Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Iran: Chronik wichtiger Ereignisse

Dezember 2005

Donnerstag, 1. Dezember, bis Sonntag, 4. Dezember
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad wird dem Parlament in der kommenden Woche einen vierten Kandidaten für das Amt des Ölministers vorschlagen. Regierungssprecher Gholamhossein Elham sagte am 1. Dez., er hoffe, mit der "Kooperation der Abgeordneten" werde die Regierung dann komplett sein. Das Parlament hat seit August drei Kandidaten Ahmadinedschads abgelehnt. Die Abgeordneten warfen allen Kandidaten mangelnde Kenntnisse in der für das Land wichtigen Ölindustrie vor.
  • Der Iran hat einem Zeitungsbericht zufolge Raketen-Abwehrsysteme von Russland gekauft, die unter anderem zum Schutz seines umstrittenen Atomkraftwerks in Buschehr dienen könnten. Die bestellten 29 Systeme vom Typ Tor M-1 seien in der Lage, Marschflugkörper oder Luft-Boden-Raketen abzufangen, berichtete die russische Wirtschaftszeitung "Wedomosti" am 2. Dez. Die Waffen seien ursprünglich für Griechenland gebaut worden. Athen habe das Geschäft in den 90er Jahren aber platzen lassen.
    Die USA gehen Presseberichten über einen angeblichen Verkauf von Raketen-Abwehrsystemen aus Russland an den Iran nach. US-Außenstaatssekretär Nicholas Burns sagte am 2. Dez. im Radiosender "Moskauer Echo" während eines Besuchs in der russischen Hauptstadt, seine Regierung habe wegen des angeblichen Waffendeals beim Moskauer Außenministerium nachgefragt. Dieses habe eine Antwort zugesagt. In Washington sagte ein Mitarbeiter des Außenministeriums, jeder Waffenverkauf an den Iran sei "eine Quelle der Sorge".
  • Der iranische Wächterrat hat am 3. Dez. ein Gesetz bestätigt, dass ein Ende der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) androht. Für den Fall, dass die IAEA den Weltsicherheitsrat wegen des iranischen Atomprogramms einschaltet und dieser Sanktionen verhängt, sollen keine Inspektionen mehr zugelassen werden, heißt es in dem Gesetzentwurf. Bevor es in Kraft tritt, muss nur noch Präsident Mahmud Ahmadinedschad unterzeichnen.
  • Der Iran ist nach Angaben der russischen Regierung zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über sein Atomprogramm bereit. Moskau stehe in "täglichem Kontakt" mit Teheran, dem EU-Verhandlungstrio Deutschland, Frankreich und Großbritannien, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am 3. Dez. nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Außerdem gebe es Gespräche mit den USA. Es sei Russland gelungen, die Iran-Frage "im professionellen Rahmen" der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu halten. Dadurch sei es möglich, die Verhandlungen zwischen der EU und dem Iran wiederaufzunehmen. "Und der Iran ist dazu bereit", fügte Lawrow hinzu.
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat am 4. Dez. seinen nunmehr vierten Kandidaten für das Amt des Ölministers vorschlagen. Nach dem Willen des Staatschefs solle der derzeitige Interims-Ölminister Kasem Wasiri-Hamaneh das Amt auf Dauer übernehmen, sagte Parlamentspräsident Gholam Ali Hadad Adel am Sonntag in Teheran. Die Abgeordneten sollten kommenden Sonntag über den Personalvorschlag abstimmen. Das Parlament hat seit August drei Kandidaten Ahmadinedschads abgelehnt. Die Abgeordneten warfen allen Kandidaten mangelnde Kenntnisse in der für das Land wichtigen Ölindustrie vor.
  • Die israelische Regierung hat den mutmaßlichen Verkauf russischer Raketen-Abwehrsysteme an den Iran scharf kritisiert. Wer Waffen an den Iran verkaufe, unterstütze damit die Interessen der "negativsten Elemente der Region", sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Marc Regev, am 4. Dez. Die Führung in Teheran unterstütze "terroristische Bewegungen" und habe sich in der letzten Zeit mehrfach gegen Frieden und Versöhnung in der Region ausgesprochen, fügte Negev mit Blick auf die umstrittene Äußerung von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hinzu, Israel müsse "von der Landkarte getilgt werden".
