Hohes Risiko
Obama setzt Iran-Sanktionen in Kraft
Von Knut Mellenthin *
Mit seiner Unterschrift hat US-Präsident Barack Obama am Freitag die vom
Kongreß beschlossenen neuen Sanktionen gegen Iran in Kraft gesetzt. Sie
ergänzen die vom UN-Sicherheitsrat am 9. Juni verhängten Strafmaßnahmen.
Die Sanktionen seien keine »Silberkugel«, kein garantiert wirkendes
Mittel, um Iran in die Knie zu zwingen, hatte der Sprecher des Weißen
Hauses, Robert Gibbs, am Donnerstag zugegeben. Zuvor hatte auch schon
der Chef des Geheimdienstes CIA, Leon Panetta, klar ausgesprochen, er
glaube nicht an die Wirksamkeit der Maßnahmen.
Das hinderte Obama freilich nicht, anläßlich der Unterzeichnung
schwungvoll zu verkünden: »Mit diesen Sanktionen stoßen wir ins Herz der
Fähigkeit der iranischen Regierung, ihr Atomprogramm zu finanzieren und
weiterzuentwickeln.« Das ist selbstverständlich völliger Unsinn. Wenn
die iranische Regierung wirklich, wie ihr ohne Beweise durch ständiges
Wiederholen unterstellt wird, am Bau von Atomwaffen arbeiten würde, wäre
Geldmangel sicher das allerletzte, woran dies scheitern könnte. Wäre
Iran wirklich, wie zuletzt CIA-Chef Panetta behauptete, nur noch zwei
Jahre von der Bombe entfernt, würden ihn Wirtschaftssanktionen gewiß
nicht vorher aus der Bahn werfen, sondern würden eher beschleunigend wirken.
Irak hat unter weitaus ungünstigeren Bedingungen, als sie jetzt der Iran
hat, zwölf Jahre Blockade, Isolierung und schärfste Embargomaßnahmen
durchgestanden. Aufgrund dieser wirtschaftlichen und finanziellen
Erdrosselungen starben Hunderttausende irakische Kinder. Diesen Preis
sei es wert gewesen, rechtfertigte sich die damalige US-Außenministerin
Madeleine Albright.
Was bezweckt die US-Regierung mit Sanktionen gegen Iran, von deren
Wirkungslosigkeit sie selbst von vornherein überzeugt ist? Im Grunde
dasselbe wie mit Obamas substanzlosen, aber theatralisch ausgespielten
»Verhandlungsangeboten«: Die vorstellbaren Mittel werden systematisch
eins nach dem andern abgearbeitet, um dann ihre Erfolglosigkeit
konstatieren zu können. Am Ende bleibt die »militärische Option« als
letzter verbliebener Ausweg.
Es besteht ein hohes Risiko, daß die US-Regierung schon in den
allernächsten Monaten versuchen wird, militärische Zwischenfälle auf See
zu provozieren und diese zu einem Luftkrieg gegen Iran zu eskalieren.
Als Grundlage könnte die am 9. Juni beschlossene UN-Resolution dienen,
die die Durchsuchung iranischer Schiffe erlaubt. Die Regierung in
Teheran hat bereits gewarnt, daß sie darauf mit ähnlichen
Kontrollmaßnahmen im Persischen Golf und in der Meerenge von Hormus
reagieren würde.
Noch steht aber der Weg offen, den von der Türkei und Brasilien
vermittelten iranischen Kompromißvorschlag zum Ausgangspunkt neuer
Verhandlungen zu machen. Um diese Chance nicht zu vernichten, ist es
höchste Zeit für China und Rußland, sich aus dem permanenten
»Schulterschluß« mit den USA zu befreien und eigenständig zu agieren.
* Aus: junge Welt, 3. Juli 2010
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