Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Iran hofft auf Genfer Atomrunde

Fortschritte im Streit um Nuklearprogramm

Von Olaf Standke *

Wie Irans neuer Präsident Hassan Ruhani der »Washington Post« sagte, wolle sein Land die Atomverhandlungen so schnell wie möglich abschließen.

Hassan Ruhani ist zuversichtlich. »Die Verhandlungen haben bis jetzt gute Fortschritte gemacht, wir hoffen aber, dass beim neuen Treffen der nächste und effektive Schritt genommen wird«, so der iranische Präsident vor der heute beginnenden Verhandlungsrunde mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland in Genf. Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, zugleich Teherans Chefunterhändler, hält eine Einigung mit der internationalen Gemeinschaft sogar noch in dieser Woche für möglich. Tatsächlich gibt es nach jahrelangem Stillstand bei den Verhandlungen über Irans Nuklearprogramm Bewegung. Westliche Regierungen und im besonderen Maße auch Israel verdächtigen Teheran, insgeheim am Bau einer Atombombe zu arbeiten. Iran hat das immer bestritten, besteht auf sein Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie und kritisiert die verhängten Sanktionen.

Seit 2007 wird im Komplex von Natans südöstlich der Hauptstadt bis zu fünf Prozent schwach angereichertes Uran produziert, das man in Kernkraftwerken zur Stromgewinnung einsetzt. Bis August dieses Jahres soll Iran 9704 Kilogramm angehäuft haben, deutlich mehr als für sein einziges AKW in Buschehr gebraucht werde. Auch mit deutscher Hilfe seit 1975 gebaut, wurde es 2010 in der Stadt am Persischen Golf mit Brennstäben aus Russland eröffnet. Ein Jahr später ging der 1000-Megawatt-Leichtwasserreaktor in Betrieb. Zudem installierte man dort eine neue Generation von Zentrifugen, die erheblich mehr Uran anreichern können. Rund 1000 sind laut Internationaler Atomenergiebehörde IAEA einsatzbereit, aber nicht in Betrieb.

Die IAEA geht auch davon aus, dass in der Militäranlage Parchin südöstlich von Teheran im Jahr 2000 ein Reaktorbehälter installiert wurde. Inzwischen wird von Demontagemaßnahmen berichtet. Vorwürfe, dort seien Tests mit Atomsprengköpfen simuliert worden, hat Iran stets dementiert. Im Atomforschungszentrum Isfahan steht eine Anlage zur Produktion von Kernbrennstäben. Seit 2006 wird dort auch das in Zentrifugen zur Urananreicherung benötigte Hexafluoridgas hergestellt.

In Arak soll seit 2006 eine Anlage zur Herstellung von schwerem Wasser betrieben werden, wobei sich der Schwerwasserreaktor noch im Bau befinde. In ihm fällt Plutonium an, das auch für die Waffenproduktion verwendet werden kann. Ein kleiner Leichtwasserreaktor in Teheran wurde noch zu Zeiten des 1979 gestürzten Schahs mit Hilfe der USA errichtet. Er soll wie das in den 90er Jahren gebaute Nuklearforschungszentrum Karadsch Material für medizinische und wissenschaftliche Zwecke produzieren, wozu auf 20 Prozent angereichertes Uran benötigt wird. Das wird in einer unterirdischen Fabrik in Fordo hergestellt. Die erst 2009 von der Teheraner Führung öffentlich gemachte Anlage wurde auf einem früheren Militärgelände nahe Qom gebaut.

Nach der letzten Gesprächsrunde im Oktober nun wurde von ersten Verhandlungsfortschritten berichtet, ohne dass es schon einen Durchbruch gegeben habe. Deshalb einigten sich beide Seiten auf Expertengespräche in Wien und zeigten sich anschließend durchaus zufrieden. Die 5+1-Gruppe will Sicherheiten, dass Irans Atomprogramm friedlich sei und kein geheimes Waffenprogramm existiert. Teheran will sie geben. Ein ziviles Nuklearprogramm müsse aber die Urananreicherung auf mindestens fünf Prozent für die Stromerzeugung einschließen. Verhandelbar seien der Stopp der Anreicherung auf 20 Prozent und ausgeweitete IAEA-Inspektionen, auch von Militäranlagen. Die Atomenergiebehörde lobte zuletzt einen neuen Vorschlag Irans als konstruktiv und kooperativ, nannte aber keine Details. IAEA-Chef Yukiya Amano wurde nach Teheran eingeladen. Der Westen drängt auf die Wiederaufnahme des IAEA-Zusatzprotokolls, wodurch Inspekteure unangemeldeten Zugang zu Atomanlagen erhielten, und eine erneute Inspektion der Anlage Parchin.