  • Der Iran hat die EU am 4. Dez. zu einer bedingungslosen Wiederaufnahme der Gespräche über sein Atomprogramm aufgerufen. Die Europäer müssten die Rechte seines Landes respektieren, sagte der iranische Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi.
Montag, 5. Dezember, bis Sonntag, 11. Dezember
  • Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow hat den Verkauf hochentwickelter Raketenabwehrsysteme an den Iran bestätigt. Der Vertrag zur Lieferung der TOR-Luftabwehrraketensysteme bedrohe das Kräftegleichgewicht in der Region "in keiner Weise", betonte Iwanow am 5. Dez. in Moskau. Die Waffenlieferung bewege sich streng im Rahmen der Gesetze und der internationalen Verpflichtungen Russlands. Russische Zeitungen hatten am 2. Dez. berichtet, der Iran habe 29 Raketensysteme bestellt, die in der Lage seien, Marschflugkörper oder Luft-Boden-Raketen abzufangen. Mit dem System könnte der Iran Experten zufolge unter anderem sein im Bau befindliches Atomkraftwerk in Buschehr schützen.
  • In einem Wohnviertel der iranischen Hauptstadt Teheran ist am 6. Dez. ein militärisches Transportflugzeug abgestürzt. Wie ein Sprecher der iranischen Zivilluftfahrt im staatlichen Fernsehen sagte, waren an Bord der Maschine des Typs C130 zwischen 74 und 90 Insassen. Das Flugzeug sei im Süden der Stadt, nahe des Flughafens Mehrabad, abgestürzt. Über dem Viertel war eine dicke Rauchwolke zu sehen. Über den Flughafen Mehrabad werden Inlands-, Auslands- und Militärflüge abgewickelt.
    Später meldete die Nachrichtenagentur Isna unter Berufung auf das Innenministerium, es seien 116 Menschen ums Leben gekommen.
  • Die Internationale Atomenergiebehörde hat in Iran keinen Beweis für ein Atomwaffenprogramm gefunden. Es gebe aber offene Fragen zum Atomprogramm, das sich auf Quellen aus dem Schwarzmarkt stütze, sagte Generaldirektor Mohammed el Baradei der "Jerusalem Post" (Ausgabe vom 7. Dez.). Die IAEO benötige Zugang zu Militäranlagen, ein Recht auf Gespräche mit Schlüsselpersonen und Einsicht in Dokumente. Derweil warf Frankreich Teheran vor, mit dem Beharren auf Vorbedingungen neue Verhandlungen über das Atomprogramm zu gefährden.
  • Um die Juden für den Holocaust zu entschädigen soll der Westen den Staat Israel nach dem Willen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad nach Europa verlegen. Diesen Vorschlag unterbreitete der schon häufig als Antisemit in Erscheinung getretene Präsident am 8. Dez. auf einem Islam-Gipfel in Mekka. "Mehrere europäische Staaten bestehen darauf, dass Hitler Millionen Juden verbrannte und in Konzentrationslager steckte", sagte Ahmadinedschad. "Jeder Historiker, Wissenschaftler oder Autor, der das bestreitet, wird ins Gefängnis gesteckt oder verurteilt." Die "Zionisten" sollten ein Stück Land in Europa, zum Beispiel in Deutschland oder in Österreich, bekommen, empfahl der Präsident. Das jüdische Volk sei schließlich in Europa verfolgt worden, deswegen dürften die Rückwirkungen nicht die Palästinenser treffen.
  • Führende Vertreter der deutschen Juden haben als Reaktion auf die antisraelischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen gefordert. "Es müssen Schritte erfolgen, die dem Führungsstab im Iran klar machen, dass die Äußerungen gegen das Völkerrecht verstoßen", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, der "Netzeitung" vom 9. Dez. Auf die Frage, ob dazu auch zähle, dass die Bundesregierung die diplomatischen Beziehungen zum Iran abbrechen solle, sagte er: "Das meine ich auch damit."
    UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich entsetzt über die Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad über Zweifel am Holocaust und die Verlegung des Staates Israel nach Europa geäußert. Annan sei "schockiert" über Ahmadinedschads Bemerkungen, in denen er anscheinend den Holocaust bezweifelt und vorgeschlagen habe, Israel nach Europa zu verlegen, erklärte ein UN-Sprecher am 8. Dez. in New York. Erst im vergangenen Monat habe die UN-Vollversammlung in einer Resolution jegliche "Leugnung des Holocaust als historische Tatsache" verurteilt.
  • Nach den umstrittenen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zum Holocaust soll der iranische Botschafter in Deutschland in das Auswärtige Amt einbestellt werden. Das sagte ein Sprecher des Außenministeriums am 9. Dez. in Berlin. In einem Gespräch solle dargestellt werden, dass die Aussagen des iranischen Staatschefs für die Bundesregierung nicht akzeptabel seien. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm fügte hinzu, Ahmadinedschads Äußerungen seien "schlimm" und "in jeder Weise inakzeptabel".
  • Einen Tag vor der Entgegennahme des Friedensnobelpreises hat IAEA-Chef Mohamed ElBaradei vor einer militärischen Eskalation des Atomstreits mit dem Iran gewarnt. "Eine militärische Lösung wäre absolut kontraproduktiv", sagte der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) am 9. Dez. in Oslo. Der Streit mit dem Iran lasse sich nicht mit Waffengewalt lösen. ElBaradei war am 9. Dez. in der norwegischen Hauptstadt eingetroffen, wo er am 10. Dez. den Friedensnobelpreis erhalten soll. (Siehe hierzu: "Aktive Opposition gegen Atomwaffen".)
  • Der UN-Sicherheitsrat hat die jüngsten israel-feindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad verurteilt. Der Sicherheitsrat habe die von Ahmadinedschad überlieferten "Bemerkungen über Israel und die Leugnung des Holocaust" verurteilt, sagte der britische UN-Botschafter Emyr Jones Parry am 9. Dez. in New York. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte bereits zuvor alle UN-Mitgliedstaaten aufgerufen, gegen die Leugnung der Judenverfolgung vorzugehen.
  • Die Europäische Union und der Iran wollen am 21. Dezember ihre Gespräche über das iranische Atomprogramm wiederaufnehmen. Die Beratungen mit Vertretern Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs einerseits sowie Irans andererseits sollten wahrscheinlich in Wien stattfinden, sagten westliche Diplomaten am 10. Dez. der Nachrichtenagentur AFP in der österreichischen Hauptstadt. Russische Delegierte nähmen nicht teil. Die Erwartungen seien "sehr gering", hieß es weiter. "Die Zeit spielt gegen den Iran." Bei dem Treffen soll den Angaben zufolge auch erörtert werden, ob Gespräche auf Ministerebene vorbereitet werden sollen.
    Der Iran will die vor vier Monaten abgebrochenen Gespräche über sein Atomprogramm am 21. Dezember wieder aufnehmen. Die neue Verhandlungsrunde mit den Vermittlern Deutschland, Großbritannien und Frankreich sei in Wien geplant, berichtete das staatliche iranische Fernsehen am 10. Dez. Zuvor hatte Vizepräsident Gholamresa Aghasadeh, der zugleich Leiter des iranischen Atomprogramms ist, angekündigt, der Iran werde an seinem umstrittenen Programm zur Urananreicherung festhalten.
  • Der wegen anti-israelischer Äußerungen im Ausland scharf kritisierte iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat nach mehreren Schlappen einen innenpolitischen Erfolg erzielt. Im vierten Anlauf gelang ihm die Besetzung des Chefpostens im Ölministerium. Das Parlament stimmte am 11. Dez. für Interims-Ölminister Kasem Wasiri-Hamaneh. Von 259 anwesenden Abgeordneten stimmten 172 für Wasiri-Hamaneh. 53 votierten gegen ihn; 34 Abgeordnete enthielten sich. Um einen Gesichtsverlust zu vermeiden, hatte Ahmadinedschad dem Interims-Minister das Amt auf Dauer angetragen. Seit August hatte das Parlament drei Kandidaten Ahmadinedschads abgelehnt, obwohl Ahmadinedschads Konservative die Kammer dominieren. Der Streit machte einen Bruch innerhalb des konservativen Lagers sichtbar, der zwischen fundamentalistischen und pragmatischeren Konservativen verläuft.
