"Statt deutscher Soldaten in den Irak: Struck in die Wüste"
Friedensbewegung gegen Rüstungsexporte und Irakeinsatz - Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung aus der Friedensbewegung zu den jüngsten Äußerungen des Verteidigungsministers. Weiter unten folgt ein Auszug aus dem Artikel der Financial Times Deutschland (FTD) vom 13. Oktober 2004, auf den sich die Pressemitteilung bezieht.
"Statt deutscher Soldaten in den Irak: Struck in die Wüste"
Friedensbewegung gegen Rüstungsexporte und Irakeinsatz
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
-
Friedensbewegung verlangt Rüchtritt des Verteidigungsministers
- Alleingang Strucks oder kalkulierter Versuchsballon?
- Deutsche Außenpolitik mit "weltpolitischer Dimension"
- Struck ist ein "gefährliches außenpolitisches Torpedo" im Kabinett
- Deutschland darf nicht Kriegspartei werden
Kassel, 13. Oktober 2004: Mit der Forderung nach dem Rücktritt des
Bundesverteidigungsministers Dr. Peter Struck reagierte der
Bundesausschuss Friedensratschlag auf die jüngsten Äußerungen des
SPD-Politikers zum möglichen Einsatz deutscher Soldaten im Irak. Strucks
Gedankenspiele in der Financial Times Deutschland (FTD-Mittwochsausgabe)
stellen entweder einen Alleingang des Ministers dar - dann sollte er
schleunigst vom Bundeskanzler zurückgepfiffen und ermahnt werden, oder
es handelt sich um einen im Kabinett abgesprochenen Versuchsballon -
dann hat die Bundesregierung einen weiteren Schritt getan, sich von
ihrem Versprechen "Keine Bundeswehrsoldaten in den Irak" zu verabschieden.
Alarmierend an dem FTD-Interview mit Peter Struck ist das politische
Umfeld, in dem es entstand. Seit Wochen bemüht sich Berlin, der
deutschen Außen- und Sicherheitspolitik eine größere "weltpolitische"
Dimension zu verpassen. Dazu gehört vor allem die umstrittene
diplomatische Offensive zugunsten eines ständigen deutschen Sitzes im
UN-Sicherheitsrat. Der Verteidigungsminister betätigt sich hierbei als
Nebenaußenminister, indem er künftige Einsatzfelder für die Bundeswehr
und die deutsche Rüstungsindustrie vordenkt. Struck war es, der die
Lieferung von Fuchs-Panzern an den Irak in die Wege leitete. Struck war
es, der sich vor wenigen Tagen vorstellen konnte, Bundeswehr im Sudan
einzusetzen. Struck war es, der monatelang die Ausweitung des
Afghanistan-Mandats vorantrieb (erst Kundus, dann Feisabad). Struck war es auch, der die Weichen dafür stellte, dass möglicherweise
1.000 auszumusternde Leopard-II-Panzer der Türkei zur Verfügung gestellt
werden - ein Plan, der noch vor wenigen Jahren zu einem Aufschrei der
Entrüstung beim grünen Koalitionspartner geführt hatte.
Seit der Übernahme des Verteidigungsministeriums vor drei Jahren hat
sich Peter Struck zu einem gefährlichen außenpolitischen Torpedo im
rot-grünen Kabinett gemausert. Markigen Sprüchen wie seinem
"Hindukusch"-Zitat ließ er noch jedes Mal Taten folgen. So wurde unter
seiner Ägide die Transformation der Bundeswehr zu einer weltweit
operierenden Einsatztruppe konsequent vorangetrieben. Der Rüstungsetat
blieb von entsprechenden Haushaltskürzungen weitgehend verschont und
Struck hat der deutschen Rüstungsindustrie in Aussicht gestellt, den
Anteil der Investitionen im Einzelplan 14 weiter zu erhöhen und "alles
zu beschaffen, was die Bundeswehr braucht".
