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Kasachstan hat gewählt - welche Wahl hatte Kasachstan?

OSZE sieht Fortschritte - Deutsch-kasachischer Handel wächst

Bei der Wahl in Kasachstan hat die Partei von Präsident Nursultan Nasarbajew erwartungsgemäß die überwältigende Mehrheit der Stimmen erhalten und wird einzige Kraft im Parlament sein. Auf Nasarbajews Partei "Nur Otan" entfielen 88 Prozent der Stimmen und alle 98 Sitze, teilte die Wahlkommission am Sonntag (19. August) mit. Alle anderen Parteien scheiterten an der Sieben-Prozent-Hürde.
Bei der Wahl am Samstag (18. August) waren knapp neun Millionen Kasachen zur Stimmabgabe aufgerufen. Angetreten waren sieben Parteien. Die bisher mit einem Sitz - dem einzigen der Opposition - im Parlament vertretene Liste "Ak Schol" kündigte eine Klage an, um eine Neuauszählung der Stimmen zu erreichen. Die Partei beklagte eine "brutale Manipulation".
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte den Verlauf der Wahl. Besonders bei der Auszählung der Wahlzettel und der Umsetzung neuer Rechtsvorschriften habe das Land sich nicht an die Regeln gehalten. Dennoch sei im Vergleich zu früheren Wahlen ein Fortschritt erkennbar.
Im Folgenden dokumentieren wir eine Analyse der Situation in Kasachstan (Autor: Karl Grobe) sowie ein paar kritische Kommentare zur Wahl und Informationen über die relative Stabilität des Landes und des Regimes.



Alles bleibt in der Familie

VON KARL GROBE

Das Wort "Doping" fällt dem West- und Mitteleuropäer zuerst ein, wenn er den Namen Astana hört. Der unter diesem Namen neuerdings schlecht beleumdete Tour-Rennstall ist auf die Hauptstadt Kasachstans getauft, und die politisch Verantwortlichen dort grämen sich wahrscheinlich. Wie sie sich gegrämt haben, als mit ihrer Republik einige Wochen lang nur Borat, der Film, assoziiert wurde. Kasachstan, 15 Millionen Einwohner, ist ein bedeutendes Erdöl- und Erdgasland nicht nur Zentralasiens, sondern mit dem West-Zipfel auch Europas.

Das politische Astana bewegen derzeit zwei Dinge: die Hoffnung, in zwei Jahren den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen zu können, und die Wahl am morgigen Samstag (18. August).

Weil im Juni 2004, als die Madschilis (das Parlament) das vorige Mal gewählt wurde, nicht alles so zuging, wie es OSZE-Standard entspricht, hat jene in Wien ansässige Organisation gewisse Bedenken, Kasachstan die gewünschte Funktion zu übertragen. Auch die Reformen, die der seit 1989 regierende Präsident Nursultan Nasarbajew Mitte Mai vom Parlament hat beschließen lassen, haben an der Donau nicht gerade überschäumende Begeisterung ausgelöst. Nasarbajew hat einerseits dem Parlament mehr Rechte abgetreten. Andererseits darf der nun 67-Jährige auch nach dem Ablauf seiner siebenjährigen Amtszeit (2012) weiter kandidieren, so oft er will, dann aber nur für jeweils fünf statt sieben Jahre.

Die Zustimmung der bisher 77 Sitze starken Madschilis war ihm gewiss; nur einer der Abgeordneten war ein richtiger Oppositioneller, Alichan Baimenow. Der hatte sich ein Jahr lang geweigert, seinen Sitz einzunehmen. Diesmal tritt seine Partei, die Ak Dschol ("Heller Weg"), wieder an, und zwar jetzt präsidentenfreundlich.

Die Otan-Partei, die eigentliche und eigene des Präsidenten, hatte hingegen 50 Mandate, 26 weitere entfielen auf die Partei seiner Tochter Dariga und andere Nasarbajew-Anhänger. "Die Demokratie entwickelt sich nicht", kritisierte der bisherige Parlamentspräsident Scharmakan Tujakbai 2004. Darigas Partei namens Asan ("Alle gemeinsam") schloss sich im Juni 2006 der Otan ("Vaterland") an. So blieb alles in der Familie. Bleibt es wohl auch. Ernsthafte Aussichten, überhaupt ins Parlament zu kommen, hat als dritte Kraft wohl nur die Vereinigte Sozialdemokratie. Wenn es eine spannende Frage gibt, dann die, wer die Stimmen der Kommunisten erbt, die diesmal Boykott üben - Ak Dschol oder die Sozialdemokraten. Weil 2004 aber alle drei kommunistischen Parteien zusammen nur gut fünf Prozent einsammeln konnten, ist selbst dieser Spannungsbogen kurz. So überraschte eine Umfrage nicht, wonach die Hälfte der Berechtigten gar nicht so sehr interessiert ist und wohl nicht wählen gehen wird.

Astana wäre aber nicht Astana, wenn nicht einer Skandal machte. Rachat Alijew, 2007 von Dariga geschieden, wird gerade wegen Bandenbildung gesucht. Nasarbajew hatte ihn 2001 zur Höchststrafe verurteilt - Versetzung auf einen Diplomatenposten, fern der Futterkrippe -, und jetzt hängt ihm noch eine mutmaßliche Mordgeschichte an. Aus dem Exil - er ist inzwischen politischer Flüchtling - zieh er seinen Ex-Schwiegervater der Immoralität. Dessen OSZE-Ambitionen hilft das nicht gerade weiter.

