Das internationale Recht verlangt eine friedliche Streitschlichtung
Appell an Großbritannien und Iran, den Konflikt zu deeskalieren - Pressemitteilung aus der Friedensbewegung im Wortlaut
Im Folgenden dokumentieren wir eine Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag, die sich mit dem britisch-iranischen Konflikt um die Gefangennahme von 15. britischen Soldaten befasst.
Friedensbewegung warnt vor Eskalation im britisch-iranischen Streit
"Den Ball flach halten" - Die I. Haager Konvention anwenden
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
-
Iran-Großbritannien: Den Konflikt deeskalieren
- Nicht drohen, sondern die I. Haager Konvention umsetzen
- Friedensbewegung appelliert an beide Seiten
- Ostermärsche gegen drohenden Irankrieg
Kassel, 30. März - Zur erhöhten Kriegsgefahr um den Iran und zu den
Aktivitäten der Friedensbewegung erklärte am Freitag ein Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag:
Verschiedene Vorgänge und Anlässe der letzten Tage und Wochen haben den
Konflikt um das iranische Atomprogramm eskalieren lassen:
-
Die militärische Umzingelung Irans mit US-amerikanischen Stützpunkten
(Irak im Westen, Afghanistan und Pakistan im Osten) und Flugzeugträgern
(im Persischen Golf) ist weit fortgeschritten. Militärexperten sprechen
davon, dass der Truppenaufmarsch am Golf zumindest für Luftangriffe auf
ausgewählte Ziele im Iran (vermutete Atomanlagen bis hin zu politischen
Führungsriege des Staates) ausreichend ist.
- Nach einem Bericht der "Jerusalem Post" haben zahlreiche Botschaften
im Nahen Osten angesichts der sich verschärfenden Situation neue
Evakuierungspläne erarbeitet.
- Die USA führen in diesen Tagen ein Großmanöver vor der Küste Irans
durch, von dem der russische Außenminister sagte, dass es die ohnehin
angespannte Situation in der Region weiter erschwere: "Der Persische
Golf befindet sich in einem so nervösen Zustand, dass beliebige
Handlungen in diesem Gebiet, zumal mit Anwendung militärischer Gewalt,
der Situation Rechnung tragen müssen, die ohnedies schon äußerst
gespannt ist." (Sergej Lawrow am 29. März).
- Im UN-Sicherheitsrat wurde vor einer Woche Resolution 1747
durchgesetzt, wonach die Sanktionen gegen Iran verschärft wurden. Der
UN-Sicherheitsrat besteht wie die Internationale Atomenergiebehörde in
Wien immer noch darauf, dass Iran die Urananreicherung aussetzt - eine
Forderung, die an keinen anderen Staat der Welt gestellt wird und gegen
den die Satzung der IAEO verstößt. In 60 Tagen (spätestens am 24. Mai)
soll Iran die Bedingungen des Sicherheitsrats erfüllen.
- Vor einer Woche nahm die iranische Marine 15 britische Soldaten fest,
weil sie angeblich in iranisches Gewässer eingedrungen seien.
Großbritannien leugnet die Grenzverletzung und behauptet demgegenüber,
bei der iranischen Maßnahme handle es sich um einen Akt der Geiselnahme.
Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen gießt zusätzliches Öl ins
Feuer.
Großbritannien und Iran scheinen Gefallen daran zu haben, weiter an der
Eskalationsschraube zu drehen. Die iranische Weigerung, den britischen
Soldaten konsularischen Beistand zu gewähren, ist nach internationalem
Recht ebenso inakzeptabel wie die britische Forderung nach sofortiger
Freilassung der "Geiseln". Und verfehlt ist es auch, wenn die
Europäische Union bzw. die deutsche Ratspräsidentschaft sich in dem
Streitfall sofort und bedingungslos hinter Großbritannien stellt.
Die Beachtung internationalen Rechts gilt für beide Seiten. In diesem
Fall ist an das von Großbritannien und Iran unterzeichnete I. Haager
"Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle" (aus
dem Jahr 1899/1907) zu erinnern. Art. 2 dieses Abkommens bestimmt, dass
die Vertragsmächte "im Falle einer ernsten Meinungsverschiedenheit oder
eines Streites, bevor sie zu den Waffen greifen, die guten Dienste oder
die Vermittelung einer befreundeten Macht oder mehrerer befreundeter
Mächte anzurufen". Darüber hinaus wird es für sinnvoll erachtet, wenn
"eine oder mehrere Mächte, die am Streit nicht beteiligt sind, (...)
ihre guten Dienste oder ihre Vermittelung anbieten" (Art. 3). Falls
diese Maßnahmen zu keinem Ergebnis führen, besteht schließlich nach Art.
9 ff die Möglichkeit, eine "internationale Untersuchungskommission"
einzusetzen. Der vor 100 Jahren eingerichtete "Ständige Schiedshof"
(Art. 41 ff) ist nach dem Zweiten Weltkrieg von dem Internationalen
Gerichtshof (IGH) abgelöst worden. Er ist zuständig für exakt die
Streitigkeiten, die jetzt zwischen Iran und Großbritannien entstanden
sind. Eine vernünftige Reaktion Londons wäre die Anrufung dieses
Gerichts in Den Haag gewesen.
Die Friedensbewegung appelliert an die Regierenden in Teheran und
London, den Weg der friedlichen Erledigung dieses Streitfalles zu gehen
und den IGH anzurufen. Von der EU und der deutschen Präsidentschaft ist
zu fordern, dass sie "den Ball flach halten" und die Streitparteien auf
ihre internationalen Verpflichtungen hinweisen, anstatt einseitig
Teheran zu verurteilen und "selbstverständlich" London "Solidarität" zu
erweisen, wie Bundesaußenminister Steinmeier heute in Bremen sagte. Die
in der Sache zurückhaltende Reaktion des UN-Sicherheitsrats gestern war
von weitaus größerer Verantwortung getragen.
Mit den Ostermärschen - und falls die Krise sich weiter zuspitzt, schon
vorher - wird die Friedensbewegung den Druck auf die
Bundesregierung und die EU erhöht, damit sie sich nicht plötzlich in
einem Kriegsszenario wiederfinden, das im Pentagon entworfen wurde.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Zurück zur Seite "Stimmen gegen den Iran-Krieg"
Zur Iran-Seite
Zur Presse-Seite
Zur Seite "Friedensbewegung"
Zurück zur Homepage