Keine Unterwerfung
Iran beschließt Gegenmaßnahmen zu den Sanktionen des Westens
Von Knut Mellenthin *
Am heutigen Donnerstag (22. Juli) kommen in Brüssel die EU-Botschafter
der 27 Mitgliedstaaten zusammen, um neuen Sanktionen gegen den Iran
ihren Segen zu erteilen. Mit wesentlichen Änderungen an dem schon
vorliegenden Entwurf wird nicht gerechnet. Formal muß das Papier
anschließend noch von den Außenministern bestätigt werden, die sich am
kommenden Montag treffen wollen. Grundsätzlich hatten sich die Staats-
und Regierungschefs der Europäischen Union allerdings schon am 17. Juni
auf eigene Sanktionen geeinigt, die über die Resolution des
UN-Sicherheitsrats vom 9. Juni weit hinausgehen werden. Unter anderem
sollen Investitionen, Technologietransfer und Materiallieferungen für
die iranische Erdöl- und Erdgasproduktion sowie für Raffinerieanlagen
verboten werden.
Gleichzeitig will die EU darauf drängen, daß die iranische Seite sich
auf einen Termin für das nächste Gespräch mit den sogenannten 5 plus 1
(China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, USA und Deutschland)
festlegt. Daran soll dann auch EU-Chefpolitikerin Catherine Ashton
teilnehmen. In Teheran besteht jedoch an bloßen Schautreffen kein
Interesse mehr, seit die 5 plus 1 das zwischen Iran, der Türkei und
Brasilien vereinbarte Kompromißangebot eiskalt ignorierten und statt
dessen neue Strafmaßnahmen beschlossen. Bis jetzt haben die 5 plus 1
nicht zu erkennen gegeben, daß sie an irgend etwas anderem als Irans
bedingungsloser Unterwerfung unter ihre Maximalforderung - Einstellung
der Urananreicherung - interessiert sind. Die iranische Führung hat
deshalb weitere Gespräche mit den 5 plus 1 auf September vertagt und
zudem mehrere Vorbedingungen gestellt. Unter anderem sollen die sechs
Staaten ihre Haltung zu Israels Atomwaffen offenlegen.
Am Dienstag (20. Juli) beschloß das iranische Parlament mit großer
Mehrheit eine Reihe von Maßnahmen und Forderungen, die hauptsächlich als
Antwort auf die Sanktionen gemeint sind. Das Gesetz bedarf noch der
Zustimmung des »Wächterrats« und wird auch danach nicht unbedingt
verbindlich für die politische Führung sein. Unter anderem sollen
Länder, die das Auftanken iranischer Verkehrsflugzeuge verweigern, im
Iran mit gleichen Maßnahmen rechnen müssen. Indessen sind es entgegen
ersten Berichten bisher gar nicht einzelne Länder, mit denen es
Schwierigkeiten gibt, sondern der Ölkonzern BP, der entsprechende
Verträge mit dem Iran nicht verlängert hat. Inzwischen weigern sich
allerdings auch einige andere Gesellschaften, iranische Flieger zu
betanken, so daß es häufig zu Problemen kommt. Beispielsweise können die
Iraner nach eigenen Berichten zur Zeit Hamburg nicht anfliegen.
Ein anderer Teil des Gesetzes enthält die Drohung mit Gegenmaßnahmen,
falls westliche Kriegsschiffe unter Berufung auf die jüngste
UN-Resolution iranische Frachter durchsuchen sollten.Tatsächlich dürfen
die »Inspektionen« aber nur mit Zustimmung des Staates vorgenommen
werden, unter dessen Flagge das betroffene Schiff fährt. Zwangsmittel
sind nicht erlaubt. Nach iranischen Berichten hat es seit Annahme der
Resolution des Sicherheitsrats noch keinen einzigen Versuch gegeben, ein
iranisches Schiff zu einer Durchsuchung aufzufordern.
Ein weiterer Punkt des Gesetzes verpflichtet die iranische
Atomenergiebehörde, die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent, das für
medizinische Zwecke benötigt wird, fortzusetzen.
* Aus: junge Welt, 22. Juli 2010
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