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Iran: Chronik wichtiger Ereignisse

September 2005

Donnerstag, 1. September, bis Sonntag, 11. September
  • Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hat dem Iran im Atomstreit mit der Einschaltung des UN-Sicherheitsrates gedroht, sollte Teheran ein von der Internationalen Atomenergiebehördegesetztes Ultimatum ignorieren und an der umstrittenen Urankonversion festhalten. Die EU sei an einer Eskalation nicht interessiert, werde aber notfalls den Sicherheitsrat einschalten, sagte Solana am 1. Sept. vor Journalisten beim informellen EU-Ministertreffen im walisischen Newport. Auch EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte, ein Einschalten des Sicherheitsrates könne nicht mehr ausgeschlossen werden. Sie rief die Regierung in Teheran auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
  • Der Iran betreibt nach Angaben von Diplomaten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien Uran-Konversion ohne hochgradige Anreicherung. Die am 8. August wieder aufgenommene Konversion sei nicht wieder eingestellt worden, sagten IAEA-Diplomaten am 2. Sept. (AFP)
  • Die Europäische Union will die unterbrochenen Atomgespräche mit dem Iran wiederaufnehmen. Die Gespräche seien "im internationalen Interesse und im Interesse des Iran", sagte der britische Außenminister Jack Straw am 2. Sept. am Rande des EU-Außenministertreffens in Newport. Straw betonte, dass eine militärische Eskalation des Streits nicht zu erwarten sei: "Niemand schlägt ein militärisches Vorgehen im Hinblick auf den Iran vor, wirklich niemand. Dies steht auf keiner Tagesordnung." Nur diplomatische Mittel könnten den Streit beilegen.
  • Die UN-Atombehörde IAEO hat auch nach mehr als zweijährigen Inspektionen in Iran noch keine Gewissheit, dass Teheran nicht ein heimliches Atomprogramm unterhält. Das geht aus einem vertraulichen Bericht hervor, den Generaldirektor Mohammed el Baradei den Mitgliedern des so genannten Gouverneursrats der UN-Behörde vorlegte. El Baradei bestätigte, dass Iran mit der Umwandlung von rohem Uran begonnen habe. Die Wiederaufnahme der Uranumwandlung hatte zu einer scharfen Kontroverse mit der EU geführt. (dpa, 2. Sept.)
  • Der zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilte iranische Oppositionelle Akbar Gandschi ist nach Beendigung seines Hungerstreiks wieder in Haft. Der 46-jährige Journalist sei nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus wieder in das Gefängnis Ewin gebracht worden, zitierte die studentische Nachrichtenagentur Isna am 4. Sept. den stellvertretenden Teheraner Staatsanwalt Mahmud Salarkia. Zuvor hatte das Krankenhaus mitgeteilt, Gandschi sei in "allgemein guter Verfassung". Er war am 3. Sept. aus den Händen der Ärzte entlassen worden.
  • Das umstrittene iranische Atomprogramm ist nach Ansicht Russlands kein Thema für den UN-Sicherheitsrat. Es gebe keinen Anlass, den Sicherheitsrat einzuschalten, da die internationale Atomenenergiebehörde IAEA das Programm bereits "aktiv und produktiv überprüft", sagte der stellvertretende Außenminister, Alexander Jakowenko, am 5. Sept. der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Dass sich der Sicherrat mit dem Iran befassen wird, war am Wochenende wahrscheinlicher geworden, nachdem das Land eine Frist der IAEA hatte verstreichen lassen. Bis Samstag sollte der Iran die vor etwa einem Monat aufgenommene Konversion von Uran eingestellt haben.
  • Die OPEC wird nach offiziellen Angaben aus dem Iran wahrscheinlich ihre Förderquote erhöhen. Die Mitgliedsstaaten des Ölkartells würden ihre Produktion vermutlich um 500.000 bis eine Million Barrel Öl am Tag anheben, sagte der OPEC-Beauftragte im iranischen Ölministerium, Dschawad Jardschani, am 5. Sept. laut dem Informationdienstes seines Hauses. "Obwohl es keinen Ölmangel am Markt gibt, scheint es, dass die OPEC-Mitglieder ihre Quote erhöhen werden", wurde Jardschani zitiert.
