten.« Dieses diene dem Kampf gegen »Drogenhändler, Terroristen und andere illegale bewaffnete Gruppen in Kolumbien«, meinte sie und konterkarierte Bermudez' Beteuerung, daß der »Grundsatz der Nichteinmischung und der Grundsatz der territorialen staatlichen Integrität« geachtet werde.

Diese werde allein schon durch die »Immunitätsklausel« für US-Soldaten in dem Vertragswerk ad absurdum geführt, argumentieren in Kolum­bien selbst seit längerem nicht nur die Gegner einer militärischen Zusammenarbeit mit der imperialistischen Großmacht im Norden. Einer der prominentesten Kritiker, der frühere kolumbianische Verfassungsgerichtspräsident José Gregorio Hernández, bezeichnete die Immunitätsregelung als »in keiner Weise gerechtfertigt«. Die Gefahr bestehe, daß Immunität auch Straffreiheit bedeuten könnte.

Vertrag mit Argentinien

Kolumbiens westlicher Nachbar Venezuela agiert in den Beziehungen zu Bogota zunehmend reservierter. Das wirkt sich vor allem auf den Handel aus; offensichtlich zieht das Land andere Wirtschaftspartner vor. So wurde nach den Auseinandersetzungen über die Nutzung der kolumbianischen Militärbasen durch die USA ein Vertrag über Einkäufe in Argentinien abgeschlossen. Das Abkommen, das am 11. August in Caracas unterzeichnet wurde, beläuft sich auf 1,1 Milliarden US-Dollar und wird die Lage im Bereich der Lebensmittelversorgung in Venezuela absehbar verbessern.

Insgesamt haben die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner, einige ihrer Minister und etwa 70 Vertreter der Wirtschaft in Venezuela 22 Handels- und Kooperationsverträge auf den Weg gebracht. Sie beziehen sich unter anderem auf Zehntausende Automobile, 80000 Tonnen Rindfleisch, 100000 Tonnen Mais, 18000 Tonnen Milch, 9000 Tonnen Sojabohnen und 18 Millionen Eier. Zudem will Venezuela in Argentinien die maschinelle Ausstattung für 40 Jeans-Fabriken erwerben und denkt über den Bau von Weiterverarbeitungsanlagen für Soja nach.

Noch im vergangenen Jahr hatte der Handel zwischen Argentinien und Venezuela einen Wert von nicht mehr als 1,4 Milliarden Dollar, während der zwischen Kolumbien und Venezuela bei 7,3 Milliarden Dollar lag. Es stand sechs zu eins zugunsten von Bogotá, das jetzt die Quittung für seine Unterordnung unter US-Interessen, die nicht Lateinamerikas sein können, erhalten hat. Chávez will nichts mehr nach Kolumbien exportieren und die Importe von dort so gering wie möglich halten.

Preise kontrolliert

Fernández erklärte zu dem Deal: »Wir schaden niemandem.« Der venezolanische Handelsminister Eduardo Samán meinte, Argentinien sei in einer guten Position und könne nach und nach alle bisherigen Importe aus Kolumbien ersetzen und dies zu günstigeren Preisen. Diese würden staatlich kontrolliert, so Samán. Nach dem Abkommen könne der private Sektor zwar Bestellungen plazieren, der Staat aber fungiere als Einkäufer.

An der Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien sind die ersten Auswirkungen des Boykotts bereits spürbar. Kaum ein Lkw verkehrt zwischen den nordostkolumbianischen Departmentos Guajira und Norte de Santander und den westvenezolanischen Staaten Táchira und Zulia. Auf der kolumbianischen Seite der Grenze gelten die größten Sorgen den ausbleibenden Treibstofflieferungen aus Venezuela. Bislang kamen von dort pro Monat rund 4,5 Millionen Gallonen oder 17 Millionen Liter Treibstoff für die kolumbianischen Grenzregionen und zwar zu deutlich günstigeren Preiskonditionen als den sonst üblichen. Venezuela kann sich ein solches Entgegenkommen leisten. Nirgendwo auf der Welt ist Kraftstoff billiger als dort. Der Liter kostet nur vier US-Cent.

Mit Spannung erwartet wird die Reaktion der Schmuggler. Nach Angaben der lokalen Medien schaffen sie im Monat schon jetzt fünf Millionen Gallonen Treibstoff allein zwischen Táchira und Norte de Santander an unbewachten Stellen über die Grenze.

* Aus: junge Welt, 20. August 2009




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