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Der nächste Schritt zum Krieg?

Iran nimmt Atomfabrik Isfahan wieder in Betrieb - IAEA verabschiedet Resolution - Meldungen und Kommentare

Im Folgenden dokumentieren wir ein paar Meldungen und Kommentare aus Tageszeitungen und deren Online-Ausgaben zu den - gescheiterten - Verhandlungen zwischen Iran und der EU-Troika über das iranische Atomprogramm. Weitere aktuelle Meldungen und Nachrichten über den Iran finden Sie auf unseren Chronik-Seiten.



Zur Abstimmung im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO)

(...) Diplomaten der so genannten G-77-Gruppe der blockfreien Staaten und Vertreter anderer Regierungen außerhalb Europas und Nordamerikas haben am Tag nach der entscheidenden Gouverneursratssitzung in der IAEO die unerwartet einmütige Annahme der Iran-Resolution verteidigt. "Wir haben die Wiederaufnahme der Arbeiten in der Anlage von Isfahan als Verstoß gegen frühere Resolutionen der Internationalen Atomenergiebehörde verstanden", hieß es.

Die Inbetriebnahme der Atomanlage habe eine negative Wirkung auf die laufenden Verhandlungen zwischen den EU-3 und Teheran gehabt und musste beantwortet werden, argumentierten die Diplomaten gegenüber dem STANDARD. Teheran habe wohl das Recht zur Nutzung und Erforschung der Atomenergie, müsse dieses Recht aber so umsetzen, dass die internationale Gemeinschaft keinen Anlass zur Besorgnis habe. (...)

G-77-Vertreter betonten auch, sie hätten abschwächende Formulierungen im Resolutionsentwurf der EU-3 erreicht. Tatsächlich wurde ein Paragraf neu eingefügt, in dem an die Einschätzung des IAEO-Direktors Mohamed ElBaradei erinnert wurde, der zufolge alles vom Iran deklariertes nukleares Material registriert und nichts davon zu verbotenen Zwecken verwendet wurde. Ein alter, von Südafrika erneut hervorgebrachter Vorschlag, dem zufolge der Iran wohl Uranhexafluorid in Isfahan herstellen kann, die Anreicherung dann aber im Ausland geschehen soll, fand keinen Eingang in die Resolution, blieb aber offenbar als Verhandlungsoption auf dem Tisch. (...)

Paris, Berlin und London hatten der iranischen Regierung Anfang August rasch einen 30-seitigen Vorschlag für ein Gesamtabkommen unterbreitet, nachdem Teheran die Wiederinbetriebnahme von Isfahan angekündigt hatte. In dem Rahmenabkommen, das sich aus Sicht Teherans in weiten Strecken bevormundend und die außenpolitischen wie wirtschaftlichen Entscheidungen eines souveränen Staates einschränkend ausnimmt, versuchen die EU-3, die Entwicklung des iranischen Nuklearprogramms zu steuern. Dabei geht es vor allem um die Verhinderung der Urananreicherung.

Aus: DER STANDARD, 13.8.2005




Bahman Nirumand

Der Journalist Bahman Nirumand (u.a. Verfasser der Khomeni-Biografie "Mit Gott für die Macht"), 1936 in Teheran geboren und sowohl unter dem Schah als auch unter Khomeni ins deutsche Exil gezwungen, in einem Interview mit der "Netzeitung":

(...) Die Europäer haben meiner Ansicht nach einen großen Fehler gemacht: Er bestand darin, dass sie Maximalforderungen gestellt haben. Sie hätten wissen müssen, dass der Iran auch unter einer Reformregierung diesen Forderungen nicht würde nachkommen können. Iran ist Mitglied des Atomwaffensperrvertrages, und seinen Mitgliedern steht das Recht zu, die Atomtechnologie, zu der auch die Anreicherung von Uran gehört, weiterzuentwickeln. Darüber hinaus ist die Atombehörde sogar verpflichtet, allen Mitgliedsstaaten beim Ausbau dieser Technologie zu helfen. Nun aber soll dem Iran als einzigem Land die Entwicklung seiner Atomtechnologie verwehrt werden. Dieser Forderung wird sich der Iran nicht unterwerfen. Das hätten die Europäer wissen müssen. Sie hätten auf verschärften Kontrollen bestehen und so den Kompromiss suchen müssen, anstatt die Maximalforderung zu stellen, dass der Iran dauerhaft auf die Weiterentwicklung der Technologie verzichten solle. Mit Drohungen wird man vermutlich nicht weiterkommen, weil es unwahrscheinlich ist, dass der Sicherheitsrat tatsächlich Sanktionen gegen den Iran beschließen wird. Denn zwei der ständigen Mitglieder des Rats, China und Russland, pflegen intensive wirtschaftliche Beziehungen zum Iran. Der Reaktor in Bushehr wird von den Russen gebaut, und sie wollen weitere Reaktoren im Iran errichten. Das ist ein lukratives Geschäft, auf das sie nicht verzichten werden. Das wissen auch die Mullahs. Insofern können sie weiter ihr Pokerspiel fortsetzen, um möglichst viele Vorteile zu erlangen und möglichst wenig Zugeständnisse machen zu müssen. Sie sind gute Geschäftsleute.