Mit dem neuesten Vorstoß ist Struck zum Sicherheitsrisiko für die
Bundesrepublik Deutschland geworden. Wer "Füchse" an die
Interimsregierung in Bagdad liefert und wer laut FTD-Interview einen
Einsatz deutscher Soldaten im Irak nicht mehr ausschließt, katapultiert
Deutschland in den Rang einer Kriegspartei. Damit bricht Struck nicht
nur bisherige Regierungsversprechen, sich an diesem Krieg nicht
beteiligen zu wollen. Er legitimiert damit auch einen
völkerrechtswidrigen Krieg und eine illegitime Besatzung und fällt jenen
in den Rücken, die sich weiterhin an diesem Krieg nicht beteiligen
wollen oder sich aus der Kriegsallianz zu verabschieden gedenken.
Peter Struck ist als Verteidigungsminister der Bundesrepublik nicht
länger tragbar. Statt die Bundeswehr in den Irak sollte
Verteidigungsminister Struck in die Wüste geschickt werden, sagte der
Sprecher des "Friedensratschlags". Der Bundesausschuss Friedensratschlag
wird den Themen Irak und Rüstungsexporte im Rahmen seiner
Herbstaktivitäten ein noch größeres Gewicht geben. Die Friedensbewegung
wird sich in der Öffentlichkeit noch deutlicher positionieren als
grundsätzliche Opposition
-
gegen jegliche Ausweitung von Rüstungsexporten (nach Israel, in die
Türkei, nach Libyen usw.),
- gegen die Übernahme weiterer Auslandsmissionen der Bundeswehr sowie
- gegen jegliches militärisches Engagement im Irakkrieg.
Für den Bundesausschuss Friedesnratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)
Auszug aus der Financial Times Deutschland (FTD):
(...) Verteidigungsminister Peter Struck schließt den Einsatz der Bundeswehr im Irak auf längere Sicht nicht aus. Mit seiner Aussage relativiert Struck als erstes Regierungsmitglied das strikte Nein zur Entsendung deutscher Soldaten in den Irak.
Struck sagte in einem Interview der Financial Times Deutschland: "Ich schließe den Einsatz deutscher Soldaten im Irak jetzt aus. Aber generell wird keiner die Entwicklung im Land so vorhersehen können, dass er verbindliche Aussagen machen kann." Er begrüßte zudem die Idee des US-Präsidentschaftskandidaten John Kerry, mit einem internationalen Treffen den Wiederaufbau auf eine breitere Basis zu stellen.
Mit seiner Aussage relativiert Struck als erstes Regierungsmitglied das strikte Nein zur Entsendung deutscher Soldaten in den Irak. Bislang hat Rot-Grün nur eine Hand voll Polizisten und Soldaten für Ausbildungsgänge außerhalb des Irak bereitgestellt. Der rot-grünen Spitze ist jedoch bewusst, dass sie im Fall eines Wahlsiegs des Demokraten John Kerry bei den US-Präsidentenwahlen am 2. November schwere Entscheidungen treffen müsste. Wie Präsident George W. Bush dringt er auf die schnelle Wiederherstellung der Souveränität des Landes - allerdings unter stärkerer Einbindung der Partner.
(...)
Kerrys Idee einer Konferenz, um das Irak-Problem zu besprechen, nannte Struck "sehr vernünftig". Die Situation im Land sei "nur dadurch zu bereinigen, dass alle Beteiligten an einem Tisch zusammenkommen". Deutschland habe sich durch die geleistete Hilfe "natürlich auch zur Teilnahme" qualifiziert. Doch betonte der Minister, er werde auf absehbare Zeit keine Soldaten ins Land schicken. "Wir sollten uns über den Ausbildungseinsatz in den Emiraten hinaus nicht weiter militärisch engagieren", sagte Struck.
In den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen rund 30 deutsche Soldaten ab November irakische Soldaten für die Nutzung und Wartung ausgedienter Bundeswehr-Lastwagen ausbilden. "Wir gehen davon aus, dass wir im Dezember die Ausbildung der Lkw-Fahrer abgeschlossen haben werden", sagte Struck. "Über die Ausbildung irakischer Pioniere stehen wir zurzeit noch im Gespräch." Als letzte Maßnahme könnten Bundeswehr-Experten Irakern die Sprengstoffbeseitigung beibringen, sagte er. "Dies würde aber sicher in Deutschland stattfinden." (...)
Aus: FTD vom 13. Oktober 2004 (www.ftd.de)
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