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Iran: Chronik wichtiger Ereignisse

Oktober 2005

Samstag, 1. Oktober, bis Sonntag, 9. Oktober
  • Iran warnt Israel vor einem Militärschlag gegen seine Atomanlagen. Irans Parlamentssprecher Gholam Ali Haddad-Adel sagte bei einem Besuch in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 2. Okt.: Sollte Jerusalem solch eine Dummheit begehen, werde man Israel eine Lehre erteilen. 1981 hatten israelische Kampfflugzeuge einen irakischen Atomreaktor südlich von Bagdad angegriffen und zerstört. Teheran betonte erneut, man arbeite ausschließlich an der friedlichen Nutzung der Kernenergie.
  • Die USA haben alle Staaten aufgerufen, jegliche atomare Zusammenarbeit mit dem Iran einzufrieren. Alle Regierungen sollten die Erkenntnisse der Internationalen Atomenergiebehörde berichten und ihre Politik entsprechend darauf abstimmen, sagte der US-Beauftragte für Atomfragen im US-Außenministerium, Stephen Rademaker, am 3. Okt. vor einem UN-Ausschuss in New York. Angesichts dieser Erkenntnisse sei es selbstverständlich, mit dem Iran keine weitere atomare Zusammenarbeit zu vereinbaren und sämtliche Abkommen einzufrieren.
  • Nach einem 25-jährigen Verbot dürfen Frauen im Iran nach Angaben eines ranghohen Polizeibeamten wieder Motorrad fahren. Dies sei "kein Vergehen", sagte der für Verkehrsfragen zuständige Polizeivertreter namens Mohsen Ansari der iranischen Zeitung "Chorassan" vom 4. Okt. Auch beim Motorradfahren könnten Frauen die "Werte des Islams achten". Wie Männer könnten sie eine entsprechende Fahrprüfung ablegen. Vor drei Jahren sagte ein Motorradhersteller offenbar auf Druck der Behörden Fahrkurse ab, zu denen sich tausende Frauen angemeldet hatten. Seit Mitte der 90er Jahre dürfen Frauen im Iran in der Öffentlichkeit Auto und Fahrrad fahren.
  • Ein ranghoher britischer Regierungsbeamter hat Iran beschuldigt, irakische Kämpfer mit Waffentechnik versorgt zu haben. Den Vorwurf habe ein nicht namentlich genannter Beamter in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten erhoben, berichten britische Medien am 5. Okt. Schiitische Gruppen im Süden Iraks wurden demnach mit Hilfe der iranischen Revolutionsgarden mit Waffentechnik für Anschläge auf ausländische Truppen versorgt worden. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte Anfang August ähnliche Vorwürfe erhoben.
    Iran hat Vorwürfe der Regierung in London zurückgewiesen, für die zunehmende Gewalt gegen britische Soldaten im Irak verantwortlich zu sein. Vielmehr seien es die "Verschwörungen" und "Skandale" der Briten, die zu den Angriffen auf die Soldaten im Irak geführt hätten. Das sagte der Sprecher des Außenministeriums in Teheran, Hamid-Reza Assefi, der Nachrichtenagentur IRNA am 6. Okt. Ein ranghoher britischer Regierungsbeamter hatte Iran beschuldigt, irakische Kämpfer mit Waffentechnik versorgt zu haben.
  • Neue im Irak aufgetauchte Sprengsätze lenken nach den Worten des britischen Regierungschefs Tony Blair einen Verdacht auf den Iran oder die libanesische Hisbollah-Miliz. Im Irak seien von den Aufständischen in jüngster Zeit Sprengsätze eingesetzt worden, wie sie in der Vergangenheit von der Hisbollah benutzt wurden, sagte Blair am 6. Okt. bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem irakischen Präsidenten Dschalal Talabani in London. Dies lenke den Verdacht "entweder gegen die Hisbollah oder gegen den Iran, der die Hisbollah unterstützt". Bewiesen sei eine Verbindung bisher allerdings nicht.