  • Vizekanzler Franz Müntefering hat eine Reaktion der Bundesregierung auf internationaler Ebene gegen die anti-israelischen Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad angekündigt. Deutschland werde sich bei der Europäischen Union und den UN für politische Konsequenzen einsetzen, sagte Müntefering am 11. Dez. nach einem Treffen mit dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Das Existenzrecht Israels dürfe nicht in Frage gestellt werden.
Montag, 12. Dezember, bis Sonntag, 18. Dezember
  • Deutschland will die antiisraelischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zum Thema beim EU- Gipfel in dieser Woche machen. Die Bundesregierung habe den "dringlichen Wunsch", dass alle EU-Mitgliedstaaten die Äußerungen in einer Erklärung missbilligen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am 12. Dez. in Berlin. "Wir gehen davon aus, dass die europäischen Partner den Wunsch teilen und uns unterstützen." Die EU-Staats- und Regierungschefs treffen sich am 15. und 16. Dez. in Brüssel.
  • Die amerikanische Regierung hat eine Nicht-Angriffsgarantie für den Iran ausgeschlossen, um Bewegung in die Verhandlungen um einen Stopp des iranischen Atomwaffenprogramms zu bringen. Erst müsse sich der Iran wie ein verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft verhalten, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Adam Ereli, am 12. Dez. In der aktuellen Situation sei es jedoch nicht angebracht, die USA zu fragen, warum sie bestimmte Dinge nicht tue. Ereli nahm damit offenbar Bezug auf einen Vorschlag von Mohamed ElBaradei, dem Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Dieser hatte die Meinung geäußert, dass die USA dem Iran eine Sicherheitsgarantie geben müssten, bevor eine abschließende Einigung über das iranische Atomprogramm erzielt werden könne.
  • Der Iran wird nach Einschätzung des israelischen Generalstabschefs Dan Halutz bereits in drei Monaten über das Wissen zum Bau einer Atombombe verfügen. Dies habe Halutz vor dem Außen- und Verteidigungsausschusses der Knesset gesagt, berichtete der isrealische Rundfunk am 13. Dez. Außenminister Silvan Schalom hatte Ende Oktober gesagt, der Iran könne möglicherweise in einem halben Jahr das Wissen für den Atombombenbau haben.
  • Der Iran ist nach Ansicht von US-Außenministerin Condoleezza Rice ein "Problem" für die Stabilität des Nahen Ostens, für das die internationale Gemeinschaft eine Lösung finden muss. In einer Rede bei der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation in Washington nahm Rice am 13. Dez. unter anderem Bezug auf den Streit um das iranische Atomprogramm. Sie warf der Führung in Teheran zudem erneut vor, Aufständische im Irak zu unterstützen. Ferner hätten die jüngsten israel-feindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gezeigt, dass "das Regime außerhalb der internationalen Gemeinschaft" stehe, fügte Rice hinzu. Der internationalen Gemeinschaft warf die US-Außenministerin vor, den Prozess gegen den früheren irakischen Staatschef Saddam Hussein zu "boykottieren". Die Weltgemeinschaft habe "praktisch nichts getan", um zu helfen, Saddam Hussein vor Gericht zu bringen, sagte Rice, ohne bestimmte Länder zu nennen. Diese Haltung wirke sich negativ auf die irakische Bevölkerung aus, die derzeit für Gerechtigkeit und Freiheit kämpfe, die ihr unter Saddam Husseins Herrschaft so lange versagt geblieben seien.
  • Die Bundesregierung hat die neuen israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad scharf verurteilt. Diese Äußerungen, mit denen nicht nur das Existenzrecht Israels geleugnet werde, sondern auch der Holocaust, seien "schockierend" und "inakzeptabel", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 14. Dez. am Rande einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Dies sei auch Thema am Morgen im Bundeskabinett gewesen, sagte Steinmeier weiter. Der Geschäftsträger des Irans in Deutschland sei am Mittwoch vom Auswärtigen Amt einbestellt worden und ihm sei gesagt worden, dass diese Äußerungen Ahmadinedschads nicht hinnehmbar seien.
  • Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sind der iranische Innen- und der Geheimdienstminister möglicherweise jahrelang in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt gewesen. Es gäbe entsprechende "glaubwürdige Vorwürfe" gegen Innenminister Mostafa Pur Mohammadi und Geheimdienstminister Gholam Hossein Mohseni Edscheje, hieß es in einem am 14. Dez. veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation mit Sitz in New York. Es sei "völlig inakzeptabel", dass die beiden Teil der Regierung in Teheran seien, sagte der HRW-Nahostexperte Joe Stork. Sie müssten ihrer Ämter enthoben werden; wegen der "schrecklichen Verbrechen" müssten Ermittlungen gegen sie eingeleitet werden.
  • US-Präsident George W. Bush hat den Iran eine "reale Bedrohung" genannt. Die islamische Republik gehöre zu einer "Achse des Bösen" von Ländern, die den Terrorismus unterstützten, sagte der Präsident am 14. Dez. Teheran müsse nachweisen, dass es nicht nach Atomwaffen strebe. (Bushs Rede: "Why we cannot leave Iraq until victory is achieved".)
  • Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Führung in Teheran vor einer Verschleppung der Atomverhandlungen mit dem EU-Trio gewarnt. Die iranische Regierung müsse "begreifen, dass die Geduld der Europäischen Union nicht endlos ist", sagte Steinmeier am 15. Dez. im Bundestag. Durch die jüngsten Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, der den Holocaust als "Mythos" abgetan hatte, würden auch die Verhandlungen zwischen dem Iran und dem EU-Trio aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland "erschwert", sagte Steinmeier. Für den 21. Dezember ist eine Wiederaufnahme der Gespräche über das iranische Atomprogramm vereinbart, die seit August unterbrochen sind.
  • Die Staats- und Regierungschefs der EU haben die israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschads scharf verurteilt. Diese Äußerungen hätten keinen Platz in einer zivilisierten politischen Debatte, hieß es im Abschlussentwurf des Brüsseler EU-Gipfels in der Nacht zum 16. Dez. Das Fenster der Gelegenheit für eine diplomatische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm stehe nicht beliebig lange offen. Die Staats- und Regierungschefs seien "ernsthaft besorgt" über das Versäumnis des Irans, den Nachweis dafür erbracht zu haben, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken diene.
  • Der Iran hat Israel im Fall eines Angriffs auf seine Atomanlagen mit einem "zerstörerischen" Gegenschlag gedroht. Die Politik Teherans sei "vollkommen defensiv", sagte der iranische Verteidigungsminister Mostafa Mohammed Nadschar am 16. Dez. laut der amtlichen Nachrichtenagentur Irna. "Wenn wir aber angegriffen werden, wird die Antwort der Streitkräfte schnell, klar und zerstörerisch ausfallen." Nadschar war gefragt worden, wie der Iran sich verhalten würde, falls Israel Erwägungen in die Tat umsetze, die iranischen Atomanlagen in einem Präventivschlag anzugreifen.
  • Der Bundestag hat sich mit scharfen Worten gegen die israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gewandt. Die Aussagen des Staatschefs, "der sowohl das Existenzrecht Israels bestreitet als auch den Holocaust leugnet, sind völlig inakzeptabel", heißt es in einer Resolution, die das Parlament am 16. Dez. einstimmig verabschiedete.
    Die Resolution im Wortlaut:
    Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

    Existenzrecht Israels ist deutsche Verpflichtung

    Der Bundestag wolle beschließen:

    Erneute Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, der sowohl das Existenzrecht Israels bestreitet als auch den Holocaust leugnet, sind völlig inakzeptabel. Der Deutsche Bundestag verurteilt diese Äußerungen. Sie offenbaren eine Haltung, die mit den Normen der internationalen Gemeinschaft und den historischen Erfahrungen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts unvereinbar sind.
