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Irak-Embargo: Missbrauch des "Sanktionsrechts" zum Schaden der Zivilbevölkerung

Vortrag von Dr. Eva-Maria Hobiger, Fachärztin für Radioonkologie, Wien

Den folgenden Vortrag hielt Eva Maria Hobiger auf dem Irak-Kongress am 2. November 2002 in Berlin.


Während der letzten zwei Jahre war ich mehrmals im Irak, zuletzt erst vor wenigen Wochen, im September, es handelte sich durchwegs um Reisen mit medizinischem Schwerpunkt, in deren Verlauf ich etwa 10 irakische Krankenhäuser in Bagdad und Basra, zum Teil wiederholt, besucht habe. Ich möchte von meinen Erfahrungen, die ich vor Ort gewonnen habe, einige Punkte herausgreifen und versuchen, Ihnen hier eine möglichst sachliche Darstellung der Situation zu geben, so wie ich sie als Augenzeugin erlebt habe.

Die medizinische Versorgungslage ist einer der bedeutendsten Sozialindikatoren eines Landes. Sie haben vorhin von Herrn Prof. Gottstein gehört, dass der Irak bis 1990 das beste Gesundheitssystem der Region besaß, das sich durchaus mit westlichen Maßstäben messen konnte und dieses Gesundheitssystem stand der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung. Aus allen arabischen Ländern reiste man in den Irak, um sich behandeln zu lassen. Im Bewusstsein dieser Tatsache sind die Erfahrungen der katastrophalen medizinischen Versorgung im heutigen Irak umso erschütternder. Den einstmals guten medizinischen Standard kann man teilweise auch noch an den funktionslos umherstehenden medizinischen Geräten ablesen, funktionslos deswegen, weil es an Ersatzteilen und Servicemöglichkeiten handelt.

Das Groteske an der Situation im Irak ist die Tatsache, daß dieses Land heute aufgrund seines Prokopf-Einkommens zu den fünf ärmsten Entwicklungsländern dieser Erde zählt und zugleich aufgrund seiner natürlichen Ressourcen ein ungeheuer reiches Land ist, das aber diesen Reichtum aufgrund der Sanktionen nicht nützen kann. Ein etwas fragwürdiges Experiment, das da im Namen der internationalen Gemeinschaft durchgeführt wird, wenn ich mir diese unsachliche Bemerkung erlauben darf.

Um ein Argument, dass man hier in Europa immer wieder hört, nämlich man sieht im Irak nur das, was einem die irakischen Begleiter zeigen, zu entschärfen: meine Besuche in den irakischen Spitälern waren teilweise angemeldet und teilweise unangemeldet, weil sie sich spontan aus einer Situation aufgrund meines Wunsches ergeben haben. Ich habe dabei sicher den Vorteil meines Berufes als Ärztin gehabt und ich habe es selbst erfahren, dass es Journalisten diesbezüglich ungleich schwieriger haben.

Defekte Gebäude, mangelnde Hygiene, fehlendes Reinigungs- und Pflegepersonal, Mangel an medizinischen Einrichtungen, Mangel an Medikamenten, fehlende Wartungsmöglichkeiten für Geräte - das Bild gleicht sich in nahezu allen irakischen Spitälern. Der Anstieg der Kindersterblichkeitsrate unter 5 Jahren ist der höchste von allen Ländern, die durch die Unicef untersucht wurden: 160 % innerhalb der letzten 12 Jahre. Laut Unicef-Bericht sterben täglich 167 Kinder als unmittelbare Sanktionsfolge. Die Ursachen sind offensichtlich, auch wenn man sich nur kurz in irakischen Spitälern aufhält: schlechte Trinkwasserqualität, ganz besonders im Süden des Landes, Mangel- und Fehlernährung sowie schlechte medizinische Versorgung.

Die Mutter eines der unterernährten Kinder, die ich auf den Dias zeige, hat uns gebeten, ihr Kind mit nach Europa zu nehmen, denn da würde es sicher überleben, in Basra aber sterben. Ich glaube, Sie alle wissen, dass Kinder in der muslimischen Gesellschaft den höchsten Stellenwert haben und können damit vielleicht ermessen, wie groß die Verzweiflung dieser Frau sein muß.