Im Gegenzug erwartet Teheran eine zumindest teilweise Aufhebung der internationalen Sanktionen, etwa um wieder lebenswichtige Medikamente und Nahrungsmittel bestellen zu können. An den Wiener Expertengesprächen sollen auch Vertreter des Banken- und Versicherungssektors teilgenommen haben, so dass jetzt in Genf erste Erleichterungen vor allem in diesem Bereich möglich scheinen. Allerdings gehen informierte Beobachter davon aus, dass bei allem Optimismus von Dschawad Sarif wohl noch keine weiterreichenden Entscheidungen zu erwarten sind. Ohnehin machen nicht nur Hardliner in Iran gegen die neue Annäherung mobil. Vor allem Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnt immer wieder, wie nahe doch Teheran seiner ersten Atombombe schon sei. Und im Washingtoner Kongress drängen Abgeordnete und Senatoren aktuell auf neue Sanktionen gegen Irans Banken- und Ölsektor.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 7. November 2013


Neue Runde in Genf

Atomgespräche zwischen Iran und der Sechsergruppe. Teherans Außenminister hält Einigung noch in dieser Woche für möglich

Von Knut Mellenthin **


In Genf beginnt heute ein zweitägiges Treffen zwischen Vertretern Irans und der sogenannten Sechsergruppe, die aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und USA – plus Deutschland besteht. Alleiniges Thema ist erneut der seit zehn Jahren geführte Streit um das iranische Atomprogramm. Damit werden die Verhandlungen fortgesetzt, die am 15. und 16. Oktober ebenfalls in der Schweizer Stadt geführt worden waren. Iran hatte dort einen umfassenden Vorschlag zur stufenweisen Lösung der Meinungsverschiedenheiten präsentiert. Das Angebot war von westlichen Teilnehmern des Treffens übereinstimmend als das bei weitem konkreteste bezeichnet worden, das jemals von iranischer Seite gemacht worden sei. Über seinen Inhalt ist aufgrund der vereinbarten Vertraulichkeit nach wie vor absolut nichts bekannt. Das ist erstaunlich, da inzwischen viele Personen offiziell über den iranischen Vorschlag informiert wurden – unter anderem die israelische Regierung, führende Mitglieder des US-Kongresses aus beiden großen Parteien und angeblich auch iranische Parlamentarier. Normalerweise werden alle den Atomstreit betreffenden internen Sachverhalte sehr schnell von interessierter Seite an die Medien weitergegeben.

Am Dienstag äußerte sich Teherans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif betont optimistisch: Er halte es für möglich, daß beim Genfer Treffen schon eine Vereinbarung erreicht werden könne, sagte er dem französischen Fernsehsender France 24. Freilich könne er nur für den Iran sprechen, schränkte Sarif sogleich ein, und nicht für die andere Seite. Am Montag hatte Präsident Hassan Rohani bei einem Treffen mit iranischen Parlamentariern überhöhte Hoffnungen zu dämpfen versucht: Niemand solle erwarten, daß alle Probleme in Kürze gelöst werden könnten. Die Aufhebung der Sanktionen – für die iranische Bevölkerung ein zentrales Thema von größter Wichtigkeit – erfordere »eine angemessene Menge Zeit«.

Gleichzeitig führt Iran auch die Gespräche mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) weiter. Ihr Verlauf beeinflußt zweifellos auch die Verhandlungen mit der Sechsergruppe, ist aber von diesen unabhängig. Die IAEA will, unterstützt von mehreren Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, den Zugang zu Objekten und Personen erzwingen, die mit den Kompetenzen der Behörde nichts zu tun haben. Diese sind auf den Umgang mit radioaktivem Material beschränkt. Was das angeht, sind die Kontrollen der Behörde im Iran wahrscheinlich ohnehin schon wesentlich intensiver als in anderen Ländern. Bei den Streitfragen geht es beispielsweise um militärische Produktions- und Forschungskomplexe wie Parchin. Iran scheint grundsätzlich bereit, in begründeten Ausnahmefällen auch dort Inspektionen zu genehmigen, hat bisher aber als Voraussetzung eine ausdrückliche Garantie der IAEA verlangt, daß dies nicht als Präzedenzfall interpretiert werden darf.

