Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Unsere Verantwortung für den Frieden"

Im Wortlaut: Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Deutschen Bundestag zur aktuellen internationalen Lage am Donnerstag, 13. Februar 2003, in Berlin.

Im Folgenden dokumentieren wir die Regierungserklärung des Bundeskanzlers, die er am 13. Februar 2003 zur Irak-Kriese abgab. Hier geht es zu einer ersten Stellungnahme aus der Friedensbewegung vom selben Tag.


Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

Deutschland trägt Mitverantwortung:
Mitverantwortung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.
Mitverantwortung für die Durchsetzung einer bedingungslosen Abrüstung des Irak.
Und Mitverantwortung für den Frieden.

Deutschland trägt diese Verantwortung gemeinsam mit den anderen Staaten der Vereinten Nationen und hält daran unbeirrt fest.

Deutschland steht zu seinen Bündnispflichten in der Nato. Wenn ein Partner angegriffen wird, werden auch wir ihn verteidigen. Das haben wir bewiesen. Das wird so bleiben.

10.000 Männer und Frauen der Bundeswehr sind mittlerweile an internationalen Einsatzorten stationiert, um Menschen Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten. Auf dem Balkan, in Afghanistan und im Rahmen von "Enduring Freedom".
Dafür gebührt Ihnen unsere Hochachtung und unser tief empfundener Dank.

Wir tun unsere Pflicht für den Frieden. Gemeinsam mit Frankreich, Russland und anderen unternimmt die Bundesregierung alle Anstrengungen, den Konflikt mit dem Irak auf friedlichem Wege zu lösen. Das ist möglich. Darum kämpfen wir.
Dies klar und deutlich zu sagen - unseren Bürgerinnen und Bürgern und unseren amerikanischen Freunden - ist meine Verantwortung als Bundeskanzler.

Meine Damen und Herren,

der Kampf gegen den internationalen Terrorismus erfordert nach wie vor unsere höchste Aufmerksamkeit.
Diesen Kampf können wir gewinnen.
Im Interesse der Sicherheit der Menschen und des Friedens in der Welt müssen wir ihn auch gewinnen. Aber keineswegs haben wir ihn bereits gewonnen.
Deshalb kämpfen unsere Spezialtruppen Seite an Seite mit Amerikanern diesen Kampf.

Am Montag dieser Woche haben die deutschen Soldaten in Kabul das offizielle Kommando über die ISAF-Schutz-Truppe der Vereinten Nation übernommen.
Bis zu 2.500 Soldaten werden die Arbeit leisten. Und sie leisten sie gut.
Ich will, dass wir das selbstbewusst unserem Volk, aber auch unseren Partnern in der NATO sagen. Wenige NATO-Mitglieder leisten, was wir leisten. Das darf nicht vergessen werden.
Mit der Entsendung dieser Soldaten haben wir als Regierung, aber auch als Abgeordnete des Deutschen Bundestages gegenüber den Betroffenen und ihren Angehörigen eine große Verantwortung übernommen.
Unsere Bevölkerung und die Menschen in aller Welt haben ein Recht darauf zu wissen: Wir werden uns die Entscheidung über militärische Gewalt und die Entsendung von Truppen niemals leicht machen.
Und wir werden niemals einen Zweifel daran lassen, dass wir solche Entscheidungen ausschließlich auf der Grundlage fester Prinzipien treffen.
Prinzipien, die universell sind und von denen wir uns in unserem Handeln, aber auch in unseren Bündnissen leiten lassen. Prinzipien der Freiheit, des Friedens und des Rechts.

Es wird aber auch deutlich werden, dass wir diese Entscheidungen souverän und das heißt in eigener Verantwortung treffen.

