Mehr Diplomatie wagen
Nahostexperten loben die Gespräche in Istanbul *
Der israelische Journalist Hillel Schenker und der deutsch-iranische Politologe Ali Fathollah-Nejad sehen in der Verbesserung der diplomatischen Bemühungen eine Lösung des Atomstreits.
Schenker, Mitherausgeber der Zeitschrift »Palestine-Israel Journal of Politics, Economics & Culture«, sagte, dass ein israelischer oder westlicher Militärschlag gegen das Atomprogramm Teherans »eine Kettenreaktion der Gewalt« in der Region auslösen würde.
Die Gespräche, die am vorletzten Wochenende in Istanbul stattfanden, und eine weitere geplante diplomatische Runde mit Iran und der sogenannten 5+1-Gruppe (China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA und Deutschland) zeigten, dass es »womöglich Chancen für eine Einigung gäbe«, schätzte Schenker ein.
Der 70-jährige Israeli sprach überdies von einer dritten Alternative, die wenig öffentliche Aufmerksamkeit bekomme. Finnland werde frühestens Ende des Jahres im Auftrag der Vereinten Nationen eine Konferenz über einen Nahen Osten ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen ausrichten. Damit die Veranstaltung ein Erfolg wird, müssten sowohl Israel als auch Iran daran teilnehmen und parallel müsse das Thema eines umfassenden Friedens im Nahen Osten behandelt werden, sagte Schenker.
Fathollah-Nejad, der an der University of London promoviert, kritisierte die westliche »Zwangsdiplomatie« gegenüber Iran. Laut dem 30-jährigen Deutsch-Iraner war man »von Anfang an ... nicht auf eine Konfliktlösung ausgerichtet, sondern hat eher dazu beigetragen, dass der Konflikt sukzessive eskaliert ist«. So habe es neben Kriegsdrohungen und Wirtschaftssanktionen zu keiner Zeit eine ausgleichende »Zuckerbrotkomponente« gegeben. Zudem hätten die westlichen Sanktionen zu »immensen Leiden« der Zivilbevölkerung und zur »Zementierung der Machtkofiguration« in Iran geführt.
»Kurzfristig darf man mit einer weiteren Eskalation des Konflikts rechnen, sofern die Verhandlungen in Bagdad am 23. Mai nicht erfolgreich sein werden«, gab Fathollah-Nejad als mögliches Szenario aus und deutete auf das EU-Ölembargo, das am 1. Juli in Kraft treten soll.
Um zu einer friedlichen Lösung zu kommen, sei eine Kurskorrektur der westlichen Iran-Politik »absolut von Nöten«, sagte der Politologe. Der Westen müsse Teheran »ernst zu nehmende Vorschläge« unterbreiten, was dessen Sicherheit und sein Recht auf Urananreicherung betrifft. Auch er lobte die jüngsten Gespräche in Istanbul, denen man zum ersten Mal seit Jahren »positive Signale« entnehmen konnte.
Schenker und Fathollah-Nejad besuchten Deutschland anlässlich des Jahrestreffens der Friedensorganisation IPPNW
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 24. April 2012
IPPNW-Jahrestreffen am 21. April 2012
Resolution zur Friedenspolitik
Die schrecklichen Kriegseskalationen der letzten 11 Jahre, von Afghanistan über Irak bis
Libyen, haben in den betroffenen Regionen Hunderttausenden von Menschen das Leben
gekostet, ganze Landstriche verwüstet und chaotische, völlig der Willkür ausgelieferte
gesellschaftliche Zustände produziert. Wesentliche Verantwortung hierfür ist ökonomischen
Interessen anzulasten, dem „militärisch-industriellen Komplex“, vor dem schon US-Präsident
Eisenhower gewarnt hat, und der gerade in unseren westlichen, in der NATO vereinigten
Staaten eine bedrohliche Machtzusammenballung darstellt.
Die Sicherung wirtschaftlicher Interessen durch militärische Gewalt ist eine zutiefst
destruktive, in die Gefährdung von Demokratie und Humanität führende Fehlentwicklung,
der wir uns mit allen politischen und zivilgesellschaftlichen Mitteln widersetzen. Wir
brauchen eine strukturell friedensfähige Gesellschaft, die auf rücksichtslos profitorientierte
„neoliberale“ Globalisierung verzichtet.
„Lernziel Solidarität“ (H-E. Richter), das Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit und der
gemeinsamen menschlichen Grundinteressen auf diesem immer enger vernetzten Globus
bleibt dagegen unsere Orientierung - hin zu einem grundsätzlichen Wandel,
innergesellschaftlich und im Zusammenleben der Nationen.
