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Boykott statt Gespräche

EU fordert iranische Zugeständnisse als Vorbedingung für neue Verhandlungen. Kritische Stimmen im Iran gegen Zusammenarbeit mit IAEA

Von Knut Mellenthin *

Die Europäische Union sperrt sich gegen eine Wiederaufnahme der Gespräche mit dem Iran über sein Atomprogramm. Frankreichs Außenminister Alain Juppé bekräftigte diese Blockadehaltung am Donnerstag. Die EU habe dem Iran »spezielle Vorschläge für einen Dialog gemacht«, aber »leider hat sich das Land nicht in transparenter und kooperativer Weise zu diesem Gesprächsprozeß verpflichtet«. Deshalb müsse die EU, »um etwas zu vermeiden, was bestimmt irreparabel wäre, nämlich eine militärische Option«, jetzt die Sanktionen verschärfen, »damit das iranische Regime sich bewegt«.

Die 27 Staaten der Union wollen voraussichtlich am kommenden Montag während einer Außenministerkonferenz neue Strafmaßnahmen vor allem auf zwei Gebieten beschließen: ein Importverbot für iranisches Erdöl und die Beschlagnahme der Konten der Teheraner Zentralbank. Bisher ist noch nicht öffentlich bekannt, wann der Ölboykott einsetzen soll. Vor allem Griechenland wünscht eine längere Übergangszeit, während andere Staaten das Embargo schon am 1. Juli in Kraft treten lassen wollen. Iran exportierte im vergangenen Jahr rund 2,2 Millionen Barrel Öl pro Tag. Davon gingen 450000 Barrel täglich nach Europa.

Vor der Festsetzung eines neuen Treffens zwischen der Sechsergruppe und dem Iran verlangen die EU und die USA eine »glaubwürdige und vorbedingungslose«, schriftlich abgefaßte Zusicherung Irans, daß das Land zu einem Eingehen auf die Forderungen der Gegenseite, vor allem nach Einstellung der Urananreicherung, bereit ist. Daß Teheran das nicht akzeptiert, ist seit Jahren klar und wird sich auch durch eine Verschärfung der Sanktionen wahrscheinlich nicht ändern. Damit ist dieses Kontaktformat derzeit unbrauchbar.

Die Sechsergruppe besteht aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Rußland und China. Die vorerst letzten Gespräche mit iranischen Vertretern hatten im Januar 2011 im türkischen Istanbul stattgefunden.

Immer noch unklar ist, ob es in den nächsten Tagen zum Besuch einer hochrangigen Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im Iran kommen wird. Vertreter der Islamischen Republik haben dies zwar als scheinbar feststehende Vereinbarung bekanntgegeben und sogar schon ein Datum, die Zeit vom 29. bis zum 31. Januar, genannt. Demnach sollen die Vertreter der Atombehörde vom stellvertretenden Generaldirektor Herman Nackaerts angeführt werden, der Iran bereits im Frühjahr 2011 besucht hatte.

Nach Berichten aus Wien, dem Sitz der Atombehörde, ist aber noch keine Entscheidung über die Entsendung einer Abordnung gefallen. Die IAEA verlangt, ähnlich wie im Irak vor dem US-amerikanischen Überfall, freien Zugang zu sämtlichen Anlagen, Ausrüstungsgegenständen, Personen und Dokumenten, die sie für »relevant« hält. Generaldirektor Jukija Amano brachte es mit der Forderung auf den Begriff: »Wir wollen alles untersuchen, was eine militärische Dimension haben könnte.«

Im Iran sieht man darin die Gefahr, daß das Land systematisch für einen militärischen Angriff ausspioniert werden könnte, mit dem die USA und Israel permanent drohen. Die Abgeordnete Soreh Elahian, die dem Parlamentsausschuß für nationale Sicherheit und Außenpolitik angehört, äußerte am Donnerstag den Verdacht, daß Mitarbeiter der IAEA auch bei der Ermordung iranischer Wissenschaftler mit Informationen assistiert haben. Iran müsse seinen gesamten Umgang mit der Behörde und deren Inspektoren überprüfen, forderte die Parlamentarierin.

* Aus: junge Welt, 21. Januar 2012


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