  • Der irakische Ministerpräsident Ibrahim Dschaafari hat das irakisch-iranische Verhältnis als gut bezeichnet. Dschaafari reagierte damit am 6. Okt. auf Vorwürfe aus Großbritannien, wonach der Iran Rebellen im Irak mit Sprengstofftechnik unterstützt habe. Die Beziehungen zu Teheran seien "sehr freundschaftlich", sagte Dschaafari im iranischen Fernsehen. Vorwürfe der Einmischung Teherans in irakische Angelegenheiten entbehrten jeder Grundlage. Bagdad lasse nicht zu, dass "einige den Beziehungen schaden wollen".
  • US-Präsident George W. Bush verstärkt den politischen Druck auf Syrien und Iran. In einer Grundsatzrede zum Antiterrorkrieg gab er ihnen eine Mitschuld an Anschlägen in aller Welt. Die militanten Islamisten wollen nach Ansicht von US-Präsident George W. Bush "ganze Länder versklaven und die Welt einschüchtern". Der Irak sei dabei zu ihrer Hauptkampffront geworden, erklärte Bush am 6. Okt. in einer Rede in Washington. "Die Militanten glauben, dass die Beherrschung eines Landes die muslimischen Massen mobilisiert und dass sie dann alle gemäßigten Regierungen in der Region stürzen und ein radikalislamisches Reich von Spanien bis Indonesien errichten können." Die Ideologie der militanten Islamisten verglich Bush mit dem Kommunismus. Unterstützt würden sie von arabischen Medien, "die Hass und Antisemitismus säen". Gegen einen solche Feind gebe es nur eine effektive Antwort: "Wir beugen uns nie, geben nie auf und akzeptieren nie etwas anderes als den vollständigen Sieg." Bush reagiert mit seiner Rede auf die wachsende Kritik in der Bevölkerung an seiner Irak-Politik. An seine Kritiker in den USA gerichtet erklärte Bush: "In der Mitte eines langen Kampfes gibt es immer die Versuchung, ein ruhiges Leben zu suchen, sich den Pflichten und den Problemen der Welt zu entziehen und zu hoffen, dass der Feind des Fanatismus überdrüssig und der Morde müde wird." Die USA würden sich in ihrem Krieg gegen den Terror aber nicht aus dem Irak zurückziehen. "Wir behalten die Nerven und wir werden gewinnen", erklärte Bush.
    Seit den Anschlägen des 11. September 2001 sind nach Angaben von US-Präsident George W. Bush drei weitere terroristische Angriffsversuche in den Vereinigten Staaten vereitelt worden. Bush sagte in seiner Rede, außerdem seien seither mindestens sieben weitere Terrorattacken in anderen Teilen der Welt verhindert worden. Bush nannte keine Details zu diesen Anschlagsplänen der vergangenen Jahre.
  • Nach Bekanntgabe des Friedensnobelpreises für die Internationale Atombehörde IAEO haben am 7. Okt. Tausende Iraner für Teherans Atomprogramm demonstriert. Die Aktion war staatlich organisiert. Der Westen müsse Irans Recht auf Nukleartechnologie anerkennen, verlangten die Demonstranten. Inzwischen kündigte der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki an, die umstrittene Urananreicherung in der Anlage von Natanz aufzunehmen. Eine offizielle Reaktion zur Nobelpreisvergabe an die IAEO gab es in Teheran nicht. (Zum Nobelpreis an die IAEO siehe:
    "Aktive Opposition gegen Atomwaffen" sowie
    "Hinter der friedlichen Nutzung der Atomenergie verbirgt sich immer die Möglichkeit zum Bau der Atombombe".)