Katajun Amirpur

Katajun Amirpur, Jg. 1973, an der FU Berlin lehrende Islamwissenschaftlerin, in einem Kommentar für die "tageszeitung":

Die Europäer verfügen leider nicht über gute Argumente. Wenn es jetzt etwa heißt, die Europäische Union habe den Iranern ein "richtig gutes" Angebot gemacht, so ist das nicht nur für die verhassten herrschenden Kleriker, sondern auch für die normale Bevölkerung "nicht akzeptabe". Sogar lachhaft. Denn: Iran ist dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten. (...) Die Nukleartechnik ist inzwischen zu einer Frage des Nationalstolzes geworden. "Wir können es, wir haben das Recht, wir wollen beweisen, dass wir mitziehen können mit anderen Technologienationen in der Region, überhaupt haben wir das Potenzial zu einer Regionalmacht." So liest sich das im iranischen Originalton. Diesem selbstbewussten Gegenüber kann man keine Peanuts mehr anbieten. Und nichts anderes haben die Europäer getan. (...) Hinzu kommt, dass sie stur sind. Warum, denken sich viele, gibt es diese Zweiteilung der Welt? Warum die, und nicht wir? Warum schreiben die uns vor, was wir zu tun und zu lassen haben. Dieser Komplex kann nur zu etwas führen, das der Westen nicht will: dass sich das Volk wieder hinter ihr Regime stellt und es wirklich stützt. (...) Vergessen darf man in diesem Zusammenhang nicht: Jeder Präsident, der die Urananreicherung aussetzt, muss dies dem iranischen Volk plausibel erklären können. Er braucht einen guten Deal, den er seinem Volk verkaufen kann. Immerhin hat der Wächterrat noch vor kurzem erklärt, die Urananreicherung sei erklärtes Ziel der iranischen Politik.
Hinzu kommt noch etwas anderes: Die Richtlinien der Politik werden in Iran nicht vom Präsidenten bestimmt, sondern vom Revolutionsführer. Insofern ist die These nicht schlüssig, wegen des Amtsantritts von Ahmadinedschad schlügen die Iraner nun einen härteren Kurs ein. Jetzt sprechen sie lediglich mit einer Zunge. Und im Grunde gilt nach wie vor: Sie pokern. Und bei allem Unbehagen, dass es einem bereitet, muss man zugeben: Sie pokern nicht mal schlecht.

Aus: Der Standard, Online-Ausgabe, 12. August 2005




Schulterschluss

Von Olaf Standke

Viel gefruchtet hatten die Einzelgespräche erst einmal nicht, die der neue US-Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde Anfang der Woche ankündigte, um den IAEA-Gouverneursrat auf Linie zu bringen. Der mit Billigung Washingtons von Deutschland, Frankreich und Großbritannien vorgelegte Resolutionstext zum Atomprogramm Irans fand nicht nur Beifall. Auch die EU-Angebote zuvor an Teheran hatten den Segen der Supermacht, so dass man durchaus von einer konzertierten transatlantischen Aktion sprechen kann. Was so nicht automatisch zu erwarten war, haben die USA den diplomatischen Bemühungen der EU doch sehr kritisch gegenübergestanden. Den unlängst wiederbestätigten IAEA-Chef Baradei hätten die Hardliner in Washington am liebsten sogar ausgewechselt, weil er sich in Sachen Iran als »Weichei« erwiesen habe. Aber wie lange hält der demonstrative US-europäische Schulterschluss? Bush sah nach dem Irak-Zerwürfnis die Chance, Risse zu kitten. Und auch der Blick auf die schiitischen Blutsbande über die iranisch-irakische Grenze hinweg mag bremsend gewirkt haben. Doch inzwischen fühlen sich in Washington all jene bestätigt, die lieber losschlagen als verhandeln. Eine neue Strategie fordert das konservative Lager. Dort erwartet man nun Härte von den Europäern, also die Androhung von Sanktionen und mehr. So könnte sich die EU-Troika schon bald in einem diplomatischen Zwei-Fronten-Krieg wiederfinden.

