Schaffen wir gewaltfreies Irak?
Prof. Awardi bemüht sich um Erfahrungsaustausch mit Friedensaktivisten
Prof. Zaid Awardi ist Mitbegründer der irakischen Organisation La Onf (Nein zu Gewalt) und Berater ihres Vorstandes.
Sie gehörten zu den Teilnehmern des ersten Forums für Gewaltfreiheit, das gerade in Erbil im
irakischen Teil Kurdistans mit in- und ausländischen Friedensaktivisten stattgefunden hat. In Irak
haben Sie eine Bewegung für Gewaltfreiheit mitbegründet. Was hat Sie dazu veranlasst?
Wir haben in Irak bisher versucht, unsere Probleme mit Mitteln der Gewalt zu lösen. Das hat jedoch
zu nichts geführt, im Gegenteil, es hat viel Leid gebracht. So haben wir begonnen, nach anderen
Wegen zu suchen. Wir wurden inspiriert durch die Erfolge gewaltfreier Strategien und Aktionen in
ganz unterschiedlichen Gesellschaftssystemen und Regionen der Welt - ob in Indien, den USA,
Polen oder Südafrika. Wir erkannten unsere eigene Fähigkeit, Gewaltfreiheit zu praktizieren.
Wie lief die Gründung ab?
Im Jahre 2005 trafen einige Iraker internationale Freunde. Dabei entstand die Idee, ein Training in
Gewaltfreiheit anzubieten. Ich habe diese Idee umgesetzt und die Teilnehmer ausgesucht. Es sollten
Multiplikatoren sein, daher habe ich religiöse Führer, Intellektuelle und Menschen mit gewissem
Einfluss ausgewählt. Das Training fand im April 2006 in Amman statt und wurde von
NoViolenciaActiva aus Barcelona unterstützt. 20 Iraker haben teilgenommen und beschlossen, La
Onf zu gründen. Am Anfang war unsere Arbeit nicht ohne Risiko, denn es herrschte Bürgerkrieg.
Was tut La Onf?
Die erste Kampagne war die Woche der Gewaltfreiheit im Mai/Juni 2006. Wir verteilten Flugblätter,
auf denen wir die Menschen aufriefen, den Schwur zu leisten, in der Woche der Gewaltfreiheit keine
Gewalt anzuwenden. Wir bezogen uns dabei auf Suren des Korans.
Inzwischen gibt es in allen 18 irakischen Distrikten eine Gruppe. Die Koordination obliegt der
Organisation Al-Mesalla, die in Bagdad und Erbil arbeitet Die Aktivitäten sind vielfältig. Unsere
Gruppe in Bagdad hat Demonstrationen gegen Gewalt und Buchstände mit Literatur über
Gewaltfreiheit organisiert. Auch eine Kampagne gegen die Gewalt an Frauen wurde begonnen, und
zu den vorigen Wahlen haben wir uns auch eingebracht.
Inzwischen können wir relativ frei arbeiten. Aber wer weiß, wie lange das andauert, wir müssen also
diese Zeit nutzen.
Welches Ziel verbanden Sie mit dem ersten Forum für Gewaltfreiheit, das La Onf organisiert hat?
Das Forum diente dem Austausch zwischen jenen irakischen Aktivisten, die an der
Weiterentwicklung der Arbeit für Gewaltfreiheit mitwirken wollen. Wir sind eine junge Organisation in
einem Land ohne Tradition in Gewaltfreiheit. Daher sind wir darauf angewiesen, Erfahrungen aus
anderen Ländern kennenzulernen. Solche Erfahrungen haben uns unsere Gäste aus Italien,
Spanien, den USA, Frankreich und Deutschland geliefert.
Was haben Sie von den ausländischen Gästen des Forums erwartet?
Es gibt finanzielle Erwartungen. Wir arbeiten mit internationalen Organisationen zusammen. Das ist
auch in Ordnung, mir wäre freilich lieber, wenn wir unsere Aktivitäten vornehmlich aus dem im
Grunde reichen Irak finanzieren würden. Nicht aber durch die Regierung, denn die ist
mitverantwortlich für die Gewaltkultur.
Beeindruckt hat mich die Aussage ausländischer Gäste, sie hätten von unserer Arbeit gelernt. Das
hat mich gefreut, denn wir wollen unsere eigene Stimme haben. Die Internationalen aber machen
diese über Grenzen hinweg hörbar.
Fragen: Stephan Brües
* Aus: Neues Deutschland, 18. November 2009
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