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Die Kriegsplanungen stoppen!

Im Wortlaut: Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Iran und Kongo - Brief an Bundeskanzlerin

Die Kriegsplanungen stoppen!

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
  • Bundesausschuss Friedensratschlag tagte in Kassel
  • Brief an Bundeskanzlerin Merkel
  • Keinen Krieg gegen Iran
  • Gegen Kongo-Einsatz
  • UN-Sicherheitsrats-Beschluss: ein "bestelltes Mandat"
  • Bundestag darf Meinung der Bevölkerung nicht missachten
Kassel, 2. Mai 2006 - Zum Abschluss der Beratungen des Bundesausschusses Friedensratschlag am Wochenende in Kassel verabschiedete das Gremium einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, worin sie aufgefordert wird, alles zu tun, damit es nicht zu einem Krieg gegen Iran kommt. Widerstand kündigte die Friedensbewegung aber auch gegen den bevorstehenden Bundeswehreinsatz im Kongo an.

In dem Brief, der von möglichst vielen Menschen im Land unterschrieben und an die Bundeskanzlerin geschickt werden soll, werden die Kriegsplanungen der USA, die offenbar auch den Einsatz von Atomwaffen vorsehen, zurückgewiesen. Die Bundesregierung solle sich eindeutig gegen den drohenden Krieg aussprechen und "unmissverständlich" erklären, dass sich Deutschland "an einem Krieg gegen den Iran weder direkt noch indirekt beteiligen" werde. Statt dessen wird auf ernsthafte Verhandlungen gesetzt und eine "regionale Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit mit dem Ziel einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten" gefordert. Eine glaubhafte Politik gegenüber den Atomplänen Irans könne nur darin bestehen, dass die Atomwaffen besitzenden Staaten ihre eigenen Arsenale abbauen. Als wichtiger Schritt zu einer atomwaffenfreien Welt müssten die in Deutschland lagernden Atomwaffen der USA endlich abgezogen werden. (Wortlaut des Briefes im Anhang.)

Die eindeutige Haltung der Friedensbewegung gegen den Krieg habe weder etwas zu tun mit etwaigen Sympathien mit der Politik des iranischen Präsidenten noch mit einer Befürwortung des Ausbaus der zivilen Nutzung der Kernenergie. Dazu sagte der Sprecher des "Friedensratschlags" wörtlich: "Ich halte es da mit der ehemaligen US-Außenministerin Madeleine Albright, die vor kurzem sagte: 'You can't go to war with everybody you dislike.'" ('Man kann nicht gegen jeden in den Krieg ziehen, den man nicht mag.')(New York Times, 23. April 2006). Und was die zivile Nutzung der Kernenergie betrifft, so hat der Iran das Recht, das jedes andere Land der Welt auch hat. Dazu gehört auch der geschlossene nukleare Brennstoffkreislauf (von der Urananreicherung bis zur Wiederaufbereitung) - allerdings unter strikter Kontrolle der IAEO. Die aber hat der Iran auch nicht verweigert.

Auf entschiedenen Widerspruch stößt in Kreisen der Friedensbewegung auch die Absicht der Bundesregierung, Truppen in den Kongo zu entsenden. Die Resolution 1671 (2006) des UN-Sicherheitsrats vom 25. April, worin der Einsatz einer EU-Truppe erbeten wird, kam auf Bitten der EU zustande. Es handelt sich also um ein bestelltes Mandat. Die Absicherung der Wahlen im Kongo könnte, wenn wirklich bürgerkriegsähnliche Zustände zu befürchten wären, mit der 1.500 Soldaten umfassenden Truppe nicht gewährleistet werden. Ist aber die Lage ruhig, so bedarf es auch keiner militärischen "Absicherung", sondern dann wären internationale Wahlbeobachter angemessener. Immerhin ist im vergangenen Dezember ein Verfassungsreferendum im Kongo ohne jegliche Zwischenfälle verlaufen. So oder so ist ein Militäreinsatz also überflüssig. Das starke Interesse Frankreichs und Deutschlands am Zustandekommen der Kongo-Mission dient nach Auffassung des "Friedensratschlags" eher dem Nachweis der Existenzberechtigung von EU-Battlegroups, welche die EU zur Zeit aufbaut. Der Kongo-Einsatz soll darüber hinaus für einen weiteren Gewöhnungseffekt in der Bevölkerung sorgen, die Auslandseinsätzen gegenüber überwiegend skeptisch eingestellt ist. Eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr kam vor kurzem zum Ergebnis, dass 62 Prozent der Bevölkerung einen Krieg zur Herbeiführung von Gerechtigkeit ablehnen. 68 Prozent sind der Meinung, dass sich Konflikte in einem Staat oder zwischen Staaten mit friedlichen Mitteln lösen ließen.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag wird vor einem Bundestagsbeschluss zum Kongo-Einsatz auf die Bundestagsfraktionen zugehen und ihnen den Standpunkt der Friedensbewegung und die Haltung der Mehrheit der Bevölkerung zur Kenntnis bringen. "Es darf nicht länger sein, dass die Meinung der Bevölkerung in einer so entscheidenden Frage systematisch missachtet wird", sagte der Sprecher des "Friedensratschlags".

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Anhang: Brief an Frau Merkel



Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin

(Ort, Datum)

Kein Krieg gegen den Iran

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

über die Absicht der Vereinigten Staaten, einen Luftkrieg gegen den Iran zu führen, bin ich im höchsten Maße beunruhigt. Nach Berichten amerikanischer Zeitungen erwägt die Regierung der USA sogar den Einsatz von Atomwaffen gegen die iranischen Atomanlagen.

Von Ihnen und der Bundesregierung erwarte ich eine eindeutige Stellungnahme gegen diesen Krieg und gegen jegliche Kriegsplanung. Die Bundesregierung kann einen Beitrag dazu leisten, dass es nicht zu diesem Krieg kommt.
  • Sprechen Sie sich eindeutig gegen die Kriegspläne der US-Regierung aus.
  • Erklären Sie unmissverständlich, dass die Bundesrepublik Deutschland sich an einem Krieg gegen den Iran weder direkt noch indirekt beteiligen wird.
  • Sagen Sie den USA deutlich, dass wir den Einsatz von Atomwaffen ablehnen. Diese grauenvollen Waffen dürfen nie wieder zum Einsatz kommen.
  • Setzen Sie sich mit ganzer Kraft ein für eine friedliche Lösung auf dem Verhandlungsweg. Dazu gehört eine regionale Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit mit dem Ziel einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten, die Israel einschließt. Die Interessen aller Staaten und Völker der Region müssen dabei gewahrt bleiben. Dafür bleibt ausreichend Zeit, da der Iran selbst nach Geheimdienstberichten der USA fünf bis zehn Jahre brauchen würde, bis das Land Atomwaffen herstellen könnte.
  • Ich fühle mich in Deutschland ohne Atomwaffen sicherer. Setzen Sie sich dafür ein, dass die Nato und die USA ihre in Ramstein und Büchel stationierten Atomwaffen abziehen.
  • Treten Sie ein für die schrittweise Abschaffung aller Atomwaffen weltweit.
Mit freundlichen Grüßen




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