Aus: Neues Deutschland, 12. August 2005




Kriegshetzer

Von Knut Mellenthin

Westliche Mainstream-Medien und Politiker haben offenbar nur auf das Signal aus Teheran gewartet, um sofort voll mit der propagandistischen Vorbereitung des nächsten Angriffskriegs loszulegen. Es fällt auf, daß sich am Dienstag in den USA ausgerechnet die Redaktion der Washington Post mit einem scharfmacherischen Leitartikel an die Spitze drängte. Also die Chefs jenes Blattes, das ähnlich wie die New York Times den Demokraten nahesteht und gerne einmal in die Rolle der Opposition gegen den Irak-Krieg schlüpft. Wahrscheinlich werden die Zeitungen auch den Iran-Krieg kritisieren, wenn der Brand wütet, den sie jetzt zu entfachen versuchen.

Die Tatsache, daß Iran nicht bereit ist, auf große Teile seines zivilen Atomprogramms zu verzichten, beweist eindeutig, daß das Land nicht Energiegewinnung, sondern Atomwaffen anstrebt, heißt es im Leitartikel der Washington Post. »Es ist nicht länger möglich, die vom Iran ausgehende atomare Bedrohung nicht tödlich ernst zu nehmen.« Die Verhandlungen des EU-Trios mit Teheran haben aus der Sicht des Blattes ihre Aufgabe voll erfüllt: »Jetzt wird jede Maßnahme, die Iran daran hindert, an Atomwaffen zu kommen, internationale Glaubwürdigkeit haben.« Künftig müßten USA und EU gemeinsam vorgehen und – hier zitiert die Post-Chefredaktion Präsident George W. Bush – »keine Option vom Tisch nehmen«. Also mit Militärschlägen zumindest drohen, was selbstverständlich ihre Vorbereitung einschließt.

Sehr beliebt ist bei Journalisten und Politikern die Behauptung, daß Iran nach dem Sieg des »antiwestlichen Hardliners« einen »neuen Kurs« eingeschlagen habe und im Gegensatz zu seiner bisherigen Politik »auf Konfrontationskurs gegangen« sei. Das ist in jeder Hinsicht falsch. Alle Vertreter Irans haben seit Beginn der Verhandlungen immer wieder betont, daß ihr Land zwar mit größter Flexibilität über alle Arten von Kontrollen zu sprechen bereit ist, aber nicht über einen Verzicht auf das Recht zur Urananreicherung. Wenn der deutsche Außenminister Joseph Fischer – wie jüngst am Montag – und seine Kollegen das einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollten, liegt das Problem bei ihnen und nicht auf der Gegenseite.

Außerdem: Sie selbst waren es, die Ende Mai, als die Geduld der Iraner schon am Ende zu sein schien, darauf bestanden, ihr »umfassendes Angebot« erst nach der Präsidentenwahl zu präsentieren. Den vereinbarten Termin, Ende Juli, zögerten sie dann noch um eine Woche hinaus, so daß die Übergabe des »Angebots« schon in die Amtszeit von Ahmadinedschad fiel. Warum? Um die zu erwartende Ablehnung Irans dann als Brüskierung durch die »Hardliner« hinstellen zu können?

Aus: junge Welt, 10. August 2005




Iran lehnt EU-Verhandlungsangebot ab

Von Jan Keetman, Istanbul

(...) Trotz einen neuerlichen Verhandlungsangebots der Europäischen Union will Iran an der Wiederaufnahme der Uran-Anreicherung festhalten. Das Atomprogramm in der Anlage Isfahan werde wieder in Betrieb genommen, sobald die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) dort ihre Überwachungskameras installiert habe, sagte Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi am Sonntag [7. August]. Teheran wolle seine offizielle Antwort auf den EU-Kompromiss am Montag geben. Außenminister Kamal Charasi bekräftigte jedoch, dass die Vorschläge »inakzeptabel« seien. Auch der neue Präsident Mahmud Ahmadinedschad zeigte sich bei seiner Vereidigung unnachgiebig.