  • Der Iran braucht einer Studie zufolge noch mindestens fünf Jahre für den Bau von Atomwaffen. Das Land habe zurzeit mit einer Reihe von technischen Hindernissen zu kämpfen, um genug waffenfähiges Nuklearmaterial herzustellen, sagte Gary Samore vom renommierten Londoner Institut für Strategische Studien (IISS) am 6. Sept. der BBC. Sollte der Iran all seine Energie darauf verwenden, die Hindernisse zu überwinden, sei er binnen fünf Jahren in der Lage, genug Material für eine Atomwaffe zu produzieren, sagte Samore.
  • Der Iran will den Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu seinem Atomprogramm offiziell zurückweisen. Das Papier, in dem IAEA-Chef Mohamed ElBaradei "vollständige Transparenz" und Zusammenarbeit gefordert hatte, enthalte "Fehler", sagte der iranische Atom-Unterhändler Ali Agha Mohammadi der Regierungszeitung "Iran" vom 8. Sept. Der Bericht stelle "exorbitante Forderungen" und verlange Inspektionen, die über die vom Iran zugestandenen Untersuchungen hinausgingen. Die Antwort auf das Papier werde vorbereitet und solle der IAEA demnächst zugeleitet werden.
  • Im Atomstreit mit dem Iran hat die Europäische Union Bereitschaft signalisiert, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Eine Anrufung des UN-Sicherheitsrates sei als "deutliches Signal der Besorgnis" angesichts Teherans fortgesetzter Arbeit am atomaren Brennstoffzyklus zu verstehen, hieß es in einem vertraulichen Dokument der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), das der Nachrichtenagentur AFP am 9. Sept. vorlag und nach Angaben eines Diplomaten in dieser Woche an Vertreter bei der IAEA ausgegeben wurde.
  • Nach der Wiederaufnahme der Uranumwandlung in Iran hält US-Außenministerin Condoleezza Rice es für eine "angemessene Option", Iran vor den Weltsicherheitsrat zu zitieren. Der jüngste Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation mache deutlich, dass Iran seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, sagte Rice am 9. Sept. in Washington. Der Weltsicherheitsrat könnte Sanktionen gegen Iran verhängen. Rice drängte die anderen Mitglieder in dem Rat mit Vetorecht, Druck auf Iran auszuüben.
  • Trotz zunehmenden Drucks der internationalen Gemeinschaft lehnt der Iran die neuerliche Aussetzung seines Atomprogramms ab. "Ein neues Abschalten (der Anlage) von Isfahan kommt nicht in Frage", sagte der Außenminister Manuschehr Mottaki am 11. Sept. in Teheran. Falls der Streit um das iranische Atomprogramm vor dem UN-Sicherheitsrat lande, werde dies "Konsequenzen" haben. Für einen solchen Schritt gebe es keine rechtliche Grundlage. "Dies wäre ein politischer Zug", sagte Mottaki. Welche Konsequenzen Iran daraus ziehen würde, ließ er offen.
  • Im Iran ist der Journalist Ahmed Chadem el Mella zum neuen Chef der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA ernannt worden. Wie die Nachrichtenagentur am 11. Sept. mitteilte, arbeitet der 46-Jährige seit 25 Jahren für IRNA. Unter anderem berichtete er als Frontreporter vom Iran-Irak-Krieg (1980-1988) und als Korrespondent von der UNO in New York. Mella hatte auch Posten in der Informationsabteilung der Regierung inne, Ende der 1980er Jahre unter Regierungschef Mir Hussein Mussawi und von 1995 bis 1997 unter Präsident Haschemi Rafsandschani. Er war maßgeblich an der Gründung der staatlichen Tageszeitung "Iran" beteiligt.
Montag, 12. September, bis Sonntag, 18. September
  • Die iranische Regierung will mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nur noch dann zusammenarbeiten, wenn ihr das Recht auf die Produktion von atomarem Brennstoff zugestanden wird. Das Recht auf eine zivile Nutzung der Atomenergie sei für Teheran "unveräußerlich", heißt es in einem Dokument, das der Iran am 12. Sept. der IAEA übergab und von dem die Nachrichtenagentur AFP eine Kopie erhielt. Die zivile Nutzung der Atomenergie sei nach den Statuten der Atomenergiebehörde und nach dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen zulässig.
