Signal aus Teheran
Rußland und USA zeigen Bereitschaft zu technischen Gesprächen im Atomstreit mit Iran. EU-Politiker fordern »alles oder gar nichts«
Von Knut Mellenthin *
Zwischen der EU, den USA und Rußland zeichnen sich taktische
Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit dem Iran ab. Auslöser ist
ein Brief an die sogenannte Wiener Gruppe, den der iranische Vertreter
bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Ali Asghar Soltanieh,
am Montag (26. Juli) übergeben hat. In dem Schreiben schlägt Iran
technische Gespräche über die Durchführung eines schon seit Oktober
vorigen Jahres diskutierten Tauschgeschäfts vor: Iran soll gegen
Lieferung von 1200 Kilo schwach angereichertem Uran Brennstäbe für einen
Reaktor in Teheran erhalten, der Isotope für die Behandlung von
Krebspatienten produziert. Geplant ist, daß Rußland zu diesem Zweck auf
20 Prozent angereichertes Uran an ein französisches Unternehmen liefert,
das dann daraus die Brennstäbe herstellt. Außer Rußland und Frankreich
gehören zur Wiener Gruppe auch noch die IAEA - als Vermittlerin des
Tauschgeschäftes - und die USA. Letztere haben sachlich mit dem
verhandelten Deal nicht das Geringste zu tun. Ihre Einbeziehung in die
Gruppe demonstriert lediglich, daß im Atomstreit mit dem Iran ohne
Zustimmung der US-Regierung absolut nichts laufen darf.
Die Einzelheiten und der Ablauf des Tauschgeschäfts sind immer noch
umstritten. Iran hatte dazu gemeinsam mit der Türkei und Brasilien am
17. Mai einen Verfahrensvorschlag vorgelegt. Statt sich damit zu
befassen, hatten die Iran-Sechs (China, Deutschland, Frankreich,
Großbritannien, Rußland und USA) am 9. Juni über den UN-Sicherheitsrat
neue Sanktionen gegen Iran auf den Weg gebracht. Erst anschließend
reagierte die Wiener Gruppe auf das Signal aus Iran. Ihr kühl und
abweisend formuliertes Schreiben listete zahlreiche Einwände gegen den
Teheraner Verfahrensvorschlag auf. Darauf bezieht sich der am Montag
übergebene iranische Brief.
Eindeutig positiv antwortete darauf bisher nur Rußland. Der Sprecher des
Außenministeriums, Andrej Nesterenko, begrüßte am Dienstag (27. Juli)
das iranische Angebot und setzte hinzu: »Wir sind zu einem solchen
technischen Treffen bereit. Wir bekräftigen außerdem die Bedeutung einer
Einladung an die Vertreter Brasiliens und der Türkei, daran
teilzunehmen.« Eine erfolgreiche Durchführung des Tauschplans könne
hilfreich sein, um ein Klima für weitergehende Diskussionen über das
ganze Spektrum von Fragen in Zusammenhang mit dem iranischen
Atomprogramm zu schaffen, erläuterte Nesterenko.
Nicht ganz so klar äußerte sich der Sprecher des amerikanischen State
Departments, Philip J. Crowley, am Mittwoch (28. Juli). Auch er ließ
aber Bereitschaft erkennen, die Brennstoffversorgung des Teheraner
Reaktors als eigenes Thema in einem dafür geeigneten technischen Rahmen
zu behandeln und nicht notwendigerweise von der gleichzeitigen Lösung
aller übrigen, sehr viel komplizierteren Streitfragen abhängig zu machen.
Anders hingegen der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, der bei
einem Besuch in der Türkei verkündete: »Gespräche machen keinen Sinn,
wenn es dabei nur um Teilaspekte geht.« Da Deutschland jedoch nicht zur
Wiener Gruppe gehört, an die sich das iranische Gesprächsangebot
richtet, ist die Meinung der BRD zu diesem Thema irrelevant.
Harte Abwehr gegen den iranischen Vorschlag signalisierte indes auch die
Außenpolitik-Verantwortliche der EU, Catherine Ashton: »Wir stellen ganz
eindeutig fest, daß das auf dem Tisch liegende Thema die Fähigkeit Irans
zur Atombewaffnung ist. Das ist das Thema. Alle anderen Themen können
später diskutiert werden.«
Indessen teilte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Mittwoch
mit, Iran sei bereit, die Produktion von zwanzigprozentigem Uran
einzustellen, falls das Tauschgeschäft zustande kommt. Iran reichert
seit Februar Uran auf 20 Prozent an, um notfalls selbst die benötigten
Brennstäbe für den Teheraner Reaktor herzustellen.
* Aus: junge Welt, 30. Juli 2010
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