Er beharrte auf dem Recht Irans zur Urananreicherung und appellierte an das Nationalgefühl. »Wir akzeptieren nichts, das gegen die Rechte unserer Nation verstößt.« Der Iran respektiere die internationalen Regeln, werde aber keine Politik verfolgen, die seinen Interessen entgegenstehe: »Unser Land wird niemals seine Würde opfern.« Ahmadinedschads Appell trifft die Gefühle vieler Iraner und könnte dazu beitragen, dass manche, die dem politischen Hardliner skeptisch gegenüberstehen, sich am Ende mit seiner Politik aussöhnen. Der Zufall wollte es auch, dass Ahmadinedschads Erklärung mit dem 60. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshimas zusammenfiel. In Iran wie in vielen anderen Ländern steht dieses Ereignis dafür, dass der Westen die Waffen selbst einsetzt, die er anderen verbietet.

In ihrem am Freitag vorgelegten Kompromissangebot gestehen Deutschland, Frankreich und Großbritannien Iran zwar die friedliche Nutzung eines Atomprogramms zu, verlangen aber von Teheran den Verzicht auf die Herstellung von Kernbrennstäben – und damit den endgültigen Stopp der zum Atomwaffenbau erforderlichen Uran-Anreicherung. Im Gegenzug bieten sie wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit an. Darüber hinaus wurden ein Handelsabkommen mit der EU und Unterstützung bei der Aufnahme in die Welthandelsorganisation in Aussicht gestellt.

Am heutigen Montag [8. August] werden IAEA-Inspekteure erwartet. Die IAEA hatte am Sonnabend mitgeteilt, sie werde »bis Mitte der Woche« weitere Kameras und ein Überwachungssystem in Isfahan installieren. Die Anlage ist von der Behörde versiegelt worden. Bislang war der Iran einverstanden, die Siegel nur mit Einverständnis der IAEA zu brechen. Der Präsident der iranischen Atomenergiebehörde, Gholamresa Aghasadeh, sagte der Nachrichtenagentur Isna am Sonntag, die Anlage in Isfahan könne am Montag wieder in Betrieb genommen werden. Auf Antrag der Europäer wird die IAEA voraussichtlich am Dienstag zusammentreten. Sie könnte dann an den UNO-Sicherheitsrat appellieren und dieser Sanktionen gegen Iran verhängen. Doch all das ist keineswegs sicher. Durch die Ablehnung Irans ist zwar der europäische Verhandlungsansatz gescheitert, und die Europäer werden nun eher auf die härtere Gangart der USA einschwenken, doch die Unterstützung der Veto-Mächte Russland und China ist damit noch nicht gewonnen.

Aus: Neues Deutschland, 8. August 2005




Die Macht in Iran

VON KARL GROBE

Politische Konturen wird Irans neuer Staatspräsident erst in den nächsten Monaten gewinnen können. Dann wird sich herausstellen, ob er das Bild des sozial engagierten und zugleich religiös äußerst konservativen Politikers bewahren kann, das er in seiner Zeit als Teheraner Stadtchef von sich entworfen hat.

Seine Wahl verdankte Mahmud Ahmadinedschad dem verarmten Sektor der iranischen Gesellschaft und dem Zuspruch vieler Stammesführer. Die seit der Festigung der geistlichen Herrschaft Benachteiligten erwarten von ihm die Verkleinerung der Kluft zwischen den Neureichen und den Unterbezahlten. Sie hoffen auf sozialen Wohnungsbau, ein bezahlbares und effektives Gesundheitswesen, also materielle Besserung, und zugleich Aufstiegsmöglichkeiten durch erleichterten und erschwinglichen Zugang zu Bildung und berufsqualifizierendem Fachwissen.

Das religiöse Establishment ist nicht seine eigentliche Klientel. Doch allein die Tatsache, dass die nie gewählten obersten Mullahs und Ayatollahs ihn ohne weiteres zur Kandidatur zugelassen hatten, belegt den Umfang der Erwartungen, den die tatsächlich Herrschenden im Interesse der Wahrung der Privilegien und der Stabilisierung der Macht auf ihn richten. Das sind schwer miteinander zu versöhnende Forderungen.