Meine Damen und Herren,

die Bundesrepublik Deutschland hat in einem Maße internationale Verantwortung übernommen, wie es vor einigen Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre: auf dem Balkan, vor allem aber nach den verheerenden Terroranschlägen des 11. September 2001 in New York und Washington.
Den deutschen Beitrag, den Frieden zu erhalten und zu stabilisieren, haben wir seit 1998 verzehnfacht. Von 200 Millionen auf 2 Milliarden Euro pro Jahr.
Deutschland stellt heute nach den Vereinigten Staaten von Amerika das zweitgrößte Truppenkontingent in internationalen Einsätzen zur Sicherung und Wahrung des Friedens.
Insgesamt haben seit 1998 mehr als 100.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in solchen Einsätzen ihr Leben und ihre Gesundheit riskiert.

Zu dieser Politik der Solidarität konnte und durfte es für uns keine Alternative geben. Geleistete Solidarität schafft aber auch das Recht, ja die Pflicht, zu differenzieren.
Dass angesichts der fortbestehenden Gefahr durch den internationalen Terrorismus der Al-Qa'eda alle Maßnahmen und Entscheidungen auch darauf überprüft werden müssen, ob sie dem Kampf gegen diesen Terrorismus nützen oder schaden, sollte selbstverständlich sein.
Das gilt auch für die aktuelle Krise um den Irak.
Wer diese Krise mit militärischen Mitteln lösen will, muss eine Antwort auf die Frage haben, ob das die weltweite Allianz gegen den Terrorismus, der auch rund fünfzig mehrheitlich muslimische Nationen angehören, voranbringt - oder ob es diese Allianz gefährden, vielleicht sogar sprengen könnte.

Meine Damen und Herren,

die Politik der Bundesregierung war stets Friedenspolitik. Das gilt für den Wiederaufbau in Afghanistan wie auch für unsere Bemühungen - in denen wir nicht nachlassen dürfen - um dauerhaften Frieden und Sicherheit im Nahen Osten.
Die vornehmste Aufgabe internationaler Politik ist es Kriege zu verhüten. Daran orientieren wir uns.
Keine Realpolitik und keine Sicherheits­doktrin darf dazu führen, dass wir uns schleichend wieder daran gewöhnen, den Krieg als gleichsam normales Mittel der Politik zu betrachten.
Und auch als letztes Mittel der Konfliktlösung unterliegt die Anwendung militärischer Gewalt strengen Beschränkungen.
Ausnahmen bilden namentlich die Selbstverteidigung gegen einen unmittelbar bevorstehenden bewaffneten Angriff oder die vom Sicherheitsrat mandatierte Abwehr einer unmittelbaren, schweren Gefahr für den internationalen Frieden.

In diesem Sinne hat sich, in einem über Jahrhunderte währenden Prozess, das Völkerrecht herausgebildet. Die Satzung der Vereinten Nationen beruht auf diesem Grundsatz des Gewaltverbots.
Treibende Kraft dabei waren immer wieder die Vereinigten Staaten von Amerika - denken wir an Namen wie Wilson oder Roosevelt.
Kern dieses Prozesses ist das Prinzip, die Stärke des Rechts an die Stelle eines Rechts des Stärkeren zu setzen.
Das ist das gemeinsame Werte-Fundament, das uns fest mit unseren amerikanischen Freunden verbindet.

Die transatlantische Freundschaft war nie eine eng und egoistisch verstandene Zweckgemeinschaft. Sie ist und bleibt eine Wertegemeinschaft.
Diese Wertegemeinschaft kann auch bei gelegentlichen Meinungs­verschiedenheiten in ihrer Substanz nicht berührt werden.
Deutsche und Amerikaner verbindet längst nicht mehr nur die Dankbarkeit, die wir für die Befreiung von der Nazi-Diktatur und die Chance zum demokratischen Wiederaufbau empfinden.
Uns verbindet eine kulturelle Zusammengehörigkeit, die weit in den Alltag unseres Volkes hineinreicht.
Und uns eint eine Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt und der Verfolgung gemeinsamer Ziele beruht. Und die deshalb auch unterschiedliche Meinungen zu wichtigen Fragen ertragen muss.
Wir streiten heute nicht um Details einer Sicherheitspolitik. Nicht um vordergründigen strategischen oder ökonomischen Nutzen. Und schon gar nicht um Sein oder Nicht-Sein der NATO.

