Sanktionen sind keine Lösung im Atomkonflikt
Bevölkerung Irans leidet unter Medikamentenengpässen und schlechter Versorgungslage
Von Hubert Thielicke *
Im Streit um das iranische Atomprogramm wird eine politische Lösung immer dringlicher, um die Verschlechterung der Lebensumstände
für die Bevölkerung zu stoppen.
Die Gespräche in Almaty zwischen
der 5+1-Gruppe und Teheran über
das iranische Atomprogramm in
der letzten Woche geben Anlass
zur Hoffnung, so der ehemalige
stellvertretende UN-Generalsekretär
Hans von Sponeck und der
deutsch-iranische Politologe Ali
Fathollah-Nejad. In Berlin berichteten
sie für die deutsche Sektion
der Internationalen Ärzte gegen
den Atomkrieg (IPPNW), dass beide
Seiten Kompromissbereitschaft
angedeutet hätten.
Im Unterschied zu Irak vor zehn
Jahren bestünden heute günstige
Voraussetzungen, den Konflikt
friedlich zu lösen, betonte Hans
von Sponeck. Damals hätten die
USA ihre Kriegspläne unilateral
durchsetzen können, heute müssten
sie auf das völlig andere internationale
Klima Rücksicht nehmen.
So sei Iran über die Bewegung
der Blockfreien und die
Shanghai-Organisation international
sehr gut vernetzt. Zudem hätte
ein Angriff auf die iranischen
Atomanlagen verheerende Folgen,
vor allem eine massive radioaktive
Kontamination der Region.
Gemeinsamkeiten des Konflikts
betreffen vor allem die Zivilbevölkerung,
die unter den vom Westen
ausgehenden Sanktionen leidet. In
Irak unter Saddam Hussein führten
die »umfassenden« Sanktionen
des UN-Sicherheitsrats, deren
Folgen durch das Programm »Öl
für Lebensmittel« gemildert werden
sollten, etwa zu erhöhter Kindersterblichkeit
sowie Armut.
Wenn heute gegenüber Iran
von »gezielten« Sanktionen gesprochen
werde, sei dies eine Lüge.
Durch Einschränkungen im Finanzwesen
würden auch andere
Bereiche geschädigt. Die verheerende
Versorgungslage, beispielsweise
im medizinischen Sektor,
führe zu einer ähnlichen Entwicklung
wie damals in Irak, wobei es
heute nicht einmal ein humanitäres
UN-Hilfsprogramm gebe.
So fehlten Medikamente für die
Behandlung tausender chronisch
kranker Opfer des Giftgaseinsatzes
der irakischen Armee gegen Iran
im ersten Golfkrieg, informierte
Matthias Jochheim, Vorsitzender
von IPPNW in Deutschland. Seine
Organisation versuche derzeit mit
deutschen Medikamente zu helfen.
Dass die vor allem von den USA
bewirkten Sanktionen nicht zum
anvisierten Ergebnis führen,
machte Ali Fathollah Nejad deutlich:
»Während große Teile der
Bevölkerung leiden, werden
staatsnahe Schichten kaum getroffen.« An Kraft verliere auch die
Zivilgesellschaft. Denn Menschen,
die sich ums tägliche Überleben
sorgen müssen, werden kaum an
den Kampf um Demokratie denken.
Der ausländische Druck bewirke
sogar einen gewissen nationalen
Solidarisierungseffekt mit
dem Regime. Die Wirtschaft würde
zwar durch die Sanktionen geschädigt,
vieles werde aber durch
das Engagement von Firmen aus
anderen Ländern, vor allem aus
China, ausgeglichen.
Die Druck- und Drohpolitik gegen
Iran ist nach Meinung der Gesprächsteilnehmer
daher gescheitert.
Erforderlich sei, die Rüstungsexporte
in die Region einzustellen
und endlich Verhandlungen
über eine von Massenvernichtungswaffen
freie Zone im Nahen
und Mittleren Osten aufzunehmen.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 05. März 2013
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