Montag, 10. Oktober, bis Sonntag, 23. Oktober
  • Ein ranghoher Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Olli Heinonen, ist am 11. Okt. in den Iran gereist, um mit in dem Land tätigen Inspektoren der Behörde zusammenzutreffen. Wie aus Diplomatenkreisen in Wien verlautete, wollte Heinonen auch Gespräche mit Vertretern Irans führen. Über die genauen Reiseziele und die Dauer des Besuchs wurde zunächst nichts bekannt. Den Angaben zufolge reisen Inspekteure der IAEA derzeit regelmäßig zu Kontrollen in den Iran. Das Land hatte im August trotz internationaler Proteste die Urankonversion, eine Vorstufe der Anreicherung, wieder aufgenommen.
  • Im Streit um das iranische Atomprogramm ist zwischen Russland und den USA weiter keine einheitliche Linie in Sicht. Bei einem Kurzbesuch seiner US-Kollegin Condoleezza Rice am 15. Okt. in Moskau sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow, der Iran habe wie jedes andere Land, das dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten sei, das Recht auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie. Es gebe keine Beweise dafür, dass Teheran versuche, sich Nuklearwaffen zu verschaffen. Rice sagte dagegen, der Nichtverbreitungsvertrag beinhalte nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Es gehe nicht um Rechte, sondern darum, ob dem Iran zu trauen sei. Die USA verdächtigen Teheran, insgeheim am Bau von Atomwaffen zu arbeiten, und wollen die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat bringen.
  • Bei zwei Bombenanschlägen in der Erdölstadt Ahwas im Südwesten des Iran sind mindestens vier Menschen getötet und mehr als 70 verletzt worden. Das berichtete die Nachrichtenagentur ISNA am 15. Okt. Die Sprengsätze seien an zwei belebten Orten explodiert. Die Behörden prüfen, ob eine Verbindung zu den blutigen Bombenanschlägen am 12. Juni - kurz vor der Präsidentenwahl in Iran - besteht. Damals waren in der Hauptstadt Teheran und in Ahwas mindestens 10 Menschen getötet und mehr als 70 verletzt worden.
  • Der Iran hat einem Zeitungsbericht zufolge mit russischer Hilfe brisante Raketentechnologie aus Nordkorea erhalten. Im Rahmen eines millionenschweren Abkommens zwischen Pjöngjang und Teheran aus dem Jahr 2003 hätten russische Ex-Militärs als Mittelsmänner fungiert, berichtete der "Sunday Telegraph" am 16. Okt. unter Berufung auf westliche Geheimdienstkreise. Der Iran habe dadurch regelmäßig Schiffsladungen mit hochgeheimer Raketentechnologie erhalten. Die Waffen könnten auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden, berichtete das Blatt weiter. Sie hätten eine Reichweite von rund 3500 Kilometern und könnten damit europäische Städte treffen.
Montag, 24. Oktober, bis Montag, 31. Oktober
  • Möglicherweise noch in dieser Woche bricht ein leitender Mitarbeiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erneut zu einem Kurzbesuch in den Iran auf: Olli Heinonen, ein Stellvertreter von IAEA-Direktor Mohamed ElBaradei, wolle Ende dieser oder Anfang kommender Woche nach Teheran reisen, verlautete am 25. Okt. von IAEA-Diplomaten in Wien. Die Behörde wollte sich zu den Angaben nicht äußern. Vergangene Woche hatte ein westlicher Diplomat der Nachrichtenagentur AFP gesagt, dass der Iran Anfang des Monats mit Heinonen und seinen Mitarbeitern zusammengearbeitet und ihnen Informationen über ein Zentrifugenprogramm gegeben habe. (AFP 25. okt.)
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat öffentlich die Auslöschung Israels gefordert und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In einer Rede auf einer Konferenz mit dem Titel "Die Welt ohne Zionismus" sagte Ahmadinedschad am 26. Okt. in Teheran: "Wie es der Imam (Ayatollah Khomeini) gesagt hat, Israel muss von der Landkarte radiert werden". "Die islamische Gemeinschaft wird es dem historischen Feind nicht erlauben, in seinem Stammland zu leben", sagte der iranische Präsident vor 4000 Studenten. Als sie den Präsidenten mit dem Ruf "Tod für Israel" empfingen, forderte Ahmadinedschad sie auf, noch lauter zu rufen. Die "Gefechte im besetzten Land" seien Teil eines "Schicksalskrieges", sagte der erst im Juni gewählte Präsident. Der Ausgang von hunderten Jahren Krieg werde auf palästinensischem Land entschieden. Ahmadinedschad warnte andere islamische Regierungen vor der Anerkennung Israels. Wer solche Verträge unterzeichne, "unterschreibt die Kapitulation der moslemischen Welt."