    Der Deutsche Bundestag unterstreicht erneut das Existenzrecht Israels. Israel muss in international anerkannten Grenzen frei von Angst, Terror und Gewalt leben können. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung den Äußerungen des iranischen Präsidenten entgegengetreten ist, und fordert sie auf, auch in Zukunft jeder Politik entgegen zu wirken, die das Existenzrecht Israels bestreitet und den Holocaust leugnet.
    Berlin, den 13. Dezember 2005
    Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
    Dr. Peter Struck und Fraktion
    Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
    Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
    Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat mit seiner Unterschrift ein Gesetz in Kraft gesetzt, das internationalen Inspektoren bei einer Eskalation des Atomstreits den Zugang zu iranischen Atomanlagen verwehren könnte. Das Gesetz verpflichte die Regierung in Teheran zu Maßnahmen für den Fall, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) den Atomstreit vor den UN-Sicherheitsrat bringt, berichtete die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars am 17. Dez. Genannt werden in dem Text "freiwillige und rechtlich nicht bindende Maßnahmen", die der Iran in diesem Fall beenden müsse. Damit könnte unter anderem das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag gemeint sein, das der IAEA erweiterte Vollmachten zur Inspektion von Atomanlagen gibt. Für den Fall einer Befassung des UN-Sicherheitsrats verpflichtet das Gesetz die Teheraner Regierung zudem, die Atomprogramme des Landes fortzusetzen. Der Gesetzentwurf war im vergangenen Monat vom iranischen Parlament verabschiedet und vom Wächterrat gebilligt worden. Ahmadinedschad hat ihn nach Angaben von Fars bereits am 13. dez. ratifiziert und damit in Kraft gesetzt. Ein Ausstieg des Iran aus dem Zusatzprotokoll würde es der IAEA deutlich erschweren, Vorwürfe über eine mögliche iranische Atomwaffenproduktion zu überprüfen.
  • Im Zusammenhang mit den israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad bemüht sich die Bundesregierung bei der UNO um Maßnahmen gegen das Land. "Wir sondieren Maßnahmen auf Ebene der Vereinten Nationen", sagte Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) der "Welt am Sonntag" (18. Dez.). Nötig sei auch ein gemeinsames Vorgehen der EU: "Wir fordern klare Worte der Europäischen Union", sagte de Maizière.
Montag, 19. Dezember, bis Sonntag, 25. Dezember
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat dem staatlichen Rundfunk die Ausstrahlung westlicher Musik untersagt. Ab sofort dürften Fernsehen und Radio keine westliche, "dekadente" Musik mehr spielen, ordnete Ahmadinedschad laut iranischen Medienberichten an. Vielmehr solle der Akzent auf nationale, traditionelle sowie entspannende Musik gelegt werden. Auch Lieder, die an die Zeit der islamischen Revolution von 1979 erinnere, seien willkommen, hieß es. Als entspannend gilt im Staatsrundfunk unter anderem die Klaviermusik von Richard Clayderman. In letzter Zeit hatten jedoch auch Hip-Hop und Techno in zahlreichen Musikprogrammen Einzug gehalten. (AFP, 19. Dez.)
  • Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und US-Außenministerin Condoleezza Rice haben die israel-feindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad scharf verurteilt. Bei einem Treffen in Washington am 19. Dez. seien sich die beiden Politiker einig gewesen, dass Ahmadinedschads Aussagen "beunruhigend sind und verurteilt werden müssen", sagte Rices Sprecherin Julie Reside nach dem Treffen am Montag.
  • Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hält die Atompläne des Iran für das derzeit "drängendste Problem" der internationalen Staatengemeinschaft. Er forderte die Mullahs zum Einlenken auf. Eine Verhandlungslösung unter dem Dach der Atomenergiebehörde IAEO wäre die beste Lösung der Krise. "Aber dies verlangt Klugheit bei den Handelnden im Iran", sagte Steinmeier im Politikmagazin "Cicero" (Januarausgabe 2006) und fügte hinzu: "Ich kann nur hoffen, dass sie keiner Fehlkalkulation erliegen." Der Außenminister bekräftigte die Empörung der Bundesregierung über die antisemitischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Niemand habe das Recht, die Existenz Israels in Frage zu stellen, betonte Steinmeier. Auch vor diesem Hintergrund habe das gemeinsame Vorgehen von Frankreich, Großbritannien und Deutschland das Ziel, jede Entwicklung einer atomaren Waffentechnologie durch den Iran zu verhindern. Der Iran dürfe sich nicht zu einem neuen strategischen Faktor der Unsicherheit im Mittleren Osten entwickeln. (ddp, 20. Dez.)