Aber es geht darum, ob Willensbildung multilateral bleibt. Es geht dabei auch um die Rolle Europas, und zwar des ganzen Europas.
Dass dieser Kontinent seine Rolle ohne engste Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland nicht spielen kann, ist eine Erkenntnis, die einmal gemeinsame Auffassung des ganzen Hauses war.
Es geht also um den besten Weg, die Kontinuität unserer gemeinsamen Prinzipien zu wahren - und das heißt vor allem des Prinzips einer Rechtsordnung, die universell und dem Frieden dienlich ist.

Meine Damen und Herren,

heute stellt sich diese Frage in der Golfregion. Die Verantwortung dafür trägt das Regime in Bagdad.
Über die Natur des Regimes von Saddam Hussein machen wir uns keine Illusionen.
Wir haben dafür zu sorgen, dass der Irak die Hindernisse ausräumt, die das Regime einer friedlichen Entwicklung und der Herrschaft des Rechts in den Weg stellt.
Wir unterstützen daher vorbehaltlos die Forderungen der internationalen Gemeinschaft nach einer bedingungslosen Abrüstung des Irak und seiner vollen, aktiven Kooperation mit den Waffeninspekteuren.
Der Weltsicherheitsrat hat in seiner Resolution Nummer 687 im April 1991 als Ziel und Rahmen eine "ausgewogene und umfassende Rüstungskontrolle in der Region" und die "Einrichtung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen und Mittleren Osten" verbindlich festgeschrieben.
Die dem irakischen Regime aufgegebene Abrüstung ist demnach ein erster Schritt in Richtung auf dieses Ziel. Durch seine wiederholten Verstöße gegen UN-Resolutionen steht der Irak bisher diesem Ziel im Wege.
Deshalb hat der Weltsicherheitsrat in seiner Resolution 1441 vom 8. November 2002 einstimmig beschlossen, dass der Irak lückenlos Bericht zu erstatten und verbliebene Potentiale an Massen­vernichtungswaffen vorbehaltlos und nachprüfbar abzurüsten hat.

Deutschland trägt diese Resolution mit und hat an ihrer Umsetzung stets aktiv mitgewirkt:
Wir haben Personal bereitgestellt und Ausrüstung und Informationen für die Waffeninspekteure.
Wir unterstützen die Resolution 1441 und ihr Ziel als Mitglied und derzeitiger Vorsitzender des Weltsicherheitsrats.
Diese Resolution enthält keinen Automatismus zur Anwendung militärischer Gewalt. Wenn die Vorsitzende der CDU - wie sie das auf der Sicherheitskonferenz getan hat - das Gegenteil behauptet, dann irrt sie und führt die Menschen in die Irre.
Das Entscheidungsmonopol auf die Anwendung von Gewalt, darin sind wir uns mit unseren Partnern in Europa und anderswo einig, muss beim Weltsicher­heitsrat bleiben.

Meine Damen und Herren,

die letzte Mission der Inspekteure in Bagdad hat - nach allem, was wir bisher wissen - zu wichtigen Fortschritten geführt.
Die Inspekteure, die morgen dem Weltsicherheitsrat erneut Bericht erstatten werden, haben nie einen Zweifel am notwendigen Umfang ihrer Mission gelassen.
Wir müssen sie befähigen, ihre Aufgabe erfolgreich zu Ende zu bringen.
Wie wir in unserer gemeinsamen Erklärung mit Frankreich und Russland - die von China unterstützt wird und auch auf der Linie weiterer Mitglieder des Sicherheitsrates liegt - betont haben, muss es in dieser Phase darum gehen, sämtliche Möglichkeiten für eine friedliche Lösung des Konflikts auszuschöpfen.
Die Inspektionen müssen fortgesetzt und ausgeweitet werden.
Aus unserer eigenen Geschichte wissen wir, dass tiefgreifende Veränderungen oft nur durch langfristige Prozesse erreicht werden können.
Das glückliche Ende des Kalten Krieges ist eben auch ein Erfolgsbeweis für die Politik der Eindämmung und Abschreckung.
Ohne dass je eine militärische Option auch nur zu Gebote gestanden hätte, konnten am Ende die Ziele von Freiheit, Frieden und Rechtsstaatlichkeit erreicht werden.
Entscheidend war in diesem Prozess das beharrliche Eintreten für unsere Werte und Prinzipien im Rahmen des westlichen Bündnisses.