Ein ganz besonders krasses Beispiel für die Verschlechterung der Lebensbedingungen habe ich bei unserer letzten Reise im Irak beobachtet: Die Tropenerkrankung Kala Azar, durch Parasiten verursacht und durch Fliegen übertragen gilt als typische Armutserkrankung und kommt in den Elendsvierteln dieser Welt vor, in Indien und Sudan z.B. Sie galt als ausgerottet im Irak, da es vor dem Golfkrieg ein breitflächig angelegtes Mückenbekämpfungsprogramm gegeben hat. Aufgrund der Sanktionsbestimmungen gelten Insektizide als "dual use", d.h. militärisch nutzbar - was manche von ihnen aufgrund ihrer chemischen Inhaltsstoffe tatsächlich wären. Nur frage ich Sie: rechtfertigt das die Tatsache, dass zur Zeit 3000 irakische Kleinkinder an Kala Azar erkrankt sind? Eine Erkrankung, die in 100 % innerhalb weniger Monate zum Tode führt, wenn sie nicht behandelt wird. Und in 100 % geheilt werden kann, wenn sie behandelt wird. Und Kala Azar kann im Irak nicht behandelt werden, denn das wichtigste und preisgünstigste Medikament für die Behandlung ist im Land nicht verfügbar. Wir haben in Bagdad tagelang versucht, es auf dem Schwarzmarkt aufzutreiben und sind gescheitert.

Der Irak dürfte neben der höchsten Kindersterblichsrate auf dieser Welt auch die höchste Leukämie- und Krebsrate unter Kindern haben, in Basra im Südirak ist sie fünf- bis sechsfach erhöht gegenüber 1990. Frau Prof. Jenan, die leitende Kinderonkologin des Mutter-Kind-Spitals in Basra befindet sich derzeit aufgrund unserer Einladung zu einer medizinischer Fortbildung in Wien. Sie hat mir erst vor wenigen Tagen erzählt, dass in der Woche bevor sie abreiste, fünf Neuerkrankungen an kindlicher Leukämie zu verzeichnen waren, in einer Region, wo knapp zwei Millionen Menschen leben. Zum Vergleich in Österreich mit 8 Millionen Einwohner gibt es ca. 5-7 Neuerkrankungen im Monat! Bei jedem meiner Besuche in diesem Spital waren überproportional viele leukämieerkrankte Kinder aufgenommen. Die kindliche Leukämie kann bei uns in Westeuropa in über 90 % geheilt werden, in Basra kommt sie einem Todesurteil gleich. Zur erfolgreichen Behandlung ist eine Kombination von durchschnittlich 8 Medikamenten erforderlich, diese Kombination war in Basra in den letzten elf Jahren kein einziges Mal vorhanden, kein einziges Kind konnte fachgerecht behandelt werden. Die Folge: es sterben praktisch alle Kinder, die an Leukämie erkranken, das gleiche gilt im übrigen auch für die Kinderspitäler in Bagdad. Auch dort fehlen die wichtigsten Zytostatika. Etliche dieser Kinder, deren Fotos ich Ihnen hier zeige, wurden im Vorjahr aufgenommen, Prof. Jenan hat diese mit einem Wort kommentiert: gestorben, gestorben, gestorben, wir verlieren sie alle! Die gesamte Bevölkerung Basras hat Angst, wenn ein Kind Fieber bekommt, befürchten die Mütter bereits, dass es Leukämie hätte.

Ich kann nicht überprüfen, ob die Angabe der irakischen Ärzte, nämlich dass z.B. Vincristin oder Cytosan - unersetzbare Medikamente in der Leukämie bzw. Krebsbehandlung - aufgrund der Sanktionsbestimmungen nicht ins Land kommen. Aber allein die Tatsache, dass es sich bei der Krebsbehandlung um teure Medikamente handelt, reicht zur Erklärung aus, dass sie im Irak nicht vorhanden sind, z.B. kostet die Behandlung allein mit Vincristin 500 Euro. Wir wissen, daß aufgrund des Oil-for-food-programm für die irakische Bevölkerung durchschnittlich 141 Dollar - oder zuletzt waren es 188 Dollar - pro Person und Jahr entfallen. Da ist ein Budget für derartige Behandlungen sicher nicht mehr vorhanden. Und selbst wenn man noch den Ölschmuggel einrechnet, kommt man maximal auf 300 Dollar - noch immer ein lächerlich geringer Betrag.