Macht ist mit dem Amt des Präsidenten in Iran fast nicht verbunden. Der als Träger mittelständischer und intellektueller Reformbestrebungen gewählte Vorgänger Sayed Mohammed Khatami ist daran gescheitert. Seine Wählerbasis hat sich frühzeitig in die Abstinenz zurückgezogen, ohne ihre Ambitionen aufzugeben. Dieses Wählerspektrum zurückzugewinnen und zu einer Versöhnung der Gesellschaft mit sich selbst und mit den ungewählten Oberen zu gelangen, steht im Gegensatz zu den Anforderungen, welche jene Oberen und die Wählerbasis an Ahmadinedschad haben. Doch auch das wird von ihm verlangt.

In der Atomfrage ist seine relative Machtlosigkeit einen Tag vor seiner Ernennung deutlich geworden. Die Entscheidungen treffen die Ungewählten, der Revolutionsführer und die von ihm bestimmten Gremien. Der Wahlverlierer Akbar Haschemi Rafsandschani hat über seine Anhänger im Wächterrat und in dem wie ein Vermittlungsausschuss fungierenden Effektivitätsrat mehr Einfluss darauf, als der Präsident und die von ihm berufene Regierung je haben kann. Die angekündigte Wiederaufnahme der Urananreicherung diente auch dazu, dem Neuen die Instrumente zu zeigen.

Mit der Nominierung des Konservativen Ali Larindschani zum Außenminister und einigen verwandten Entscheidungen hat Ahmadinedschad seinen Willen gezeigt, zunächst einmal an der Zementierung der Machtverhältnisse zu arbeiten. Dies mag ein taktischer Zug sein; geschickt genug, um die armen Schichten und Klassen der städtischen Gesellschaft nicht sofort vor den Kopf zu stoßen, zugleich aber ist es Verzicht auf eine flexible Außenpolitik, die gerade die europäischen Verhandlungspartner erhofft hatten. Die Reaktionen konservativer Politiker und Kommentatoren in den USA lassen denn auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Dies muss nicht, wie es in diesen Kreisen heißt, der nächste Schritt zum Krieg sein. Den könnte der Präsident der USA in der Zeit der Kongress-Ferien tun oder betont unterlassen. Die Initiative aber Washington zu überlassen und die EU-Partner zu brüskieren, legt den Kurs fürs Erste fest.

Sicher werden die Mächtigen in Moskau und Peking sich davon nicht beirren lassen. Russland stellt sich immer noch als Garant für die friedliche Nutzung der Atomenergie durch Iran dar; China ist an Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und viel mehr noch in Erdölsachen interessiert. Und diese beiden Großmächte sind gemeinsam mehr an einer Verringerung des US-Einflusses in der gesamten Region interessiert als an der Struktur der iranischen Macht. Eine gewisse Konfrontation zwischen Teheran und Washington passt in ihre Konzepte.

Darin liegen Gefahren. Die Teheraner Führung insgesamt rechnet auf Partner, die helfen könnten, die gefühlte - und messbare - Einkreisung durch die USA zu durchbrechen. Sie wird wahrscheinlich nicht daran denken, ihre Verbindungen nach Nordkorea und Pakistan zu kappen, selbst wenn diese in Atom(waffen)fragen höchst dubios sind. Sie wird viel Geld dafür aufwenden. Das geht innenpolitisch, solange der Rohstoff Öl gute Preise erzielt. Für die Besserung der sozialen Verhältnisse aber bleibt auch dann nicht viel. Darin ist Ahmadinedschads Überforderung begründet.

Aus: Frankfurter Rundschau, 3. August 2005




"Unzureichendes Angebot"

Von Knut Mellenthin

Das EU-Trio aus Vertretern Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands hat der Regierung in Teheran am Freitag seine Vorschläge für die Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm übergeben. Das ist zwei Tage früher, als nach den letzten Ankündigungen zu erwarten war, aber später, als die europäischen Regierungen Ende Mai versprochen hatten: Damals war von Ende Juli die Rede gewesen.

Der Inhalt der Vorschläge wurde bisher nicht veröffentlicht. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy bezeichnete das Angebot als »weitreichend und großzügig2. Das EU-Trio sei »sogar bereit, ein ziviles Atomprogramm zu unterstützen« – sofern Iran auf die Urananreicherung verzichtet, zu der es jedoch aufgrund des Vertrages über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zweifelsfrei berechtigt ist.