Auch wenn es mitunter Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, stand die Einigkeit im Ziel einer freiheitlichen, friedlichen Ordnung unseres Kontinents stets unverrückbar fest.
Auch heute bekennen wir uns ausdrücklich zu unseren Bündnisverpflichtungen und nehmen sie entschieden wahr. Das Bündnis hilft Partnern, die in Gefahr sind.
Auch die Türkei kann sich auf unsere Solidarität zur Gefahrenabwehr jederzeit verlassen.
Den Forderungen, die in der NATO auf dem Tisch liegen, sind wir tatsächlich bereits nachgekommen.
So habe ich schon im Dezember öffentlich zugesagt, dass die deutschen AWACS- Besatzungsmitglieder für den Schutz der Türkei zur Verfügung stehen.
Zusammen mit den Niederlanden stellen wir der Türkei das modernste Gerät zur Raketenabwehr zur Verfügung, das in Europa verfügbar ist - die Patriot-Systeme.
Diese Systeme haben wir im übrigen auch Israel geliefert.
Soldaten der Bundeswehr schützen seit Ende Januar amerikanische Kasernen, Flugplätze und Einrichtungen. Etwa 1.000 deutsche Soldaten sind für diese Aufgaben bereits eingesetzt.
Auch deshalb halten wir mit unseren Freunden aus Frankreich und Belgien einen förmlichen NATO-Beschluss über die Aufnahme von Planungen für einen Krieg vor den Erörterungen des Sicherheitsrates nicht für angemessen.
Für uns steht die Solidarität mit der Türkei, auch die Solidarität in der Allianz außer Frage. Doch wir halten auch - anders als Sie und Ihre politischen Freunde - die Aktionseinheit mit Frankreich für unverzichtbar. Deutsche Politik darf nie Frankreich isolieren.
Wir alle wollen die Entwaffnung des Irak erreichen. Unterschiedlicher Meinung sind wir über die Wahl der Mittel zur Durchsetzung und die Zeitvorstellungen zur Erreichung dieses Ziels.

Meine Damen und Herren,

der Bundesaußenminister hat im Weltsicherheitsrat darauf hingewiesen, dass während der Inspektionen von 1991 bis 1998 nachweislich mehr Massen­vernichtungswaffen im Besitz des Irak abgerüstet worden sind als während des gesamten Golfkrieges.
Es spricht also alles dafür, dass kontrollierte Abrüstung und wirksame Inspektionen ein durchaus taugliches Mittel zur Beseitigung der Gefahr durch Massenvernichtungswaffen sind.
Wer angesichts dessen heute einer militärischen Option den Vorzug gibt, der müsste glaubhaft machen, dass es keine Alternative zum Krieg gibt.
Die Bundesregierung - ich sage es bewusst nochmals - ist gemeinsam mit Frankreich, Russland, China und zahlreichen anderen Staaten ausdrücklich nicht dieser Meinung.
Ebenso wie unsere europäischen Partner und die Vereinigten Staaten wollen wir dazu beitragen, auch im Nahen Osten eine dauerhafte und stabile Friedens­ordnung zu schaffen.
Dazu gehört die Sicherheit Israels ebenso wie ein unabhängiger, lebensfähiger und demokratischer Staat Palästina.
Eine militärische Auseinandersetzung im Irak würde diesen Prozess nach unserer Einschätzung nicht erleichtern, sondern verlängern und erschweren.
Eine militärische Konfrontation und die Besetzung des Irak würde die Reform- und Dialogbereitschaft in islamischen Ländern vermutlich weiter blockieren und die Gefahr terroristischer Anschläge erhöhen.
Wenn ich, mit mir Außenminister Fischer, so leidenschaftlich dafür Kämpfe, dem Frieden eine Chance zu geben, dann geschieht das eben auch aus tiefer Sorge um die Folgen für Israel.
Eine neue Welle des Kamikaze-Terrors mit seinen entsetzlichen Opfern unter der israelischen - und in der Folge durch Vergeltungsschläge auch unter dem palästinensischen Volk - müssen gerade wir zu vermeiden helfen.