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat beim UN-Gipfel in New York dem Westen eine "kriegstreiberische" Politik vorgeworfen. In seiner Rede nannte Ahmadinedschad am 14. Sept. zwar keinen Staat beim Namen, prangerte aber eine "moderne Erscheinungsform des Interventionismus und der Kriegstreiberei" an. Aus dem Zusammenhang war klar, dass der iranische Staatschef die USA, aber wohl auch andere westliche Staaten meinte. Der französische Premierminister Dominique de Villepin hatte kurz zuvor dem Iran im Streit um dessen Atomprogramm mit der Anrufung des UN-Sicherheitsrats gedroht.
  • Iran ist laut Präsident Mahmud Ahmadinedschad dazu bereit, sein Wissen über Atomtechnologie an andere islamische Länder weiter zu geben. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA zitierte Ahmadinedschad aus New York, iranische Wissenschaftler hätten Erkenntnisse bei der Atomforschung gewonnen und seien dazu bereit, sie an die islamische Welt weiterzugeben. Ahmadineschad betonte erneut, Iran strebe nicht den Bau einer Atombombe an, sondern wolle die Kernkraft für friedliche Zwecke nutzen. (dpa, 15. Sept.)
  • Bei einem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und UN-Generalsekretär Kofi Annan hat das Verhandlungstrio aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien die unveränderte Haltung der Europäer zum iranischen Atomprogramm betont. Das europäische Dreigespann habe seine Vorschläge auf den Tisch gelegt, und seine Haltung sei bekannt, sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) am 15. Sept. nach dem Gespräch am Sitz der Vereinten Nationen in New York. "Wir warten jetzt auf die Position der iranischen Seite."
  • Die USA gestehen dem Iran mit wachsender Deutlichkeit das Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie zu. Außenministerin Condoleezza Rice sagte in einem am 16. Sept. veröffentlichten Interview mit der Zeitung "New York Post", die USA wollten nicht den Eindruck erwecken, dass der Iran "kein technologisch fortgeschrittener Staat" sein dürfe. Deswegen habe Washington "weniger zu der zivilen Atomenergie im Iran" gesagt. Früher hätten die USA dagegen noch die Position bezogen, dass der Iran nicht nur kein militärisches, sondern auch kein ziviles Atomprogramm entwickeln dürfe.
  • Einen Tag vor der mit Spannung erwarteten Rede des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor der UN-Vollversammlung in New York hat US-Präsident George W. Bush erneut im Atomstreit mit UN-Sanktionen gegen Teheran gedroht. Er sei sich sicher, dass die internationale Staatengemeinschaft den Iran vor den UN-Sicherheitsrat zitieren werde, sollte das Land seine Zusagen nicht einhalten, sagte Bush am 16. Sept. nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in New York. Über den Zeitpunkt entscheide allerdings die Diplomatie, sagte der US-Präsident weiter.
  • Im Iran ist erneut ein zum Tode verurteilter Mann öffentlich hingerichtet worden. Wie die Nachrichtenagentur Irna meldete, wurde der wegen mehrerer bewaffneter Banküberfälle vor zwei Jahren festgenommene Täter am 17. Sept. in der südiranischen Stadt Ahwas gehängt. Damit wurden in diesem Jahr bislang mindestens 59 Menschen im Iran hingerichtet. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International lag die Zahl der im Iran Hingerichteten im vergangenen Jahr insgesamt bei mindestens 159, wobei die Dunkelziffer möglicherweise weit höher sei. Der Iran ist nach China demnach das Land mit den meisten Hinrichtungen weltweit. Die Todesstrafe steht im Iran unter anderem auf Ehebruch, Mord, Spionage, Drogenhandel mit mehr als fünf Kilogramm Opium, Vergewaltigung, Prostitution und Gotteslästerung.