Sprecher der iranischen Regierung kritisierten nach einer ersten Prüfung die Vorschläge des EU-Trios als unzureichend. Die Anerkennung des Rechts auf Urananreicherung – zur Gewinnung von Brennstoff für Atomkraftwerke – ist für Iran der Knackpunkt in den Verhandlungen mit den Europäern.

Ebenfalls gestern gab ein Sprecher der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) bekannt, daß auf Antrag der drei EU-Mächte in der kommenden Woche eine Sondersitzung des IAEA-Vorstands stattfinden wird. Sie soll am Dienstag vormittag beginnen. Zweck der Beratungen ist, die iranische Regierung davon abzuhalten, einige Arbeiten in der Urankonvertierungsanlage in Isfahan wieder aufzunehmen.

Iran läßt seit November 2004 als »freiwilliges Zeichen des guten Willens« die Arbeiten in Isfahan ebenso wie jene in der Anreicherungsanlage Natanz ruhen. Teheran hatte die Arbeitsaufnahme in Isfahan schon am Mittwoch angekündigt, sich dann aber dem Argument der IAEA gebeugt, daß die Aufstellung der Überwachungsanlagen frühestens Mitte nächster Woche möglich sei.

Aus: junge Welt 5. August 2005




Zuspitzung im Atomstreit

Von Knut Mellenthin

Zum Amtsantritt des neuen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad am Mittwoch hat die iranische Führung angekündigt, noch am selben Tag einige Arbeiten in der Urankonvertierungsanlage Isfahan wieder aufzunehmen. Dort wird Rohuran, über das Iran in großen Mengen verfügt, in ein Gas umgewandelt, das als Grundlage der Urananreicherung dienen kann. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA forderte Teheran gestern auf, mit der Wiederaufnahme bis Mitte nächster Woche zu warten. So lange benötige man, um die erforderlichen zusätzlichen Überwachungsgeräte in Isfahan aufzustellen.

Die Regierungen des sogenannten EU-Trios – Großbritannien, Frankreich und Deutschland – drohten an, ihre seit Herbst 2003 geführten Verhandlungen mit Iran über dessen zivile Nutzung der Kernenergie abzubrechen, falls die Arbeiten in Isfahan wieder aufgenommen werden. Sie wollen dann, gemeinsam mit den USA, auf einer IAEA-Sondersitzung in den nächsten Tagen ein Ultimatum gegen Iran durchsetzen. Sollte dessen Regierung trotzdem die Arbeiten in Isfahan fortsetzen lassen, droht eine Anklage vor dem Sicherheitsrat der UNO mit nachfolgenden Sanktionen.

Iran hatte auf Drängen der USA, der EU und der IAEA im Oktober 2003 zugestimmt, als Zeichen des guten Willens freiwillig alle Arbeiten in der Anreicherungsanlage Natanz zu unterbrechen. Im November 2004 hatte sich Iran darüber hinaus bereiterklärt, für die Dauer der Verhandlungen mit dem EU-Trio auch alle Arbeiten in Isfahan »einzufrieren«. Im Gegenzug versprachen die Europäer, ein umfassendes Angebot mit »wirtschaftlichen Anreizen« vorzulegen, das auch Irans legitimes Interesse an der friedlichen Nutzung der Atomenergie berücksichtigen sollte. Nach vielen Verzögerungsmanövern will das EU-Trio sein Vorschlagspaket nun am Sonntag präsentieren.

Knackpunkt der Verhandlungen sind die Garantien, die Teheran für den ausschließlich friedlichen Charakter seines Atomprogramms geben soll und auch will. Nach iranischer Ansicht kann dies durch umfassende Kontrollen – neben ständigen Inspektionen auch Rund-um-die-Uhr-Überwachung durch Kameras – gewährleistet werden. Das EU-Trio besteht aber, im Schulterschluß mit der US-Regierung, darauf, daß Iran nicht nur auf die Urananreicherung, sondern auch auf die Konvertierung für alle Zeit verzichten müsse. Das wäre eine weltweit einmalige Diskriminierung, und die iranische Regierung hat schon zu Beginn der Verhandlungen deutlich gemacht, daß sie sich dieser Forderung auf keinen Fall unterwerfen wird.