  • Mit seinem Verbot westlicher Musik stößt der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei seinen Landsleuten auf taube Ohren. In den Geschäften wurden am 20. Dez. weiterhin CDs ausländischer Künstler verkauft, in ihren Autos hörten viele Fahrer HipHop und Country-Musik. Der staatliche Rundfunk spielte dagegen ausschließlich iranische Musik. Es war jedoch unklar, ob ein Zusammenhang mit dem Verbot bestand.
  • Vertreter des Iran und des EU-Trios aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien führen am 21. Dez. Gespräche über eine Wiederaufnahme der Atomverhandlungen. Das Treffen auf hoher Beamtenebene findet in Wien statt. Die Verhandlungen über das umstrittene iranische Atomprogramm waren von den Europäern im August unterbrochen worden, nachdem der Iran die Konversion von Uran - eine Vorstufe der Anreicherung - wieder aufgenommen hatte.
    Der Iran und das EU-Trio aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollen ihre Gespräche über die Wiederaufnahme der Atomverhandlungen im Januar fortsetzen. Nach Rücksprache mit den jeweiligen Regierungen wollten beide Seiten die Gespräche im Januar mit dem Ziel fortsetzen, einen Rahmen für formale Verhandlungen festzulegen, sagte ein ranghoher Mitarbeiter des französischen Außenministeriums am 21. Dez. in Wien. Die Europäer hatten die Atomverhandlungen im August unterbrochen, nachdem Teheran die Konversion von Uran - eine Vorstufe der Anreicherung - wieder aufgenommen hatte.
  • Ein deutscher Tourist ist offenbar im Iran von Militärs festgenommen worden, weil er versehentlich beim Angeln in iranische Hoheitsgewässer geraten war. Der 52-jährige Pfälzer sitze in einem iranischen Gefängnis und werde dort wohl über Weihnachten bleiben müssen, berichtete die "Rheinpfalz" am 22. Dez. Dem Bericht zufolge gab es bisher nur telefonischen Kontakt: Danach geht es dem Inhaftierten gesundheitlich gut; bei den Verhören sei keine Gewalt angewendet worden. Demnach hatte der Mann aus Lambsheim in der Pfalz gemeinsam mit seiner Frau und einem französischen Freund in den Vereinigten Arabischen Emiraten Urlaub gemacht. Die beiden Männer waren zum Fischen aufs Meer gefahren und in der Straße von Hormus südlich der Insel Abu Musa versehentlich in iranische Gewässer geraten, wie die Zeitung weiter berichtet. Auf die Insel erheben sowohl der Iran als auch die Emirate Anspruch. Iranische Soldaten nahmen den Deutschen demnach am 29. November wegen illegalen Eintritts in iranische Hoheitsgewässer fest. Seit die Ehefrau des Lambsheimers die Männer als vermisst gemeldet habe, stehe das Auswärtige Amt in Berlin in ständigem Kontakt mit den Behörden der Emirate und Irans, zitierte die Zeitung einen Sprecher des Außenministeriums.
    Das Auswärtige Amt hofft auf einen zügigen Prozess für den in Iran festgehaltenen Deutschen nach der illegalen Bootstour in iranischem Hoheitsgewässer. "Wir hoffen, dass dieses Verfahren möglichst schnell abgeschlossen werden kann", sagte AA-Sprecher Martin Jäger am 23. Dez. in Berlin. Bis dahin werde der Betroffene konsularisch betreut. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut. Deutschland sei auch in Kontakt mit Frankreich. Der französische Freund des Anglers wird ebenfalls festgehalten.