  • Im Streit um das iranische Atomprogramm haben die USA die Vereinten Nationen zu einer entschiedenen Haltung gegenüber Teheran aufgefordert. Vor der UN-Vollversammlung in New York sagte Außenministerin Condoleezza Rice am 17. Sept., der UN-Sicherheitsrat müsse "in der Lage sein, mit großen Herausforderungen wie Terrorismus und Verbreitung von Atomwaffen umzugehen". Dies gelte insbesondere dann, "wenn Länder wie der Iran die Wirksamkeit der weltweiten Abmachung zur Nicht-Verbreitung bedrohen". Der Sicherheitsrat müsse eingeschaltet werden, "wenn die diplomatischen Möglichkeiten erschöpft sind", sagte Rice.
  • Die iranische Regierung will den Streit um ihr Atomprogramm durch vertrauensbildende Maßnahmen entschärfen und ausländische Firmen an der Anreicherung von Uran beteiligen. Private und öffentliche Unternehmen aus dem Ausland seien eingeladen, "an Irans Programm zur Urananreicherung mitzuwirken", sagte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am 17. Sept. in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York. Seine Regierung sei zu einer "ernsthaften Partnerschaft" in dieser Frage bereit. Ahmadinedschad schlug zudem vor, künftig auch Südafrika an den Verhandlungen über sein Atomprogramm zu beteiligen; das Land spiele in der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) eine besonders aktive Rolle.
  • Vor dem Treffen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hat der Iran die Organisation vor einem scharfen Vorgehen gewarnt. "Wir erwarten, dass die IAEA nicht unüberlegt, einseitig und extrem handelt", sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums am 18. Sept. Der Gouverneursrat der IAEA muss am Montag darüber entscheiden, ob er im Streit um das iranische Atomprogramm den UN-Sicherheitsrat anruft, der Sanktionen gegen Teheran beschließen könnte. "Wenn sie die Angelegenheit politisch und nicht technisch behandeln, wird sich das Klima radikalisieren", sagte der iranische Außenamtssprecher. Der Iran sei "taub für Drohungen". Diese hätten in der Vergangenheit stets "das Gegenteil des Erhofften gebracht".
  • Der britische Außenminister Jack Straw hat die Rede des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor der UNO in New York als "enttäuschend" bezeichnet. Nichts deute darauf hin, dass sich Teheran an frühere Absprachen halten will, sagte er der BBC am 18. Sept. Frankreichs Außenminister Philippe Douste-Blazy bestand darauf, dass Teheran der Umgang mit nuklearem Brennstoffen nicht erlaubt werden sollte.
Montag, 19. September, bis Sonntag, 25. September
  • Die Internationale Atomenergiebehördehat den Iran erneut aufgefordert, seine umstrittenen Atomanlagen für Kontrollen zu öffnen. Teheran müsse den IAEA-Kontrolleuren Zugang zu allen Atomanlagen sowie zu Verantwortlichen für das Nuklearprogramm gewähren, forderte IAEA-Chef Mohamed ElBaradei am 19. Sept. vor dem Gouverneursrat seiner Behörde in Wien. Notwendig seien eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen für mehr Transparenz. Es sei bedauerlich, dass der Streit um das iranische Atomprogramm "durch eine Zeit der Konfrontation und des politischen Tauziehens" gehe, beklagte der IAEA-Präsident. Er hoffe weiterhin auf eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.
    Zum Auftakt der Tagung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergie-Organisation machten EU-Diplomaten erneut deutlich, dass sie den "Fall Iran" an den Weltsicherheitsrat übergeben wollen. Iran wiederum verurteilte das als eine "teuflische Politisierung". Gegen die Absicht der Europäischen Union gibt es starken Widerstand von etwa 15 der 35 Mitglieder des Gouverneursrats.
  • Im Atomstreit mit Teheran hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad seine Haltung bekräftigt. Der Westen tue, was er für nötig halte - "und wir tun, was wir für nötig halten", sagte Ahmadinedschad am 19. Sept. im iranischen Staatsfernsehen. Das iranische Volk bewahre seine Rechte, und auch wenn der Fall an den UN-Sicherheitsrat überwiesen werde, werde nichts geschehen, fügte Ahmadinedschad hinzu.