Aus: junge Welt, 4. August 2005




Die Faxen dicke

Von Knut Mellenthin

Die iranische Regierung hat am Montag offiziell angekündigt, »einige Teilarbeiten« in der Urankonvertierungsanlage Isfahan (USF) wieder aufzunehmen. Dort wird Rohuran in Gas umgewandelt, um später in Natanz angereichert zu werden. Schwach angereichertes Uran dient als Brennstoff in Atomkraftwerken; sehr hoch angereichert könnte es zur Waffenproduktion benutzt werden. Mit der ausdrücklichen Beschränkung auf »Teilarbeiten« in Isfahan – zu denken ist dabei zunächst an überfällige Sicherheitsüberprüfungen und Wartungsarbeiten – will Teheran ausdrücklich die Tür für weitere Verhandlungen mit dem EU-Trio Deutschland, Frankreich und Großbritannien offen halten. Iran hatte sich im November vorigen Jahres als Zeichen guten Willens bereit erklärt, für die Dauer der Verhandlungen mit dem EU-Trio alle Tätigkeiten in Isfahan und Natanz einzustellen.

Die europäischen Regierungen hatten das unbefristete iranische Entgegenkommen offenbar als Einladung mißverstanden, mit allen Mitteln Zeit zu schinden, ohne konstruktive Vorschläge zu machen. Nur mit der Drohung, einen Teil der unterbrochenen Arbeiten wieder aufzunehmen, erreichte Teheran Ende Mai, daß die Europäer für Ende Juli die Vorlage eines umfassenden konkreten Angebots versprachen. Jetzt versucht das EU-Trio jedoch, mit einem offen provozierenden taktischen Schachzug, noch ein paar Tage Zeit zu gewinnen, und will sein »Vorschlagspaket« erst am 7. August, nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten Ahmadinedschad, präsentieren.

Das war offenbar der sprichwörtliche Tropfen, der auf iranischer Seite das Faß zum Überlaufen brachte: Ende vergangener Woche setzte Iran dem EU-Trio die Frist, sein Angebot bis zum gestrigen Montag zu übergeben. Die europäischen Regierungen ließen diesen Zeitpunkt verstreichen.

Die Iraner, die bisher sehr ruhig und besonnen verhandelt haben, hätten es kaum an der Frage weniger Tage zum Eklat kommen lassen, wenn sie nicht ganz sicher wüßten, daß das europäische Angebot im entscheidenden Punkt sowieso nicht ihren Erwartungen entsprechen wird. Der iranischen Regierung kommt es letztlich nur auf eine zentrale Frage an, die sie seit Beginn der Verhandlungen immer wieder deutlich gemacht hat: Das grundsätzliche Recht des Irans auf Urananreicherung als Teil der friedlichen Nutzung der Atomenergie muß anerkannt werden. Um den ausschließlich friedlichen Charakter seines Atomprogramms zu garantieren, ist Teheran zu internationalen Kontrollen bereit, die weit über das Übliche hinausgehen. Die europäischen Großmächte bestehen aber, im aggressiven Schulterschluß mit den USA, darauf, dem Iran die Urananreicherung vollständig und für alle Zeit zu verbieten.

Vor diesem Hintergrund sehen viele Iraner, »einfache Leute« ebenso wie einflußreiche Politiker, die monatelangen Verhandlungen mit den europäischen Regierungen als nicht nur nutzlose, sondern schädliche Zeitverschwendung an. Auch wenn es darüber keine öffentliche Polemik gibt, sind viele der Meinung, Iran habe sich »über den Tisch ziehen« lassen und müsse seine eigenen Interessen künftig entschiedener wahrnehmen.

Aus: junge Welt, 2. August 2005




Europäer spielen weiter auf Zeit

Von Knut Mellenthin

Der in wenigen Tagen aus dem Amt scheidende iranische Präsident Sayed Mohammed Khatami hat am Mittwoch angekündigt, daß die Vorarbeiten zur Urananreicherung in Isfahan wieder aufgenommen werden sollen, falls die Verhandlungen mit dem EU-Trio Großbritannien, Deutschland und Frankreich weiterhin erfolglos verlaufen. Einen Zeitpunkt hierfür nannte er jedoch nicht. Iran hatte im November vergangenen Jahres als Zeichen guten Willens sämtliche Arbeiten in Isfahan und Natanz für die Dauer der Gespräche mit dem EU-Trio unterbrochen. Die iranische Regierung hat allerdings nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie die Arbeiten wieder aufnehmen wird, falls die Europäer nur auf Zeitgewinn aus sind, ohne konstruktive Vorschläge vorzulegen.