Einer der wesentlichen Gründe, warum es den Vereinigten Staaten und uns nach dem 11. September 2001 gelungen ist, eine breite Koalition gegen den Terror zu schmieden, war die Ablehnung jeder Idee, es könne sich um einen "Kampf der Kulturen" oder um einen Feldzug "des Westens" gegen "den Islam" handeln.
Wenn wir jetzt den Prozess der Abrüstung des Irak und der politischen Befriedung für gescheitert erklärten, würden wir Fanatikern Zulauf und Bestätigung bescheren, die diese Konfrontation der Kulturen herbeipredigen und mit ihren schändlichen Attentaten herbeibomben wollen.
Dagegen beharren wir aber auf der Integrität einer jeden Zivilisation gegen die Gewalt von Terroristen und auf der Überlegenheit einer Friedensordnung des Rechts.
Gerade deshalb ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit, jeden Stein zweimal umzudrehen, um eine friedliche Lösung zu erreichen. Das ist die Position der Bundesregierung und ihrer Partner.

Meine Damen und Herren,

die Alternative heißt eben nicht:
Krieg oder Nichtstun.
Wer den Krieg ablehnt, ist nicht zum "Appeasement" verdammt.
Unser unmittelbares Vorgehen orientiert sich im wesentlichen an fünf Punkten:

Erstens: Resolution Nr. 1441 enthält keinen Automatismus zur Anwendung militärischer Gewalt. Vordringliche Aufgabe ist es, sämtliche Mittel zur friedlichen Konfliktlösung auszuschöpfen und in ihrer Anwendung zu optimieren.

Zweitens: Irak muss umfassend und aktiv mit dem Sicherheitsrat und den Waffeninspektoren kooperieren. Wir brauchen eindeutige Klarheit über Massenvernichtungsmittel im Besitz des Irak und, so es sie gibt, deren endgültige Abrüstung.

Drittens: Die Entscheidungskompetenz über den Fortschritt der Inspektionen und sämtliche eventuellen Konsequenzen liegt ausschließlich beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Viertens: Entscheidendes Instrument für die Beseitigung verbotener irakischer Rüstungsprogramme ist und bleibt ein wirksames Inspektions- und Verifikationsregime. Es muss ausgebaut und den Erfordernissen entsprechend verstärkt werden.

Fünftens: Unser Ziel ist es, dauerhafte Strukturen für die Eindämmung vom Irak ausgehender Gefahren, für Abrüstung und Stabilität in der gesamten Region zu schaffen.