  • Israels Außenminister Silvan Schalom hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und die UNO aufgefordert, das iranische "Regime des Bösen" am Erwerb von Atomwaffen zu hindern. "Die Sicherheit und die Stabilität des gesamten Planeten" stünden auf dem Spiel, sagte Schalom am 20. Sept. vor der UN-Vollversammlung in New York. Der Iran stelle die "zentrale Bedrohung" für die weltweite Sicherheit dar. Das Schicksal der Menschheit dürfe nicht in den Händen der "Tyrannen von Teheran" liegen, fuhr Schalom fort. Es sei "notwendig und dringend", dass der UN-Sicherheitsrat handele.
  • Der Iran hat im Atomstreit auch mit einem Zudrehen des Öl-Hahns gedroht. Einige Länder, die mit dem Iran wirtschaftlichen Handel betrieben, "vor allem im Bereich Erdöl", hätten die Regierung in Teheran im Atomstreit "bislang nicht verteidigt", sagte der iranische Atom-Unterhändler Ali Laridschani am 20. Sept. vor Journalisten in Teheran. Ohne Namen zu nennen, drohte er diesen Ländern damit, zwischen beiden Fragen einen Zusammenhang herzustellen. Wer die nationalen Rechte Irans verteidige, erleichtere auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit, fügte Laridschani hinzu.
  • Vor einer Sitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hat der Iran am 21. Sept. wieder versöhnlichere Signale ausgesandt. Teheran wolle mit seinem Nuklearprogramm nicht gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen, versicherte Vizepräsident Gholamresa Aghasadeh, der zugleich Leiter des iranischen Atomprogramms ist. Aghasadeh traf sich in Wien mit Vertretern Chinas, Russlands und der Bewegung der Blockfreien. Diese lehnen die von EU und den USA geforderte Einschaltung des Sicherheitsrats ab. Ein Resolutionsentwurf der EU-Troika aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien empfiehlt dem Gouverneursrat die Überweisung des Falls an den Sicherheitsrat. Dieser könnte Sanktionen gegen Teheran verhängen. Aghasadeh versicherte vor Journalisten, dass Iran nicht die Absicht habe, gegen den Atomwaffensperrvertrag zu verstoßen. Zu seinen diplomatischen Bemühungen, eine Überweisung an den Sicherheitsrat zu verhindern, sagte er: "Ich denke, sie werden erfolgreich sein."
    US-Delegationsleiter Gregory Schulte empfahl, ähnlich vorzugehen wie seinerzeit im Fall Nordkorea und das Thema Iran so vor den Sicherheitsrat zu bringen. Als Pjöngjang vor zwei Jahren erklärte, sich nicht mehr an den Atomwaffensperrvertrag gebunden zu fühlen, sei der Gouverneursrat "seiner Verpflichtung nachgekommen", dies dem Sicherheitsrat zu melden. Iran hat jedoch betont, dass seine Aktivitäten keinen Verstoß gegen den Vertrag darstellten. Agasadeh sagte in Wien, eine Abkehr vom Atomwaffensperrvertrag stehe nicht auf der Tagesordnung.
    In einer Erklärung des russischen Außenministeriums hieß es laut einer Meldung der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax, eine Überweisung des Konflikts an den Sicherheitsrat würde eine Lösung des "iranischen Problems mit politischen und diplomatischen Mitteln" nicht fördern und sei daher kontraproduktiv.
  • Im Streit um das iranische Atomprogramm hat der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Klaus Scharioth, Teheran vor einseitigen Maßnahmen gewarnt. Er appelliere an Iran, zu den Verhandlungen zurückzukehren, sagte Scharioth vor der UN- Vollversammlung in New York am 21. Sept. Teheran sollte nicht bereits Erreichtes leichtfertig aufs Spiel setzen. Scharioth vertrat Bundesaußenminister Joschka Fischer. Fischer hatte wegen der Verhandlungen zur Regierungsbildung in Berlin nicht nach New York reisen können.
  • Im Atomstreit mit dem Iran wollen die EU-Vermittler zunächst auf die angedrohte Einschaltung des UN-Sicherheitsrats verzichten. Stattdessen solle zunächst der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, einen neuen Bericht über das iranische Atomprogramm für den IAEA-Gouverneursrat erstellen, heißt es in einem Entschließungsentwurf der EU, welcher der Nachrichtenagentur AFP am 22. Sept. in Wien vorlag. Der IAEA-Gouverneursrat solle dann über "Zeitpunkt und Inhalt" eines etwaigen Berichts an den UN-Sicherheitsrat entscheiden, heiß es in dem Entwurf weiter.