„Divide et impera“, „teile und herrsche!“ war schon seit den Zeiten des römischen
Imperiums die Devise, wenn es um Vorherrschaft ging. Ausgrenzung und rassistische
Diskriminierung sind noch immer propagandistische Mittel, um Herrschaft und
wirtschaftliche Privilegien zu sichern. Anspruch auf Gleichheit der Rechte aller Menschen als
einer Grundlage für nachhaltigen Frieden wurde vernachlässigt. Heute wird versucht,
insbesondere die Angst vor dem Islam und vor den Armutsflüchtlingen Afrikas für
Militarisierung und für die Legitimation globaler NATO-Militäreinsätze zu
instrumentalisieren.
Die deutsche IPPNW bekräftigt demgegenüber ihr Engagement auf wichtigen Feldern sowohl
der präventiven Friedenspolitik, als auch der Aufklärung über die zerstörerischen Folgen
militärischer Gewalt.
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Wir fordern, endlich Ernst zu machen mit der Verpflichtung aus dem
Atomwaffensperrvertrag zu umfassender Abrüstung der Nuklearwaffenarsenale. Von
der deutschen Bundesregierung erwarten wir den Verzicht auf die „nukleare
Teilhabe“, und den Abzug der immer noch in Deutschland stationierten US-Atombomben.
Es darf keine Stationierung eines „Raketenabwehrsystems“ in
Deutschland geben, denn dies würde nur eine neue Runde im gefährlichen und
ressourcenvergeudenden Rüstungswettlauf bedeuten
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Wir fordern ein Ende der westlichen Militärinterventionen von Irak, Libyen bis
Afghanistan, das Verbot militärischer Eingriffe in Syrien, Verhandlungen im Israel-Iran
Konflikt und strikte Ablehnung israelischer und/oder US-amerikanischer
Bombardierung. Wir verlangen Respekt für das Völkerrecht und die
Selbstbestimmung der Nationen, das gilt auch für das palästinensische Volk.
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Unterdrückte Menschenrechte in anderen Nationen können und dürfen nicht Anlass für
imperiale Militäreinsätze sein, die ihrerseits zu schwersten Opfern und
Menschenrechtsverletzungen führen, besonders unter der Zivilbevölkerung..
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Gewaltfreie Konfliktlösungen und Respektierung der Menschenrechte sind für uns als
ärztliche Friedensbewegung unverzichtbare Ziele und Voraussetzung einer friedlichen
Welt.
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Das Bewusstsein und Praktizieren internationaler Verbundenheit auf der Ebene des
Engagements der Bürger für Migranten und für die Rechte von Flüchtlingen ist ferner
ein essenzieller Teil von Friedensarbeit, wie wir sie verstehen. Es ist schändlich, dass
ein ökonomisch so reiches Land wie Deutschland mit allen Mitteln daran arbeitet,
sich gegenüber Flüchtlingen aus den Kriegs- und Elendsgebieten der „Dritten Welt“
abzuschotten.
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Als ebenso schändlich empfinden wir es, dass unser Land zum drittgrößten Exporteur von
Kriegswaffen weltweit geworden ist. Wir werden einen Schwerpunkt unserer
Aktivitäten 2012 und 2013 auf die Aufklärung und die Mobilisierung der
Öffentlichkeit gegen dieses Geschäft mit dem Tod legen.
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Unser Ziel muss es sein, das Versprechen der UN-Charta aus dem Jahr 1948 zu
verwirklichen: den Krieg als eine „Geißel der Menschheit“ zu überwinden.
Deutschland wird von keinem anderen Staat militärisch bedroht: wir müssen die
Frage aufwerfen, ob unser Land wirklich eine hochgerüstete Armee mit über
zweihunderttausend Soldaten benötigt.
Konsequente Abrüstung und eine engagierte Friedenspolitik wären wirkungsvollere
Maßnahmen für die Sicherheit der Nationen, auch der Bürger unseres Landes.
Als ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen sind wir der körperlichen und seelischen
Gesundheit unserer PatientInnen und MitbürgerInnen verpflichtet.
Die Arbeit in der IPPNW bleibt für uns ein Beitrag, dieser Verpflichtung nachzukommen:
indem wir präventiv und kurativ der Geißel der Menschheit entgegenwirken.
Verabschiedet am 21. April 2012
Quelle: www.ippnw.de
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