    Westliche Regierungen wiesen die Tirade mit scharfen Worten zurück. Der stellvertretende israelische Ministerpräsident Schimon Peres forderte den Ausschluss des Iran aus der UNO. Ahmadinedschads Aufruf "verstößt gegen die Charta der Vereinten Nationen und kommt einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleich", schrieb Peres in einem offenen Brief an Israels Regierungschef Ariel Scharon. "Es ist unvorstellbar, dass jemand an der Spitze eines UN-Mitgliedsstaates steht, der zum Völkermord aufruft." Die Vereinigten Staaten sahen sich durch Ahmadinedschads Rede in ihrer Haltung bestätigt: "Das unterstreicht unsere Bedenken, die wir gegenüber dem iranischen Atomprogramm haben", sagte Präsidentensprecher Scott McClellan.
    Auch die Bundesregierung kritisierte Ahmadinedschad: "Sollten diese Aussagen tatsächlich so gefallen sein, sind sie völlig inakzeptabel und auf das Schärfste zu verurteilen", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Walter Linder. Frankreichs Außenminister Philippe Douste-Blazy bestellte den iranischen Botschafter in Paris ein. Der Diplomat solle Ahmadinedschads Äußerungen "erklären".
  • Trotz massiver internationaler Proteste hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad seinen Aufruf zur Zerstörung Israels bekräftigt. Seine Aussage, Israel müsse von der Landkarte getilgt werden, sei "richtig und angemessen" gewesen, sagte Ahmadinedschad am 28. Okt. In Teheran zogen zehntausende Menschen durch die Straßen und riefen unter anderem "Tod für Israel". Ahmadinedschad wies die internationalen Proteste gegen seine Aussagen zurück. "Sie sind frei zu reden, aber ihre Worte haben keine Gültigkeit", sagte der Präsident. Es sei klar, dass ein "richtiges und angemessenes" Wort eine Reaktion hervorrufe. Seine Worte seien "exakt" die Worte des iranischen Volkes, fügte Ahmadinedschad hinzu.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat die Drohung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, Israel "von der Weltkarte tilgen" zu wollen, am Abend des 28. Okt. scharf verurteilt. In einer kurzen Stellungnahme ermahnte der amtierende Ratspräsident Mihnea Ioan Motoc (Rumänien) alle UN-Mitgliedstaaten, Drohungen gegen die territoriale und politische Unabhängigkeit anderer Länder zu unterlassen. Mit dem Format einer Presseerklärung wählte der Sicherheitsrat die schwächste seiner Ausdrucksmöglichkeiten. Zu den gewichtigeren gehören Präsidentenerklärungen und Resolutionen. Dennoch zeigte sich Israels UN-Botschafter Dan Gillerman zufrieden. Er begrüßte die Verurteilung von Ahmadinedschads "abscheulichen Worten" vor Journalisten.
  • Das US-Repräsentantenhaus hat am 28. Okt. die israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad scharf verurteilt. Nach den Worten der republikanischen Repräsentantin von Florida, Ileana Ros-Lehtinen, wollen mehrere US-Abgeordnete den Ausschluss des Irans aus den Vereinten Nationen betreiben. Die Forderung des neuen iranischen Präsidenten sei ein klarer Bruch der UN-Charta, die friedliche Beziehungen der Mitgliedsstaaten untereinander verlange, sagte Ros-Lehtinen. Sie habe US-Außenministerin Condoleezza Rice gebeten, persönlich für eine entsprechende Empfehlung des UN-Sicherheitsrats für den Ausschluss des Irans zu werben.



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