  • Der Iran ist nach Einschätzung der iranischen Exilopposition nur wenige Jahre vom Bau einer Atombombe entfernt. "Das Regime steht kurz davor, eine Atombombe produzieren zu können", erklärte der Iranische Widerstandsrat am 22. Sept. vor Journalisten in Brüssel. Teheran benötige nur noch zwei bis drei Jahre für den Bau einer ersten Bombe. Der Widerstandsrat forderte die internationale Gemeinschaft auf, so schnell wie möglich den UN-Sicherheitsrat anzurufen. Jede Verzögerung führe "zu einer Katastrophe", sagte Mohammed Mohadessin, einer der führenden Mitglieder der Organisation.
  • Russland hat im Streit um das iranische Atomprogramm auch den abgeschwächten Resolutionsentwurf der Europäischen Union für den Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehördeabgelehnt. Der Entwurf sei zu scharf formuliert, sagte der russische Botschafter Grigori Berdennikow am 22. Sept. am IAEA-Sitz in Wien der Nachrichtenagentur AFP. Der EU-Resolutionsentwurf legt Teheran zur Last, die Maßgaben des Atomwaffensperrvertrags zu verletzen. Das Land habe sich in dieser Hinsicht "viele Verstöße und Unterlassungen" zuschulden kommen lassen. Der IAEA-Gouverneursrat wollte am 23. Sept. darüber beraten.
  • Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat am 24. Sept. eine umstrittene Resolution zum iranischen Atomprogramm verabschiedet, die grundsätzlich eine Anrufung des UN-Sicherheitsrats ermöglicht. Der von der Europäischen Union eingebrachte Text wurde im Gouverneursrat mit 22 Ja-Stimmen bei einer Gegenstimme angenommen, wie IAEA-Sprecherin Melissa Fleming in Wien mitteilte. 12 der 35 Mitgliedsstaaten enthielten sich, darunter Russland und China. Der US-Botschafter bei der IAEA, Gregory Schulte, forderte, der Sicherheitsrat in New York müsse nun angerufen werden. (Hier geht es zum Wortlaut der Resolution (englisch, pdf-Datei.)
    Mit der Resolution stellte die IAEA fest, dass der Iran den Atomwaffensperrvertrag nicht eingehalten hat. Damit ist prinzipiell die Voraussetzung für eine Anrufung des UN-Sicherheitsrats gegeben und damit die Möglichkeit von Sanktionen eröffnet. Dieser Schritt wäre aber erst nach der Vorlage eines neuen Iran-Berichts von IAEA-Chef Mohamed ElBaradei möglich, der für November erwartet wird. Der Resolutionsentwurf der Europäer war bereits abgeschwächt worden: So enthält er nicht mehr ausdrücklich die Forderung nach einer sofortigen Befassung des UN-Sicherheitsrats mit dem Problem, sondern legt die Bedingungen für eine Überweisung zu einem späteren Zeitpunkt fest.
  • Bundesaußenminister Joschka Fischer hat die Resolution zum iranischen Atomprogramm begrüßt. "Die Bundesregierung begrüßt das eindeutige Votum des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergiebehörde" (IAEA), erklärte Fischer am Samstagabend in Berlin. Die Resolution sei ein "überzeugendes Ergebnis und ein klares Signal an Teheran, die große Besorgnis der internationalen Staatengemeinschaft über das iranische Atomprogramm ernst zu nehmen und ihr Rechnung zu tragen".
    Iran hat im Streit um sein Atomprogramm die jüngste Resolution der Internationalen Atomenergie-Organisation als nicht akzeptabel zurückgewiesen. Ein Sprecher des Teheraner Außenministeriums sagte der Nachrichtenagentur ISNA am 25. Sept., die Entschließung habe keine rechtliche Grundlage. Die Entschließung sei "inakzeptabel" und entbehre jeder rechtlichen Grundlange, sagte der iranische Außenminister Manuschehr Mottaki am 25. Sept. der amtlichen Nachrichtenagentur Irna. Teheran reichere seit einem Jahr kein Uran mehr an und erfülle freiwillig die Zusatzvereinbarungen mit der internationalen Gemeinschaft. Hingegen zeige die Resolution, dass die europäischen Länder sich nicht an die Absprachen der vergangenen zwei Jahre hielten. Der Iran sei weiterhin offen für Verhandlungen. Er behalte sich jedoch auch das Recht auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie vor, betonte Mottaki.