Das mittlerweile zwölfte ergebnislose Treffen seit Anfang 2012 fand am 28. und 29. Oktober in Wien statt. Am nächsten Montag soll es in Teheran weitergehen. Die iranische Seite hat IAEA-Generaldirektor Jukija Amano zur Teilnahme eingeladen. Der wird aber vermutlich nur kommen, wenn wirklich eine Einigung in Sicht ist. Im Mai 2012 hatte er sich in dieser Hoffnung schon einmal in die iranische Hauptstadt begeben – und war enttäuscht wieder abgereist.

Auf der anderen Seite agieren die notorischen Hardliner und andere Sprachrohre der Pro-Israel-Lobby im US-Kongreß, vor allem im Senat, immer noch erstaunlich zurückhaltend. Die übliche Begründung, sie wollten »der Diplomatie eine Chance geben«, ist bei diesem Personenkreis völlig unglaubwürdig. Aber sie scheinen sich aus irgendwelchen Gründen sehr sicher zu sein, daß die Möglichkeit einer Verständigung zwischen den Regierungen der USA und des Iran nicht ernsthaft besteht.

Deutlichstes Signal ist, daß die Verabschiedung neuer Sanktionen immer noch gestoppt ist. Im Senat liegt seit Monaten ein Gesetzentwurf auf Eis, der vom Abgeordnetenhaus im Juli mit 400 gegen 20 Stimmen verabschiedet wurde. Sein Kernstück sieht vor, den iranischen Erdölexport – die bei weitem wichtigste Einnahmequelle des Landes – innerhalb eines Jahres nahezu zum Stillstand zu bringen. Das soll durch die Androhung von wirtschaftlichen Strafmaßnahmen und Repressalien gegen Irans größte Kunden – China, Indien, Südkorea und Türkei – erreicht werden.

Zur Zeit wird offenbar sowohl im Banken- als auch im außenpolitischen Ausschuß des Senats an einer eigenen Version des Gesetzes gearbeitet. Diese müßte, sofern sie vom Senat angenommen würde, dann noch mit dem Abgeordnetenhaus vereinheitlicht werden. Das wird nach allgemeiner Einschätzung frühestens im Dezember passieren.

Um die Pro-Israel-Lobby zu beruhigen, hatte die US-Regierung am vorigen Dienstag die Führer von vier Organisationen eingeladen: der offiziellen Lobby AIPAC, des American Jewish Committee, der Anti-Defamation League – nicht viel mehr als ein Ein-Mann-Laden, der allerdings der Demokratischen Partei nahesteht – und der sogenannten Präsidentenkonferenz, des Dachverbandes von rund 50 jüdischen Organisationen der USA. Anschließend wurde, vermutlich gezielt, das Gerücht ausgestreut, die jüdische Seite habe der Regierung zugesichert, 60 Tage lang darauf zu verzichten, für schärfere Sanktionen und mehr Druck zu werben. Das wurde jedoch umgehend von den meisten jüdischen Teilnehmern dementiert.

** Aus: junge welt, Donnerstag, 7. November 2013


Das Ölembargo gegen Teheran leert auch die Brotkörbe

Der neue iranische Präsident Ruhani sieht sich vor größeren innenpolitischen Schwierigkeiten

Von Roland Etzel ***


Die Preise für Lebensmittel sind in Iran in schwindelerregende Höhen gestiegen. Einige wurden im Laufe des Jahres um 250 Prozent teurer. Betroffen ist auch das wichtigste Nahrungsmittel: Brot.

Die Regierung des neuen Präsidenten Hassan Ruhani wird ihre prinzipielle Position im Streit um das Atomprogramm ebenso wenig verlassen wie ihre Vorgängerin. Allerdings geht der Präsident mit seinen Formulierungen etwas wählerischer um als früher. Die Arroganz in der Regierungsführung, wie sie Präsidentenvorgänger Mahmud Ahmadinedschad zu eigen war, gibt es nicht mehr.

Das hat vornehmlich mit anderen politischen Stilvorstellungen Ruhanis zu tun, ist aber auch unabdingbar, wenn es gelingen soll, die Westeuropa von den USA aufgenötigte Boykottfront aufzuweichen. Konnte Iran die seit etwa fünf Jahren schrittweise aufgebaute Embargopolitik lange Zeit überspielen, so hat sie seit 2011/12 durchaus schmerzhafte Auswirkungen. Wenn zum Beispiel Ölimporte zwar nicht verhindert, aber doch über gegen Iran verhängte Schikanen im internationalen Zahlungsverkehr erschwert werden, gilt dies ähnlich für den Import. Zwar sind humanitäre Versorgungsgüter wie Lebensmittel oder Medizinprodukte von den vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen ausgenommen. Praktisch wirken sie aber doch; zum Beispiel wenn der iranische Getreideimporteur keine Bank findet, über die er sein Geschäft mit dem kanadischen Getreidehändler abwickeln kann.