Der französische Außenminister hat am 5. Februar im Weltsicherheitsrat Vorschläge gemacht, die auf die Schaffung eines effektiveren Inspektions­regimes abzielen.
Diese Vorschläge hat Frankreich inzwischen weiter konkretisiert.
Im Kern handelt es sich darum:
  • die Zahl der Inspektoren zu verdoppeln oder verdreifachen;
  • ihre Ausstattung mit technischem Material, Infrastruktur und speziell qualifiziertem Personal aufzustocken und zu diversifizieren;
  • die Koordinations-, Aufklärungs- und Eingriffsmöglichkeiten der Inspektoren zu präzisieren und zu verstärken.
Diese Vorschläge werden von der Bundesregierung ausdrücklich unterstützt.
Parallel dazu arbeiten wir, gemeinsam mit Frankreich und anderen Partnern, an Vorschlägen zur friedlichen, vollständigen und dauerhaften Abrüstung.
Diese Vorschläge beinhalten unter anderem die dauerhafte Überwachung einschlägiger Anlagen und wirksame Kontrollen des Exports, aber auch des Endverbleibs kritischer Güter - unter Einbeziehung vor allem, aber nicht nur der Anrainerstaaten.
Inspektionen und Kontrollen sollten auch dazu führen, dass wir Erkenntnisse über den Handel mit verbotenen Kampfstoffen und Komponenten sowie die entsprechenden Vertriebswege zum weltweiten Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nutzen.
Die Anrainerstaaten des Irak müssen stärker als bisher eingebunden werden. Die explosive Lage in der Region sowie die dort vorhandenen Waffenpotentiale erfordern eine umfassende Kooperation.
Wir dürfen und wollen die Nachbar­staaten des Irak und seine Partner in der Arabischen Liga nicht aus ihrer Verantwortung für eine friedliche Lösung entlassen.

Meine Damen und Herren,

wir stellen uns unserer Verantwortung für den Erhalt des Friedens.
Es kann nicht verkehrt sein, selbst für die allergeringste Friedenschance noch außergewöhnliche Anstrengungen auf sich zu nehmen. Diese Einschätzung wird im übrigen auch von der Mehrheit unserer europäischen Nachbarn sowie der Sicherheitsratsmitglieder geteilt.
Deswegen unterstützen wir auch den Vorschlag der griechischen EU-Präsidentschaft zur Einberufung eines Sondergipfels am kommenden Montag. Die Europäische Union schuldet ihren Bürgern eine gemeinsame Haltung in der Frage von Krieg und Frieden.
Deutschland ist bereit, alle Mittel, die wir für ein nachhaltiges, verschärftes Inspektionsregime zur lückenlosen Abrüstungskontrolle mobilisieren können, zur Verfügung zu stellen.
Welches die besten Mittel sind, werden wir in enger Absprache mit den Inspekteuren und unseren Partnern im Sicherheitsrat beraten.
Dabei sind wir fest davon überzeugt:
Es gibt noch Alternativen. Es ist nicht zu spät, die Entwaffnung des irakischen Regimes friedlich zu erreichen.

Nicht nur im Sicherheitsrat, nicht nur in der Europäischen Union, sondern auch im Bundestag werden wir uns weiter um eine breite Mehrheit für eine gemeinsame Position im Interesse unseres Landes bemühen.
Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben ebenso wie unsere Freunde und Verbündeten einen Anspruch darauf, von uns klare Antworten zu erhalten. Insbesondere auf die Frage, ob wir uns an einer Militäraktion beteiligen werden oder nicht.
Die Bundesregierung hat diese Frage mit Nein beantwortet. Dabei bleibt es.

Vor allem aber müssen sie darauf vertrauen können, dass wir alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, eine friedliche Lösung zu finden.
Ich will nicht akzeptieren, dass es nur darum geht, Krieg zu führen mit den Freunden oder dem Frieden eine Chance zu geben ohne sie.
Wir können den Irak entwaffnen ohne Krieg. Diese Chance zu nutzen ist Inhalt meiner Verantwortung.

Gewiss, es gibt auch in unserem Land eine Koalition der Willigen für einen Krieg. Die CDU/CSU gehört dazu. Ihnen setzen wir mit der Mehrheit in unserem Volk den Mut zum Frieden entgegen.
Das ist das Mandat von Rot-Grün, das uns am 22. September 2002 gewährt wurde. Daran halten wir uns.

Ich danke Ihnen!


Zurück zur Irak-Seite

Zur Seite "Außenpolitik"

Zurück zur Homepage