Sie werden mich fragen, warum gibt es eine derart erhöhte Leukämie- und Krebsrate im Irak, ganz besonders im Südirak? Für die irakischen Ärzte gibt es keinen Zweifel, sie sind ausnahmslos überzeugt, der Grund wäre die im Golfkrieg verwendete Uranmunition. Ich wage eine derartige Aussage nicht zu treffen, ich kann nur Indizien dafür anführen und zu dem Schluß kommen, wäre Uranmunition ein Medikament und es sprächen so viele Indizien dafür, dass dieses Medikament gesundheitsschädlich ist, dann wäre es längst vom Markt. Tatsache ist, dass in den Regionen, wo Uranmunition in großen Mengen eingesetzt wurde, auch die höchste Krebs- und Leukämierate besteht und Tatsache ist, dass sich ehemalige Pentagonmitarbeiter, die in Forschungsprojekten DU betreffend gearbeitet haben, wie der Physiker Prof. Doug Rokke oder der Nuklearmediziner Prof. Asaf Durakovic sich öffentlich dazu bekannt haben, dass Uranmunition in einem hohen Grad gesundheitsschädlich ist. Die endgültige Antwort könnte einzig und allein nur eine unabhängige wissenschaftliche Langzeituntersuchung geben, z.B. durch die WHO. Die ist trotz wiederholter Ankündigung bis heute nicht zustande gekommen, obwohl hier, wenn schon nicht ein humanitäres, so doch ein wissenschaftliches Interesse bestehen müßte.

Auch auf die Frage nach einem anderen Phänomen gibt es noch keine Antwort: in Basra haben mehr als 3 % aller Neugeborenen schwerste Missbildungen. Normalerweise liegt die Rate solcher Missbildungen weit unter 1 %. Es gibt in Ermangelung von Ultraschallgeräten natürlich auch keine Schwangerenuntersuchungen. Die Ärzte erzählen, dass die Frauen angst davor haben, schwanger zu werden und die erste Frage einer Frau bei der Geburt ist nicht, wie früher nach dem Geschlecht des Kindes, sondern ob es normal oder missgebildet ist.

Wenn man im Irak unterwegs ist, so wird man ständig wegen Medikamenten angesprochen: ob an der Grenze, ob im Hotel, ob auf der Straße, es ist immer die gleiche Situation: Menschen zeigen ein Stück Papier, auf dem ihre ganze Hoffnung steht, ihre Hoffnung auf Gesundheit, Hoffnung auf Überleben. Anstelle einer Therapie drückt der Arzt dem Patienten ein Stück Papier in die Hand, in der Hoffnung, der Patient könne sich das Medikament vielleicht aus dem Ausland besorgen. Arzt zu sein im Irak ist keine leichte Aufgabe: Man steht mit weitgehend leeren Händen vor dem Patienten und viele Ärzte haben mir gesagt, am liebsten würde sie ihren Beruf aufgeben. Sie wären müde geworden, tagtäglich seit vielen Jahren, die Patienten enttäuschen zu müssen. Sie wissen nicht, wie lange sie es noch ertragen können, zu wissen, wie man helfen könne und es trotzdem nicht zu können. Der Import von wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften ist dem Irak nicht erlaubt, die Teilnahme an internationalen Kongressen ist kaum möglich. Von dieser wissenschaftlichen Isolation ist die Medizin wahrscheinlich am meisten betroffen, eine wachsende Entprofessionalisierung ist die Folge. Die Ausbildung an den Universitäten ist mangelhaft. Darüberhinaus sind viele ehemalige Akademiker gezwungen, Beschäftigungen als Taxifahrer oder Kellner anzunehmen. Piloten, Ingenieure, Archäologen verdienen den Lebensunterhalt mit Hilfsarbeiten. Wissenschaftler haben ihre Bibliotheken längst auf den Flohmärkten in den Straßen Bagdads verkauft. Selbst wenn das Embargo eines Tages aufgehoben werden wird, wieviele Jahre wird der Irak brauchen, um allein die wissenschaftlichen Defizite aufzuholen?

Wir haben alle schon die Geschichten über den Missbrauch der Sanktionsbestimmungen durch das Sanktionenkomitee gehört, ich kenne viele Geschichten, die ich im Irak gehört habe und hier in Europa, z.B. dass Nitroglycerintabletten für Herzkranke nicht ins Land durften, dass Bleistifte für Schulen wegen des Graphitgehaltes verboten wurden, ja selbst der Import von Eiern wurde einmal abgelehnt. Ich kenne Erzählungen von Geschäftsleuten, deren Anträge 18 Monate lang in New York lagen und ich habe selbst von Mitarbeitern der WHO gehört, dass bewusst Teile von Anträgen blockiert werden, ohne die auch der Rest wertlos ist. Ich muß zugeben, dass ich bei all diesen Geschichten lange Zeit Zweifel gehabt hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes. Aber dann habe ich das beste Beispiel für diesen Mißbrauch selbst erlebt und diese Geschichte möchte ich Ihnen erzählen:

Wir haben im März 2001 innerhalb der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen ein Hilfsprojekt gegründet, um die Behandlungssituation für leukämiekranke Kinder im Mutter-Kind-Spital in Basra in mehreren Schritten zu verbessern. Nachdem die meisten der Kinder bereits wenige Wochen nach Diagnosestellung an Hirnblutungen sterben und keine Möglichkeit besteht, diese Blutgerinnungsstörung zu behandeln, war unser Ansatzpunkt der, zunächst diesbezügliche Geräte nach Basra zu bringen. Mit Hilfe von Organisationen, Firmen und vielen privaten Spendern gelang es uns, insgesamt 3 Container mit medizinischen Geräten und Hilfsmittel zu füllen. Die kann man ja kaum ins Handgepäck packen und in den Irak reisen und so haben wir Anfang Jänner dieses Jahr einen Antrag an das Sanktionenkomittee gestellt, eine genaue Beschreibung des humanitären Projektes mit allen Zielsetzungen war beigefügt. Zwei Wochen später wurden wir verständigt, dass 14 Mitglieder des Komitees keinen Einwand hatten, die USA jedoch wegen Verdacht auf dual use, d.h. militärische Nutzung weitere technische Details für einige Punkte auf unserer Liste fordere. Diese haben wir binnen weniger Tage nachgeliefert und daraufhin war trotz mehrfacher Anfragen Funkstille bis Anfang Mai. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir davon in Kenntnis gesetzt, dass für praktisch alle wichtigen Geräte wegen dual use keine Genehmigung erteilt werden könne.

Interessantes Detail am Rande: nun waren plötzlich Geräte beeinsprucht, die im Februar noch offensichtlich als harmlos gegolten hatten. Ein Mitarbeiter des Office of the Iraq Programme, der sich als äußerst kooperativ zeigte, legte unsere technischen Unterlagen den UN-Waffeninspektoren vor, die nach einer Woche erklärten, keines dieser Geräte wäre militärisch nutzbar oder stünde auf der verbotenen Liste, der goods review list - was ohnehin von vornherein klar war. Das Irakoffice kontaktierte das Büro des UN-Koordinators in Bagdad und bat dieses, eine Verpflichtung abzugeben, unsere Geräte in regelmäßigen Abständen vor Ort zu kontrollieren. Das UN-Büro war dazu bereit, wir besorgten eine Genehmigung dieser Kontrollen durch das irakische Gesundheits- bzw. Außenministerium. Wir selbst mussten uns verpflichten, zweimal jährlich nach Basra zu reisen und Berichte an das Sanktionenkomitee zu schicken. Herr Edlinger, der Generalsekretär unserer Gesellschaft reiste im Juni nach New York, um mit dem amerikanischen Vertreter im Sanktionenkomitee persönlich zu sprechen. Dessen Antwort lautete: Ich rede nicht über leukämiekranke Kinder, ich rede über das irakische Regime. Vor drei Wochen erhielt ich die endgültige Nachricht, dass wir nicht mehr mit einer Genehmigung dieser Geräte zu rechnen brauchen.

Ich habe ihnen hier selbstverständlich nur eine Kurzfassung dieser Geschichte geboten, der Schriftverkehr darüber füllt mittlerweile zwei Ordner. Ich muß Ihnen ehrlich sagen, hätte ich das alles nicht selbst erlebt, ich würde es niemals glauben! Aber ich denke, anhand dieser Geschichte, wo es sich noch dazu um ein humanitäres Projekt handelt und wo genau deklariert wurde, dass diese Hilfe leukämiekranken Kinder zugute kommen sollte, lässt sich das wahre Ausmaß des Missbrauchs der Sanktionsbestimmungen in etwa erahnen. Denn wenn man schon bei einem humanitären Projekt so verfährt, dann frage ich mich, wie man vorgeht, wenn es sich um kommerzielle Anträge handelt.