Vor diesem Hintergrund war das EU-Trio im Mai endlich bereit, die Präsentation eines umfassenden Angebots für Ende Juli anzukündigen. Jetzt scheint es aber so, als wollten die Europäer damit bis nach der Amtseinführung des neugewählten iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad am 6. August warten. Ali Aghamohammadi, Sprecher des iranischen Chefunterhändlers Hassan Rowhani, hat das EU-Trio am Dienstag vor weiteren Verzögerungsmanövern gewarnt: Sollten die europäischen Vorschläge nicht bis zum 1. August auf dem Tisch liegen, werde Iran selbst seine Entscheidung über Art und Umfang der Wiederaufnahme der Arbeiten treffen.

Rowhani hat in der vergangenen Woche in einem Brief an das EU-Trio deutlich gemacht, daß die Anerkennung des iranischen Rechts auf Urananreicherung für die Energiegewinnung auf jeden Fall Teil des demnächst abzuliefernden Vorschlagspakets sein muß. Iran ist zwar bereit, sein Atomprogramm umfassenden Kontrollen und Inspektionen zu unterwerfen, wird aber keinesfalls auf die Urananreicherung verzichten.

Nach allen Äußerungen maßgeblicher EU-Politiker ist nicht davon auszugehen, daß sie ihre gemeinsam mit der US-Regierung festgelegte Position, Iran die Urananreicherung vollständig zu verbieten, ändern werden. Voraussichtlich wird Iran daher nach Vorliegen des EU-Vorschlagspakets einige Arbeiten wieder aufnehmen. Zunächst wohl nur im geringen Umfang und ausschließlich in Isfahan, um die Tür zu weiteren Verhandlungen nicht zuzuschlagen. Das EU-Trio und die USA haben jedoch schon angekündigt, in diesem Fall unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Arbeiten den Iran im UNO-Sicherheitsrat anzuklagen, um Sanktionen durchzusetzen.

Aus: junge Welt, 29. Juli 2005



Stichwort: Der Gouverneursrat der IAEO

Der Gouverneursrat ist das höchste Kontrollorgan der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO). Er hat 35 Mitglieder und tagt regulär fünf Mal im Jahr. Vorsitz und Mitgliedschaft wechseln turnusmäßig. Die fünf Atommächte USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich haben einen ständigen Sitz in dem Gremium. Aber auch Deutschland, drittgrößter Beitragszahler der IAEO, ist bereits seit 1972 permanent vertreten.

Das Jahresbudget der IAEO beträgt insgesamt über 340 Millionen US-Dollar (275 Mio. Euro). Amtssprachen sind außer Englisch, Französisch und Spanisch auch Arabisch, Chinesisch und Russisch.

Gemeinsam mit der Generalversammlung der Mitgliedstaaten legt der Gouverneursrat Programme und Finanzen der IAEO fest. Er kann dem UNO-Sicherheitsrat zum Beispiel Sanktionen gegen ein Mitglied vorschlagen, wenn es die Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag nicht einhält.

Der Gouverneursrat wählt den Generaldirektor der IAEO - derzeit der Ägypter Mohamed ElBaradei - und berät über Anträge auf Mitgliedschaft in der Organisation. Resolutionen werden im Gouverneursrat gewöhnlich "einvernehmlich" und ohne Abstimmung verabschiedet.

Die Generalversammlung aller 138 IAEO-Mitglieder bestimmt die nicht-ständigen Mitglieder des Gouverneursrates für jeweils zwei Jahre. Gouverneursratsmitglieder für die Periode 2004/2005 sind Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, China, Ecuador, Frankreich, Deutschland, Ghana, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, die Niederlande, Nigeria, Pakistan, Peru, Polen, Portugal, Russland, Singapur, die Slowakei, Sri Lanka, Schweden, Südafrika, Südkorea, Tunesien, Ungarn, die USA, Venezuela, Vietnam sowie der Jemen. Den Vorsitz im Gouverneursrat 2004/2005 hat Kanada inne. Ausgeübt wird die Funktion von Botschafterin Ingrid Hall.

Nach: Der Standard, Online-Ausgabe, 10. August 2005




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