* Aus: Frankfurter Rundschau, 17. August 2007


Kasachstans Wahl

Von Detlef D. Pries **

Gefragt nach dem Unterschied zwischen dem »Licht des Vaterlands« (Nur Otan) und dem »Hellen Weg« (Ak Shol), würde der kasachische Normalbürger wahrscheinlich antworten: Die von der Präsidentenpartei haben schon alles, die von der Opposition wollen erst noch alles haben. Womit seine Wahlentscheidung begründet wäre: Kämen neue Leute an die Hebel von Macht und Reichtum in Kasachstan, bliebe fürs Volk vorerst weniger übrig. Und so entschied sich die große Mehrheit der Stimmbürger am Sonnabend für die Partei Nursultan Nasarbajews, des Langzeit-Präsidenten. Das überraschte niemanden, denn dem wirtschaftlichen Jammertal, in das auch Kasachstan nach dem Zerfall der Sowjet-union gestürzt war, ist das Land dank seinem natürlichen Reichtum entronnen. Gut geht es noch längst nicht allen in der kasachischen Steppe, aber besser als vor zehn Jahren geht es den meisten durchaus. Auch weil sie blutige Nationalitätenkonflikte weitgehend vermieden. Mag sein, dass es der Nasarbajew-Familie selbst am besten geht. Ein »lupenreiner Demokrat« ist der kasachische Patriarch gewiss nicht. Wer ihm gefährlich wurde (und sei es der eigene Schwiegersohn), der wurde nicht geschont. »Fortschritte« immerhin beobachtete die OSZE bei den Wahlen am Sonnabend. Mehr durfte niemand erwarten.

* Aus: Neues Deutschland, 20. August 2007 (Kommentar)


Gewählte Autokratie

VON KARL GROBE

Kasachstan kennt seit 23 Jahren nur einen Menschen an der Spitze: Nursultan Nasarbajew, 1984 Ministerpräsident der Sowjetrepublik, 1991 Präsident des unabhängigen Staates. Die Einwohner haben jetzt Nasarbajews Vaterlandspartei und dem Vater des Vaterlands sämtliche Sitze im Parlament geschenkt.
Diese Wahl hat der italienische Senator Consiglio Di Nino, Koordinator der 400 OSZE-Wahlbeobachter, als einen Schritt Kasachstans in Richtung demokratische Gesellschaft interpretiert. Wahr gesprochen; eine Einparteidemokratie ist besser als das Chaos und die Unübersichtlichkeit, die wohl vorher bestanden haben muss, als es noch genau einen Oppositionellen im kasachischen Parlament gab. Es ist im Grunde auch alles einfacher, wenn nur eine Partei plakatieren, in Funk und Fernsehen werben kann und darf.
Nasarbajew mag sich königlich freuen, Di Nino mag das alles ganz nett finden, auch wenn er einige europawidrige Haare in der Suppe fand. Ihren Demokratiebegriff müssten die beiden Herren uns gelegentlich mal erklären. Wir haben einen anderen.

Aus: Frankfurter Rundschau, 20. August 2007 (Kommentar)

Wirtschaftsbeziehungen Deutschland-Kasachstan

(...)
Der Warenaustausch zwischen Deutschland und Kasachstan umfasst mittlerweile knapp fünf Milliarden Euro. Import und Export stiegen 2006 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in einem Jahr um 25 und 31 Prozent. Nach Kasachstan gehen vor allem Maschinen, Autos und chemische Produkte. Deutschland kauft vor allem Öl. Das macht 90 Prozent aller Importe aus. Der Rest sind Eisen und Eisenprodukte. Auch wegen der Energiefrage hat Deutschland zur Zeit seiner EU-Ratspräsidentschaft die Zentralasien-Strategie der EU vorangetrieben. Europa konkurriert mit China und den USA um Einfluss in der Region.
Doch der Rohstoff-Reichtum Kasachstans ist auch sein Dilemma: "Wegen der hohen Gewinne aus dem Verkauf ist der Anreiz gering, die wirtschaftliche Vielfalt zu fördern", erklärt Andrea Schmitz, Zentralasien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik. Verschlimmert werde dieses Problem durch die Monopolisierung wirtschaftlicher und politischer Macht. Die Kontrolle über die profitablen Wirtschaftszweige liege in der Hand weniger politischer Akteure. "Sie reinvestieren die Gewinne aus dem Öl eher in die von ihnen selbst kontrollierten Öl-Gesellschaften, nicht aber in die Entwicklung anderer Branchen", sagt Schmitz. Doch sei der Regierung Nasarbajews mittlerweile klar, dass dies die Entwicklung das Land auf Dauer blockieren könnte.
Auch aus diesem Grund läuft in Kasachstan nun ein Sonderprogramm zur Förderung der Wirtschaftsvielfalt an. Die "Cluster-Initiative Kasachstan" soll vor allem die kompletten Wertschöpfungsketten einzelner Branchen stärker im Land selbst halten: von der Baumwolle bis zur Jeans, vom Kupfererz bis zu IT-Technik. (...)
Ansätze gibt es bereits : Seit einem Jahr lässt Volkswagen in Ust-Kamenogorsk Skoda-Fahrzeuge fertigen. Und die Regierung lockt mit Steuerfreiheiten weitere ausländische Unternehmen. Bereits heute haben rund 400 deutsche Firmen Verbindungen nach Kasachstan.

Auszug aus einem Artikel, der am 18. August 2007 im Wirtschaftsteil der Frankfurter Rundschau erschien: "Kasachstan im Blick der Investoren" (Autor: Viktor Funk)




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