Man könnte weitere Beispiele anführen, z.B. daß im Irak auch die Durchführung einer Strahlentherapie von Krebserkrankungen praktisch nicht möglich ist, bzw. wenn, dann unter Umständen, die schon der Quälerei eines Patienten gleichkommen. Der Grund: man braucht, um eine Strahlentherapie durchzuführen, natürlich radioaktives Material. Eine Kobaltquelle ist ca. 4,5 cm groß und eine Atombombe kann man damit sicher nicht herstellen. Der Einfuhr aber von radioaktiven Material ist verboten, ich frage mich: ist das zu rechtfertigen? Ist es richtig, daß man Iraker eine kunstgerechte Behandlung verweigert? Die Schmerzen, die Knochenmetastasen hervorrufen, sind die stärksten Schmerzen, die ein Mensch haben kann. Man kann diese Metastasen zwar nicht heilen, aber man kann die Schmerzen gut beherrschen mit einer Strahlentherapie, einer sog. Palliativen Therapie. Irakischen Krebspatienten ist diese Therapie verwehrt, denn die geringen Kapazitäten, die man mit den drei Uraltgeräten, die im gesamten Irak noch funktionieren, muss man für eine kurative Therapie, das heißt, dann wenn eine Heilungschance besteht, einsetzen. Drei Geräte mit Kobaltquellen, die mehr als 14 Jahre alt ist! Zum Vergleich: in Wien haben wir für etwa 2,3 Millionen Menschen 14 Bestrahlungsgeräte. Eine Kobaltquelle muss alle vier Jahre erneuert werden. Ich frage mich, kann es auch nur irgendeine Rechtfertigung geben, dass man so etwas schwerkranken Menschen im Namen der internationalen Gemeinschaft antut?

Der stärkste Eindruck meiner letzten Reise war nicht mehr nur die Müdigkeit, die Resignation, die Hoffnungslosigkeit der Menschen, ich habe das Gefühl, die Bedrohung durch einen neuerlichen Krieg hat die Leute förmlich gelähmt, sie sind apathisch, teilnahmslos. "Sollen sie kommen, wir haben nichts mehr zu verlieren." Das haben wir öfters bei dieser Reise gehört. Zwei Kriege, die Herrschaft des repressiven irakischen Regimes und zwölf Jahre eines unmenschlichen Embargos, das ausschließlich die Zivilbevölkerung trifft, haben das Leben auf einen winzigen Funken reduziert, der Überleben heißt. Ich frage mich, sollte es zu einem Krieg kommen, wird man den Sieg wirklich feiern können und wie? Den Sieg über eine förmlich gelähmte Zivilbevölkerung, von der 55 % unter der Armutsgrenze leben, deren Kindern oft der Schulbesuch verwehrt ist, weil diese Geld für das Überleben der Familie verdienen müssen oder die in Schulen statt in Bänken auf Steinen oder Kisten, umgeben von Mauern, die von Feuchtigkeit durchtränkt sind, die Fenster ohne Glas mit Kälte im Winter und unerträglicher Hitze im Sommer. Wird man diesen Sieg wieder mit einer Parade in den Straßen New Yorks feiern mit Flaggen und Konfetti?

Man hat vielen, die sich dafür eingesetzt haben, daß die irakische Bevölkerung von diesem unmenschlichen Embargo befreit wird, vorgeworfen, sie unterstützten das irakische Regime, sie wären nützliche Idioten für das Regime in Bagdad, ja sie bekämen Geld aus Bagdad. Ich möchte, statt meines Abschlußwortes, Ihnen einige Zeilen eines Mannes vorlesen, der das Gleiche fordert und dem man wohl nur schwerlich Propaganda für das Bagdader Regime vorwerfen kann: Erzbischof von Basra, Gabriel Kassab, er hat uns im September seine Botschaft an die Welt mitgegeben und daraus lese ich Ihnen einige Zeilen vor:
"Wir leben in einer unerträglichen Situation, unwürdig und ungerecht für irgendein menschliches Wesen auf dieser Erde. Dies läßt sich auf eine einzige Ursache zurückführen: das Embargo, das vor 12 Jahren über uns verhängt wurde. Wenn es dieses Embargo nicht gäbe, würden wir nicht Hunger leiden, wir hätten sauberes Wasser und hygienische Bedingungen. Wenn es dieses Embargo nicht gäbe, so hätten wir ein gutes Schulsystem, das es unseren Kindern ermöglicht, etwas zu lernen.
An Euch, die Ihr ein Gewissen habt, appellieren wir und bitten Euch um Eure Hilfe, ja wir flehen Euch an: bringt Eure Regierungen dazu, daß uns nicht ein neuerlicher Krieg trifft und daß das Embargo von uns genommen wird, damit wir das erhalten, was wir für das tägliche Überleben brauchen."



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