Zwar gibt es in Kanada genügend Geldhäuser, die Interesse an so einem Geschäft hätten, aber wohl keines, das nicht auch Geschäftsbeziehungen in die USA hat. Mit letzteren wäre es dann augenblicklich vorbei, was sich kein kanadisches Unternehmen leisten könnte.

Also müssen für den Handel auch völlig ziviler Güter komplizierte Umwege gegangen werden. Die Preise jedes so gehandelten Gutes steigen unweigerlich. Dies betrifft Hunderte Produkte des täglichen Bedarfs.

Von den Protagonisten des Embargos – Washington, London, Paris und inzwischen auch Berlin – wird selbstverständlich bestritten, dass dies beabsichtigt sei. Aber ebenso selbstverständlich ist genau das Kalkül: Möge die Bevölkerung immer unzufriedener werden und die Regierung in der Endkonsequenz zum Teufel jagen, weil das tägliche Leben unter ihr immer beschwerlicher wurde. Ob diese simple Rechnung jemals aufgeht, steht dahin. Doch geht dieses geopolitische Sandkastenspiel auf Kosten der Bevölkerung, vornehmlich des ärmeren, also ihres größeren Teils. Und eben gerade nicht, wie behauptet, auf Kosten der »Mullahs«, des schiitischen Klerus.

Die iranische Verhandlungsseite hat die von dieser Flanke drohende Gefahr längst erkannt. Auch deshalb wird erwartet, dass sie bei der jetzigen Verhandlungsrunde konkrete Angebote machen wird, dafür aber ebenso konkrete Gegenleistungen bei der Linderung des Embargos erwartet – und zwar sofort.

Präsident Ruhani ist seit seinem Amtsantritt im Sommer bemüht, den innenpolitischen Zündstoff in vielerlei Hinsicht zu reduzieren, auch durch etwas mehr Freizügigkeit und Abbau von vermeintlich durch den Islam gebotenen Restriktionen im täglichen Leben. Zwar unterstehen die geheimpolizeilich wirkenden Tugendwächter überhaupt seinem Amtsbereich, dennoch nutzte er den Schwung der haushoch gewonnenen Wahl, um beispielsweise politische Gefangene freizulassen.

Inzwischen schlägt das Pendel zurück. Die Revolutionsgarden machen darauf aufmerksam, dass sie nach wie vor als Staat im Staate zu agieren in der Lage sind und auf die Charme-Offensive ihres Präsidenten pfeifen. Die derzeitige Repressionswelle, verbunden mit einer gestiegenen Zahl an Hinrichtungen, verweist auf diesen nicht erklärten Machtkampf – und ebenso der dramatische Hungerstreik politischer Häftlinge im Teheraner Evin-Gefängnis.

Auch in Deutschland hat eine Politik des erhöhten Druck auf Ruhani starke Befürworter – angeblich um Zugeständnisse im Atomstreit zu erzwingen. Doch ist es gut möglich dass sie genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie vermeintlich erreichen sollen: Man stärkt Religionsführer Ayatollah Chamenei und die Revolutionsgarden. Den politischen Gefangenen hilft man damit natürlich auch nicht. Eigentlich hatte die EU auf diese Weise schon den ebenfalls als Reformpräsidenten geltenden Mohammed Chatami (1998–2005) geschwächt. Dass daraus gelernt wurde, ist noch nicht absehbar.

*** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 7. November 2013


Kampf zweier Linien

Streit im Iran über strategischen Kurs gegenüber Westen. Debatte ohne Substanz angesichts des Fehlens sachlicher Informationen

Von Knut Mellenthin ****


In Teheran und anderen iranischen Städten fanden am Montag wieder die üblichen alljährlichen Massendemonstrationen, Großkundgebungen und Veranstaltungen zum Gedenken an die Besetzung der US-Botschaft statt, die am 4. November 1979 begann und erst am 20. Januar 1981 beendet wurde. Westlichen Agenturberichten zufolge waren es die größten Demonstrationen dieser Art seit langem, nachdem die Teilnehmerzahlen in den vergangenen Jahren deutlich abgesunken waren.