Montag, 26. September, bis Freitag, 30. September
  • Als "absurd" hat der Iran am 26. Sept. die Resolution der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zurückgewiesen, mit der die Einschaltung des Weltsicherheitsrates wegen Teherans Atomprogramm ermöglicht wird. "Der Beschluss demonstriert, wie die Grenzen zur Absurdität überschritten werden, wenn Politik die Arbeit der IAEA bestimmt", sagte der iranische Vizepräsident Resa Aghasade in Wien. Die Atombehörde der Vereinten Nationen hatte sich dort zu ihrer 139. Sitzung versammelt, auf der sie Behördenchef Mohamed ElBaradei für eine dritte Amtszeit wählte. Für Aghasade, der auch der Leiter des iranischen Atomprogramms ist, gibt es keine rechtliche Grundlage für eine Anrufung des UN-Sicherheitsrates. "Welche Wundermittel soll der Rat zur Beilegung der Krise haben?", fragte er, und legte nahe, dass Teheran mit einer weiteren Eskalationsstufe auf die Überweisung der Iran-Akte nach New York reagieren würde.
  • Nach der IAEA-Resolution zum Atomstreit mit dem Iran will Großbritannien die Tür zu Verhandlungen weiter offen halten. Ein Krieg gegen den Iran sei unvorstellbar, sagte Außenminister Jack Straw am 28. Sept. dem Rundfunksender BBC. Hingegen hat US-Präsident George W. Bush den Einsatz militärischer Mittel in dem Konflikt nicht ausgeschlossen. Am Rande des Parteitags der Labour Party in Brighton sagte Straw, er hoffe nach wie vor, dass sich der Konflikt auf diplomatischem Wege lösen lasse. Der Verlauf des Konflikts sei von fundamentaler Bedeutung und könne die geopolitische Landschaft auf Jahre hinaus prägen. Auch die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice habe deutlich gemacht, dass ein Militärschlag gegen den Iran nicht auf der Tagesordnung stehe.
  • Das iranische Parlament setzte am 28. Sept. die Debatte über eine Gesetzesvorlage an, mit der die Regierung zur Einstellung der IAEA-Inspektionen veranlasst werden soll. Diese sind in einem Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag verankert. Der Vorstoß setzt der Regierung eine Frist von zwei Wochen, dem von Hardlinern dominierten Parlament einen Bericht zur Umsetzung des Atomwaffensperrvertrags vorzulegen. Auch soll die Regierung Rechenschaft ablegen über die Wirtschaftsbeziehungen zu Staaten, die die IAEA-Resolution unterstützt haben. Verärgert ist der Iran vor allem über die Stimmenthaltung von Indien. Der iranische Botschafter in Neu-Delhi, Sijawasch Sargar Jaghubi, traf am Mittwoch mit Außenminister Shyam Saran zusammen, um diesem die Enttäuschung seiner Regierung zu erläutern. Die indische Regierung dementierte jedoch einen Bericht der Zeitung «The Hindu», wonach der Iran ein geplantes Geschäft mit Indien zur Lieferung von Erdgas hat platzen lassen. Nach einer Vereinbarung vom Juni will Indien ab 2009 jährlich fünf Millionen Tonnen Flüssiggas aus dem Iran importieren. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 25 Jahren.
  • Die US-Image-Beauftragte Karen Hughes hat sich bei der Rückkehr von ihrer ersten Nahost-Rundreise optimistisch gezeigt, neue diplomatische Kanäle erschließen zu können. "Ich öffne Türen für das Gespräch", sagte Hughes am 30. Sept. bei ihrer Rückkehr nach Washington. Die Vertraute von US-Präsident George W. Bush hatte sich in dieser Woche in Ägypten, Saudi-Arabien und der Türkei aufgehalten.



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