  • Der Iran will seinen rechtlichen Anspruch auf Atomtechnik nach Angaben eines führenden Imams bis zum Letzten verteidigen. Das iranische Volk werde den Anspruch auf Atomenergie "bis zum letzten Blutstropfen verteidigen", sagte Ahmad Chatami am 23. Dez. beim Freitagsgebet auf dem Campus der Universität Teheran. Der Westen solle sich daran erinnern, dass die Iraner während des Iran-Irak-Krieges von 1980 bis 1988 ihr Land bis auf den letzten Meter verteidigt hätten. Genauso werde es auch im Streit um das iranische Atomprogramm sein, sagte Chatami. Er war vor knapp einer Woche vom geistlichen Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, zum Obersten Imam der Freitagsgebete in der Hauptstadt ernannt worden.
  • Der Iran hat das russische Kompromissangebot zur Eindämmung des Streits um sein Atomprogramm abgelehnt. Der iranische Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi sagte am 25. Dez. in Teheran, sein Land bestehe weiterhin darauf, Uran auf eigenem Boden anreichern zu können. Seiner Regierung sei "noch kein konkreter Vorschlag" vorgelegt worden. "Aber es ist klar, dass wir alle Vorschläge und Pläne positiv aufnehmen, die das Recht der Islamischen Republik auf Urananreicherungen auf eigenem Boden anerkennen", sagte Assefi. Wenn dieses Recht anerkannt werde, werde Teheran in die Pläne einwilligen, wenn nicht, würden sie abgelehnt.
  • Den beiden im Iran festgehaltenen Urlaubern aus Deutschland und Frankreich geht es nach Angaben des iranischen Außenministeriums gut. Die beiden seien bei guter Gesundheit, sagte Außenamtssprecher Resa Asefi am 25. Dez. in Teheran. Sie seien illegal in iranische Hoheitsgewässer eingedrungen und würden derzeit befragt. Die beiden Männer waren mit einem gemieteten Boot von Saudi-Arabien aus aufs Meer gefahren und in der Straße von Hormus südlich der Insel Abu Musa in iranische Gewässer geraten. Asefi sagte, es seien die notwendigen Schritte eingeleitet worden, damit sie diplomatische Vertreter ihrer Heimatländer kontaktieren könnten. Der Fall sei jetzt "in den Händen der Justiz", sagte Asefi. Zum Termin einer möglichen Freilassung äußerte sich der Sprecher nicht.
Montag, 26. Dezember, bis Samstag, 31. Dezember
  • Der Iran hat ein Angebot Russlands zur dortigen Anreicherung von Uran für seine Atomanlagen indirekt zurückgewiesen. Außenamtssprecher Hamid Resa Assefi erklärte am 25. Dez. auf Anfrage von Journalisten, der Regierung in Teheran sei noch kein entsprechender Vorschlag aus Moskau unterbreitet worden. Man werde aber selbstverständlich positiv auf jeden Plan reagieren, der das Recht des Irans auf eine Unrananreicherung im eigenen Lande anerkenne. Das russische Außenministerium hatte am 25. Dez. mitgeteilt, die Botschaft in Teheran habe den iranischen Atombehörden offiziell vorgeschlagen, dass Russland die Anreicherung von Uran für ein friedliches iranisches Atomprogramm übernehmen könnte. Das verschlüsselte Dementi Assefis werteten Beobachter als Versuch, Zeit zu gewinnen und den langjährigen Verbündeten Russland nicht umgehend vor den Kopf zu stoßen. Assefi verwies denn auch gezielt auf die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern.
    Ein russischer Diplomat in Teheran bekräftigte am 26. Dez., dass dem Iran ein formelles Memorandum mit dem Angebot zur Urananreicherung vorgelegt worden sei. Man warte nunmehr auf eine Antwort der iranischen Regierung, wurde Wjatscheslaw Moschkalo von der Nachrichtenagentur Interfax zitiert. Das russische Außenministerium teilte später mit, der stellvertretende Ressortchef Alexander Alexejew sei mit dem iranischen Botschafter in Moskau, Gholamresa Ansari, zusammengetroffen.



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