Hunderttausende riefen die traditionelle Hauptparole »Tod den USA!«, die sich auch weniger martialisch mit »Nieder mit den USA!« übersetzen läßt. Zeitungen und Politiker, die den sogenannten Reformern nahestehen, hatten in den vergangenen Wochen polemisiert, daß diese Parole angesichts der Bemühungen um bessere Beziehungen in den USA – die indessen noch nicht das geringste praktische Ergebnis zu verzeichnen haben – »nicht mehr zeitgemäß« sei.

Vor kurzem waren Großplakate mit dieser Parole, die eine Gruppe in Teheran und anderen Städten massenhaft angebracht hatte, auf Anweisung der Behörden entfernt worden. Ebenso wurde mit Plakaten verfahren, auf denen die Ehrlichkeit der US-Regierung sarkastisch in Frage gestellt worden war. Sie zeigten einen Iraner und einen Amerikaner am Verhandlungstisch. Jener trug oben Hemd und Anzugjacke, unter dem Tisch aber eine Uniformhose mit Militärstiefeln und ein Gewehr in der Hand (siehe oben). Als Grund für die Entfernung der Plakate wurde angegeben, daß sie nicht ordnungsgemäß beantragt worden seien.

Viele Iraner, insbesondere Gruppen, die hierzulande als »Hardliner« und »Konservative« bezeichnet werden, aber auch führende Funktionäre der Revolutionsgarden, kritisieren das absolute Fehlen von Informationen über die internationalen Verhandlungen um die Zukunft des Atomprogramms. Da sie davon ausgehen, an den Forderungen und Zielen der USA habe sich nichts Wesentliches geändert, befürchten sie, daß die Teheraner Regierung unter dem neuen Präsidenten Hassan Rohani eine Einigung durch Preisgabe eigener zentraler Positionen anstrebt.

Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei hat am Sonntag erneut in diese Debatte eingegriffen, indem er auf seiner Website forderte, niemand solle dem iranischen Verhandlungsteam übermäßige Kompromißbereitschaft vorwerfen. Zugleich wiederholte er, daß er persönlich hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Gespräche mit der Sechsergruppe »nicht optimistisch« sei, und setzte ein wirklich nicht hoffnungsvoll klingendes »aber mit Gottes Hilfe werden wir wenigstens keinen Schaden (durch die Verhandlungen) erleiden« hinzu.

Die meisten iranischen Medien stellen hinsichtlich der Gespräche beharrlich ein Wunschdenken zur Schau, das dort zwar als »Optimismus« bezeichnet wird, aber immer wieder die Grenze zur Verfälschung der Tatsachen überschreitet. Viele iranische Journalisten tun so, als wäre die Aufhebung der Sanktionen in absehbarer Zeit schon eine ausgemachte Sache. Mit der Behauptung, der Westen habe verstanden, daß er Iran durch Drohungen und Erpressungen nicht einschüchtern könne, und habe deshalb seine Politik korrigiert, versucht man zugleich, auch nationalistische Kräfte zufrieden zu stellen.

**** Aus: junge welt, Donnerstag, 7. November 2013

Chronik 2013

20. März 2013: Präsident Obama sagt, die USA würden eine atomare Aufrüstung Irans notfalls auch mit Waffengewalt verhindern.

17. Juni: Irans neuer Präsident Ruhani verspricht mehr Transparenz im Atomstreit und verurteilt die Sanktionen gegen sein Land.

28. August: Iran weitet laut IAEA sein Atomprogramm aus.

18. September: Ruhani erklärt, Iran werde keine Atomwaffen bauen. Israel wirft ihm Täuschung vor.

24. September: In seiner ersten Rede bei den UN versichert Ruhani, Iran wolle »fristgebundene und ergebnisorientierte Verhandlungen«.

26. September: Am Rande der UN-Vollversammlung verhandelt Iran erstmals mit den 5+1-Staaten auf Ebene der Außenminister.

27. September: US-Präsident Obama telefoniert mit Ruhani, der erste direkte Kontakt auf dieser Ebene zwischen beiden Ländern seit der iranischen Revolution 1979.

15./16. Oktober: In einer neuen 5+1-Gesprächsrunde erklärt Teheran seine Bereitschaft, die Urananreicherung zu begrenzen und die Atomanlagen einfacher kontrollieren zu lassen.

28./29. Oktober: In Gesprächen mit der IAEA zeigt sich Teheran bei der geforderten Besichtigung von Atomanlagen kompromissbereit. Die IAEA interessiert sich besonders für die Militäranlage Parchin, wo an Atomsprengköpfen gearbeitet worden sein soll.




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